München

Hommage an einen Charmeur

Cohen-Biograf Thomas Kraft Foto: Marina Maisel

80 Jahre alt ist er am 21. September geworden: Leonard Cohen. Dem Poeten, Erzähler, Musiker, Sänger und Weltstar widmete das Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde im Rahmen der Jüdischen Kulturtage an diesem Tag eine eindrucksvolle Hommage. Der Faszination, die von dem großen jüdischen Künstler ausgeht, konnten sich auch die Gäste der Veranstaltung im Gemeindezentrum am Jakobsplatz nicht entziehen.

Einen wesentlichen Beitrag, der facettenreichen Persönlichkeit Leonard Cohens näherzukommen, lieferte der Autor und Literaturkritiker Thomas Kraft mit seiner Cohen-Biografie, die im Maro-Verlag erschienen ist. »Ein kleines, aber sehr feines Werk«, wie Ellen Presser, Leiterin des IKG-Kulturzentrums, kurz und treffend feststellte. Sehr persönliche Reflexionen zur Rezeption Cohens in Deutschland seit Ende der 60er-Jahre steuerte Gert Heidenreich bei, eine der bekanntesten Stimmen des Bayerischen Rundfunks.

Konzert Er hatte sich an dem Abend die Schlüsselstellen der Biografie Krafts herausgesucht, etwa diese: »Wer Cohen je bei einem Konzert erleben durfte, hat gemerkt, wie sehr er die Wertschätzung seines Publikums genießt, wie er in der Lage ist, gleichsam magische Stimmungen zu erzeugen und mit eigenwilligem Gitarrenspiel und einer brüchigen Stimme die Menschen zu erreichen.«

1968 brachte der Sohn einer jüdischen Industriellenfamilie aus Toronto sein erstes Album heraus: »Songs of Leonard Cohen«. Es war der Beginn einer sensationellen Bühnenkarriere, die bis heute anhält. Songs wie »Suzanne«, »Sisters of Mercy«, »First we take Manhattan« oder »Hallelujah« brannten sich in die Köpfe ganzer Generationen ein. Auch bei der »Geburtstagsfeier« im jüdischen Gemeindezentrum, bei der immer wieder seltene Filmsequenzen und Fotos des Künstlers gezeigt wurden, sorgte seine Musik für tief gehende Emotionen. Lena Wachter, begleitet von Steven Lichtenwimmer an der Gitarre, erntete mit ihren Interpretationen der Cohen-Lieder lang anhaltenden Applaus.

»In seinem lebenslangen Versuch der Selbstbefragung«, schreibt Thomas Kraft in seinem Buch, »hat Leonard Cohen, privat wie künstlerisch, einen Kampf geführt zwischen zügellosem Begehren und klarem Regelwerk, zwischen Sucht und Sehnsucht, Schmerz und Disziplin – stets in der Hoffnung auf Erlösung und Befreiung.« Der elegante Charmeur und Freund der Frauen, der auch eine dunkle Seite hatte, die aus Depressionen und exzessivem Drogenkonsum bestand, war schwer zu bändigen. »Cohen«, so Thomas Kraft in seiner Biografie, »lebte sein eigenes Leben, nach seinen Regeln und Wünschen, arbeitete unentwegt, versuchte, Honorare und Stipendien an Land zu ziehen, und stürzte sich permanent in erotische Abenteuer.«

Janis Joplin Zu seinen vielen Eroberungen gehörte auch Janis Joplin, die an einer Überdosis Heroin früh gestorbene Ikone des Rock-Zeitalters. Suzanne, mit der er zwei Kinder hat und der er auch das gleichnamige Lied widmete, kam seinen Vorstellungen von einer Lebenspartnerin wohl am nächsten. Doch auch sie trennte sich nach einigen Jahren von ihm, weil sie mit seiner Zerrissenheit nicht zurechtkam.

Seine innere Balance, sagte Biograf Kraft, hat Leonard Cohen wohl erst im hohen Alter gefunden. »Zögernd«, zitierte er den weltbekannten Sänger, der eigentlich Schriftsteller werden wollte, »bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass ich sterben werde.« Doch damit scheint sich Leonard Cohen noch etwas Zeit lassen zu wollen. Seine nächste Welttournee ist bereits fest eingeplant.

Schwerin

Stolpern mit App

In 37 Orten Mecklenburg-Vorpommerns sind Gedenksteine zu finden. Mithilfe des Smartphones kann man nun mehr erfahren

von Axel Seitz  28.07.2025

Chemnitz

Ein ganzes Jahr Kultur

Zu Chanukka eröffnet in Chemnitz »Tacheles 2026«. Das sind 365 Tage jüdische Kunst, Literatur, Musik und Events. Die Vorbereitungen laufen bereits

von Christine Schmitt  28.07.2025

Kompakt

SchUM, Haifa, WhatsApp

Kurzmeldungen aus den Gemeinden

 27.07.2025

Düsseldorf

27. Juli 2000, 15.04 Uhr

Bei einem Rohrbombenanschlag am S-Bahnhof Wehrhahn wurden zehn Menschen teils schwer verletzt, ein ungeborenes Kind getötet. Der Angeklagte wurde freigesprochen. Auch nach 25 Jahren bleiben Ohnmacht und Sprachlosigkeit

von Katrin Richter  27.07.2025

Erziehung

Es ist schön, jüdisch zu sein!

Wie wir unsere Kinder gerade in schwierigen Zeiten in ihrer Identität bestärken können

von Daniela Fabian  25.07.2025

Portrait der Woche

Städte, die bleiben

Joseph L. Ronel ist Architekt und malt Erinnerungen an Orte, an denen er nie war

von Katrin Diehl  24.07.2025

Judith Kessler

Die Geschichtenjägerin

Viele Jahrzehnte war Judith Kessler Redakteurin beim »jüdischen berlin«, hat Menschen zusammengebracht, vergessene Storys recherchiert. Jetzt geht sie in Rente – und hat eine neue Mission

von Christine Schmitt  24.07.2025

Meinung

Rothenburgs jüdische Geschichte ist in Gefahr

In dem bayerischen Ort wurde die mittelalterliche Synagoge freigelegt – und soll nun wieder zugeschüttet werden. Ein skandalöser Umgang mit dem historisch bedeutenden Ort

von Johannes Heil  24.07.2025

Hamburg

Schule als Zufluchtsort

Die neue Dauerausstellung »Jüdische Kinderwelten« zeigt den Alltag und die Ausgrenzung von Mädchen

von Heike Linde-Lembke  24.07.2025