Limmud.de

Ganz in Familie

Der Himmel über dem Werbellinsee war eher grau als blau, und statt 500 Gäste wie im Vorjahr erwarteten die Veranstalter im Tagesdurchschnitt diesmal nur 350 Besucher beim jüdischen Lernfestival Limmud, das am Donnerstagabend begonnen hat. Auch prominente Referenten waren diesmal eher die Ausnahme.

Doch das tat der Stimmung auf dem weitläufigen Gelände der Europäischen Jugendbegegnungsstätte, die zu DDR-Zeiten als »Pionierrepublik Wilhelm Pieck« bekannt war und an eine riesige Jugendherberge erinnert, keinen Abbruch: Der Altersdurchschnitt beim Limmud-Festival, das in Deutschland in diesem Jahr schon zum sechsten Mal veranstaltet wird, war niedriger denn je.

Atmosphäre Junge Familien mit Kinderwagen flanierten über das Gelände, Babys quäkten im Speisesaal, die Kinder- und Kleinkindbetreuung war ausgebucht. Etwa 50 Studenten trugen dazu bei, dem viertägigen Lernfestival eine familiäre und gleichzeitig lebhafte Atmosphäre zu verleihen. »So jung wie diesmal waren wir noch nie«, sagte Alexander Smolianitski, Vorsitzender von limmud.de. Auch die Zahl der Besucher, die zum ersten Mal gekommen waren, sei gestiegen: »Es ist ein Lernen und Kennenlernen am Werbellinsee«, so Smolianitski.

In mehr als 120 Workshops, Seminaren und Diskussionen – die wie das gesamte Festival auf ehrenamtlicher Basis bestritten werden –beschäftigen sich die Limmud-Teilnehmer noch bis Sonntagnachmittag mit biblischer Geschichte, Geburt und Tod im Judentum, einem Nachklapp zur Beschneidungsdebatte, aber auch weniger tiefsinnigen Fragen wie »Juden und Haustiere«.

In ihrer Arbeitsgruppe stellte die Stellvertreterin von limmud.de, Toby Axelrod, unter anderem eine »Bark Mizwa« für Hunde zur Diskussion – eine Zeremonie, die erstmals 1977 von jüdischen Hundeliebhabern in den USA praktiziert wurde. Die Mehrheit der Seminarteilnehmer zeigte sich belustigt, aber nicht wirklich angetan von der Idee. »Man sollte das nicht unbedingt in einer Synagoge veranstalten«, resümierte Axelrod.

Sarrazin Gut besucht war am Freitag eine Veranstaltung der Biologin Bettina Schwitzke, ebenfalls Stellvertreterin von limmud.de, die nachwies, die Existenz eines jüdischen Gens, das SPD-Politiker Thilo Sarrazin einst in einem Interview erwähnt hatte, sei wissenschaftlich nicht haltbar.

Forscher, die das Gegenteil behaupteten, seien bisher stets widerlegt worden: »Ich glaube nicht, dass man irgendetwas findet, was alle Juden gemein haben. Aber es ist spannend, dass man danach sucht«, sagte Schwitzke. In einer kleineren Runde erörterten Frauen am Freitagnachmittag die Vor- und Nachteile eines Mehrgenerationenhauses für jüdische Familien.

Zur gleichen Zeit waren Limmud-Teilnehmer noch damit beschäftigt, aus Brettern und Seilen einen Eruw einzurichten – ein Gebiet, das die Grenzen bezeichnet, innerhalb derer praktizierende Juden am Schabbat Taschen oder andere Gegenstände mit sich tragen dürfen. »Der Eruw ist nur für etwa zehn Prozent der Besucher wichtig, aber er macht es allen möglich, zu kommen«, sagte Toby Axelrod. Allerdings fiel in diesem Jahr auf, dass außer dem Rabbiner der Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg, Shaul Friberg, kein orthodoxer Rabbiner zu Limmud gekommen war.

Dies sage jedoch nichts über die zukünftige Ausrichtung des Festivals aus, das nach wie vor pluralistisch sei und das gesamte jüdische Spektrum von säkular bis orthodox abdecke, betonte Alexander Smolianitski: »Limmud ist eine Plattform. Wir bieten einen Rahmen an, und jeder kann ihn mit Inhalt füllen.«

www.limmud.de

Berlin

Zentralrat der Juden begeht sein 75. Jubiläum

Die Dachorganisation der jüdischen Gemeinden lud zahlreiche Gäste aus Politik und Zivilgesellschaft nach Berlin. Der Bundeskanzler hielt die Festrede

von Imanuel Marcus  17.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  17.09.2025

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Auszeichnung

Düsseldorfer Antisemitismusbeauftragter erhält Neuberger-Medaille

Seit vielen Jahren setze sich Wolfgang Rolshoven mit großer Entschlossenheit gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens in Düsseldorf ein, hieß es

 16.09.2025

Erinnerung

Eisenach verlegt weitere Stolpersteine

Der Initiator des Kunst- und Gedenkprojekts, Gunter Demnig aus Köln, die Stolpersteine selbst verlegen

 16.09.2025

Porträt der Woche

Passion für Pelze

Anita Schwarz ist Kürschnerin und verdrängte lange das Schicksal ihrer Mutter

von Alicia Rust  16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025