Fotos

Herausforderung für beide Seiten

Schoa-Überlebender in Israel: Abbildung aus dem Bildband Foto: PR

Auf den ersten Blick zeigen die Fotos ältere Menschen in Israel, mal alleine abgelichtet, mal in Begleitung ihrer Kinder oder Enkel. Ein alter Mann mit seinem Krückstock, wie er einsam in einer kargen Steinlandschaft steht und skeptisch in die Kamera schaut. Oder zwei Damen, die in der stimmungsvollen Atmosphäre eines Sonnenuntergangs irgendwo auf dem Land ein Schwätzchen halten und offensichtlich viel Spaß dabei haben.

Zu sehen ist aber auch eine zierliche ältere Frau in Winterkleidung, die ein wenig verloren im Eingangsbereich einer Jerusalemer Tiefgarage steht. Viele dieser Fotos sind in satten Farben gehalten oder spielen mit Licht und Schatten, was ihnen eine ganz besondere Bildästhetik verleiht. Irgendwann jedoch stellt sich der Betrachter die Frage: Was verbindet eigentlich alle diese Menschen miteinander?

Textfragmente Aufgelöst wird das Rätsel durch die Textfragmente im Hauptteil des aufwendig produzierten Fotobandes, der mit Texten auf Deutsch, Englisch und Hebräisch dreisprachig ist: Erst Sätze wie »Ich möchte verstehen, warum die Leute von der SS in mir nie einen Menschen sehen konnten« oder »Mein Geburtstag ist bis heute der von Anna Osimok, nicht mein eigener. Ich habe ihre Papiere benutzt. Ich erinnere mich gar nicht mehr an meinen. Ich habe ihn vergessen müssen« setzen den Betrachter davon in Kenntnis, dass es sich bei den fotografierten Menschen um Überlebende des Holocaust handelt, die im jüdischen Staat nach 1945 eine Heimat gefunden hatten.

In ihrer Prägnanz erreichen sie den Leser manchmal recht unvermittelt, selbst wenn sie mitunter alltägliche Dinge beschreiben. Genau das scheint die Absicht der Fotografin Helena Schätzle gewesen zu sein, die nach Israel gereist war, um Menschen zu porträtieren, die versuchen, ihr »Leben nach dem Überleben« zu meistern. 22 dieser Zeitzeugen hat sie über Monate hinweg begleitet und dabei Momente des Glücks oder eben auch der Hilflosigkeit eingefangen.

Für die Fotografin eine sehr persönliche Herausforderung. »Angst hatte ich vor meinen ersten Begegnungen.« Offensichtlich verspürte sie anfangs große Unsicherheit darüber, wie man ihr als Deutscher und Enkelin eines Wehrmachtssoldaten wohl begegnen würde.

Generationsübergreifend Was folgte, war eine wahre Welle an Herzlichkeit und Zuneigung. Und das Bedürfnis, das Erlebte jemandem zu erzählen, solange man das noch kann. »So viel wurde mit mir geteilt. Selbst ihre Träume. Bewegt bin ich durch all die Liebe, mit der ich überschüttet wurde.« Helena Schätzle arbeitet generationenübergreifend, lässt auch Kinder und Enkel zu Wort kommen. Denn für die fast immer ohne Familie nach Israel gekommenen Menschen schließt sich wieder ein Kreislauf des Lebens, der durch die Schoa brutal unterbrochen war.

»Diejenigen, die eine glückliche Kindheit hatten, leben mit ihr, wenn sie alt werden«, bringt es stellvertretend für viele Ruth Malin, Jahrgang 1930, auf den Punkt. »Und diejenigen, die eine traumatische Kindheit oder Jugend hatten, leben mit ihr, wenn sie alt werden.« Mit dem Alter kehren Ängste zurück. Selbst wenn jemand nach 1945 stark war und ein neues Leben aufzubauen vermochte, weiß er, dass man nun schwächer wird. Und wer schwach ist, das lehrte sie der Holocaust, überlebt nicht. Genau deshalb werden sie in diesem Lebensabschnitt regelrecht heimgesucht von grausamen Erinnerungen.

Nicht jeder kann mit diesen Traumata umgehen – häufig sind auch die Angehörigen überfordert. »Das Ende des Krieges war für viele der Überlebenden eine Befreiung von physischer Qual, Verfolgung, Ausbeutung, Gewalt und Tod«, weiß Lukas Welz zu berichten. »Es war eine Rettung vor dem Tod, aber keine Befreiung für das weitere Leben«, sagt der Vorsitzende von Amcha Deutschland.

Die 1987 in Israel gegründete Organisation hat speziell für diese Gruppe und ihre Familien maßgeschneiderte Psychotherapieangebote und soziale Aktivitäten konzipiert, um traumatische Erinnerungen abzufedern und zu helfen. Wie wichtig das ist, das belegt nicht nur die hohe Zahl von bislang 20.000 betreuten Personen, sondern auch der wirklich mit viel Einfühlungsvermögen konzipierte Fotoband, den Amcha nun herausgebracht hat.

Helena Schätzle: »Leben nach dem Überleben – Überlebende des Holocausts und ihre Familien in Israel«, Nimbus, Zürich 2016, 390 S., 48 €

Bonn

Schoa-Überlebende und Cellistin Anita Lasker-Wallfisch wird 100

Sie war die »Cellistin von Auschwitz« - und später eine engagierte Zeitzeugin, die etwa vor Schülern über ihre Erlebnisse unter dem NS-Regime sprach. Jetzt feiert sie einen besonderen Geburtstag

von Leticia Witte  15.07.2025

Würdigung

Er legte den Grundstein

Vor 100 Jahren wurde Simon Snopkowski geboren. Zeitlebens engagierte sich der der Schoa-Überlebende für einen Neubeginn jüdischen Lebens in Bayern

von Ellen Presser  14.07.2025

München

Im Herzen ist sie immer ein »Münchner Kindl« geblieben

Seit 40 Jahren ist Charlotte Knobloch Präsidentin der IKG München. Sie hat eine Ära geprägt und das Judentum wieder in die Mitte der Gesellschaft gerückt

von Christiane Ried  14.07.2025

Jubiläum

Münchner Kultusgemeinde feiert Wiedergründung vor 80 Jahren

Zum Festakt werden prominente Gäste aus Politik und Gesellschaft erwartet

 14.07.2025

Berliner Ensemble

Hommage an Margot Friedländer

Mit einem besonderen Abend erinnerte das Berliner Ensemble an die Zeitzeugin und Holocaust-Überlebende. Pianist Igor Levit trat mit hochkarätigen Gästen auf

 14.07.2025

Reisen

Die schönste Zeit

Rom, Balkonien, Tel Aviv: Hier erzählen Gemeindemitglieder, an welche Urlaube sie sich besonders gern erinnern

von Christine Schmitt, Katrin Richter  13.07.2025

Solidarität

»Israel kann auf uns zählen«

Wie die Israelitische Kultusgemeinde München mit Spenden den Menschen vor Ort konkret helfen will

von Vivian Rosen  13.07.2025

Ravensbrück

Familie von KZ-Überlebender erhält Ring zurück

Im Frühjahr war es demnach einer Freiwilligen gelungen, die Familie von Halina Kucharczyk ausfindig zu machen

 11.07.2025

Thüringen

Voigt für deutsch-israelisches Jugendwerk in Weimar

Er führe dazu Gespräche mit israelischen Partnern, die bereits Interesse an einer Ansiedlung in Thüringen signalisiert hätten

 11.07.2025