Frankfurt

Gemeinsames Gedenken

Sichtbares Zeichen: Vertreter der Religionsgemeinschaft bei der Einweihung der Gedenktafel für 23 Heimbewohner Foto: Rafael Herlich

Bänke aus Gabionen – blauer Glasbruch in rechteckigen Drahtkörben – umrahmen eine Fläche, auf der 23 Basaltstelen stehen. Sie sind unterschiedlich hoch, dicker und dünner. Rechts an der Hauswand befindet sich eine rostbraune Tafel, auf der 23 Namen stehen. Es ist die Gedenkstätte der Henry-und-Emma-Budge-Stiftung in Frank- furt am Main. Bewohner des christlich-jüdischen Altenheims haben sie gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe aus Historikern und Landschaftsarchitekten entworfen und am Gedenktag zur Pogromnacht in diesem Jahr eingeweiht.

Es ist in jeder Hinsicht eine bemerkenswerte Gedenkstätte: Die heutigen Heimbewohner erinnern damit an die 23 Menschen, die in den 30er-Jahren hier lebten und von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Dass sie heute um ihr Schicksal wissen, ist einem Zufall zu verdanken.

Falsche Adresse Viele Jahre lang galten sämtlich Unterlagen über das 1930 von dem Finanzmann und Philanthrop eröffnete Heim als verschollen. Erst im Januar 2007 fand der Historiker Volker Hütte im Frankfurter Institut für Stadtgeschichte das Hausstandsbuch Nr. 1369 mit allen Eintragungen der Bewohner Eschersheimer Landstraße 142-267 aus den Jahren 1930 bis 1939. Da waren nun die Daten, die man vergessen glaubte. Sie waren unter einer falschen Adresse aufgeführt, die richtige Anschrift hätte Edingerweg lauten müssen.

Anhand dieser 254 Namen konnten die Wissenschaftler im Abgleich mit Listen aus der Volkszählung von 1939, der Deportation der Frankfurter Juden und von Begräbnissen, die Namen von 22 jüdischen Bewohnern ermitteln, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Eine Bewohnerin wurde in Hadamar getötet.

Initialzündung Gleichzeitig bedeutete der Fund dieses Hausstandsbuchs eine Initiatzündung für Rabbiner Andrew Steinman und alle Beteiligten, den Arbeitskreis »Erinnern und Gedenken« ins Leben zu rufen. Steinman betreut seit 2003 das Heim, in dem Juden und Christen zusammen leben. Entsprechend gehören dem Arbeitskreis auch die evangelische Pfarrerin Gisa Reuschenberg und der katholische Diakon Franz Reuter an.

Budge-Direktor Heinz Rauber und Bewohner des Heimes unterstützen den Arbeitskreis, der seitdem die Gedenktage selbst ausgestaltet. Dabei stehen neben Erinnerungen an die Stiftungsgründer der 27. Januar als offiziell von der UNO ausgerufener Holocaust-Gedenktag, der Jom Haschoa für die Ermordeten während der Schoa und der 9. November in Erinnerung an die Pogromnacht im Vordergrund.

Jugend Wichtig ist aber auch die Einbeziehung der Jugend. Denn sowohl Arbeitsgruppe als auch das Denkmal für die 23 ermordeten Budge-Heimbewohner sollen in die Zukunft wirken, wenn keine Zeitzeugen mehr leben und teilnehmen können.

Und so haben es sich auch die Initiatoren der Gedenkstätte gewünscht: Der Glasbruch symbolisiert das Wasser als Fluss des Lebens, die unterschiedlichem Stelen die Menschen, die hier lebten.

Berlin

Bundesregierung und israelische Botschaft schicken gute Wünsche zu Jom Kippur

»Jüdisches Leben und jüdische Kultur gehören seit jeher zu unserem Land – gestern, heute und morgen«, so die Regierung in dem Feiertagsgruß

 01.10.2025

Terror

»Das Einfühlungsvermögen für Juden ist aufgebraucht«

Die Berliner Psychologin Marina Chernivsky zieht eine bittere Bilanz nach dem 7. Oktober

von Franziska Hein  30.09.2025

DP-Camp Föhrenwald

Geboren im »Wartesaal«: Das Leben nach dem Überleben der Schoa

Wer das Morden der Nazis überlebt hatte, wusste oft nicht, wohin. Hunderttausende Juden kamen zunächst in Camps für »Displaced Persons« unter. Fiszel Ajnwojner wurde dort geboren

von Leticia Witte  30.09.2025

Erfurt

Hinweise auf antisemitisches Motiv nach Attacke

Der weiterhin flüchtige Täter habe dem jungen Mann nicht nur seine Halskette mit Davidstern geraubt, sondern ihn auch als Juden beschimpft

 30.09.2025

Interview

»Der Attentäter ist mir egal. Das ist eine Sache zwischen mir und Gott«

Vor sechs Jahren wurde Rabbiner Jeremy Borovitz an Jom Kippur in der Synagoge in Halle beinahe ermordet. Seitdem hat dieser Feiertag für ihn eine ganz neue Bedeutung

von Mascha Malburg  30.09.2025

Andenken

Neues Buch über Margot Friedländer: »Eine Stimme für das Leben«

Am 9. Mai dieses Jahres ist mit Margot Friedländer eine der bekanntesten Schoa-Überlebenden gestorben. Nun kommt ein Buch über sie heraus - mit Fotos, Gedanken und Erinnerungen

von Leticia Witte  29.09.2025

Berlin

Mit Mohn, Kardamom und Sesam: Jüdische Backwaren mit Geschichte

Schokolade und Marzipan, Chili und Tahini: In einer einzigartigen Berliner Bäckerei beleben zwei Männer die jüdische Gebäckkunst neu

von Nina Schmedding  29.09.2025

Antisemitismus

Haltung zeigen

Judenhass im Klassenzimmer – in einem Workshop erfahren Lehrkräfte, wie sie klare Grenzen setzen

von Anita Hirschbeck  28.09.2025

Meinung

Steht auf gegen Judenhass!

Eine Reihe antisemitischer Vorfälle in den vergangenen Tagen hat die jüdische Gemeinschaft in Deutschland erschüttert. So darf es nicht weiter gehen. Ein Appell an die Zivilgesellschaft

von Jan Feldmann  26.09.2025