50 Jahre DIG

Für gute Beziehungen

Öffentliche Gründungsversammlung der DIG in Berlin am 19. Mai 1966; Asher Ben-Natan, Adolf Arndt, Willy Brandt, Probst Heinrich Grüber und Gerhard Jahn (v.l.) Foto: Ullstein

Sie heißen Jonathan und Jasmin und sind gerade einmal acht beziehungsweise vier Jahre alt. Im israelischen Givataim sind die beiden genauso zu Hause wie in Düsseldorf im Rheinland. Denn von dort stammen ihre Eltern, Lutz Riedrich und Ofra Kleinberger-Riedrich.

Kennengelernt hat sich das Paar vor Jahren über einen Jungendaustausch, den das Junge Forum, die Plattform für Mitglieder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) im Alter zwischen 14 und 35 Jahren, organisiert hatte. »Ich komme eigentlich aus der klassischen Antifa-Bewegung«, erinnert sich der 42-Jährige, der in Israel als Deutschdozent an der Open University arbeitet. »Als Reaktion auf den bereits in den 90er-Jahren spürbar anwachsenden Antisemitismus und Antizionismus bin ich dann der DIG beigetreten.«

Aus dem politischen Engagement für Israel wurde bald Liebe: »Dass ich eines Tages hier mit meiner Familie leben würde, hätte ich mir natürlich damals nicht vorstellen können. Heute dagegen ist es Alltag.« So wie vieles in den deutsch-israelischen Beziehungen irgendwie Normalität geworden ist und der jüdische Staat für immer mehr Deutsche ein Stück Selbstverständlichkeit.

Festakt Einen großen Anteil an dieser Entwicklung hat seit jeher die Deutsch-Israelische Gesellschaft, die in diesen Tagen den 50. Jahrestag ihres Bestehens feiert und deshalb an diesem Donnerstag zu einem großen Festakt nach Berlin einlädt.

Dabei war aller Anfang recht nüchtern: »Unter Beteiligung namhafter Persönlichkeiten des politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens wurde in Bonn am Montag, den 21. März 1966, die Deutsch-Israelische Gesellschaft gegründet«, hieß es in einer schlichten Pressemitteilung. Und weiter: »Die Vereinigung dient der Förderung internationaler Verbundenheit, der Toleranz und der Verständigung der Völker, insbesondere im Nahen Osten.«

Angesichts der Tatsache, dass die Schoa gerade einmal etwas mehr als 20 Jahre zurücklag, ein genauso mutiges Unterfangen wie die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem jüdischen Staat nur ein Jahr zuvor. Am 19. Mai 1966 schließlich wurde die Gründung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung in der Berliner Akademie der Künste ganz offiziell gefeiert. Mit von der Partie waren damals Berlins Regierender Bürgermeister Willy Brandt und Jerusalems Botschafter in Bonn, Asher Ben-Natan.

mitglieder Über die Zahl der Freundschaften, Partnerschaften oder gar Ehen, die seither im Rahmen der DIG-Arbeit zustande kamen, gibt es keine Statistik. Wohl aber zu der Zahl der Mitglieder. Etwa 5100 zählen mittlerweile dazu – Tendenz weiter steigend. Und auch die Atmosphäre dürfte deutlich informeller und lockerer sein als früher.

Geblieben sind auf jeden Fall die Professionalität und die Begeisterung, mit der die Frauen und Männer der DIG Israel in die Mitte der deutschen Gesellschaft tragen. Sie besuchen zum Beispiel Schulen, organisieren Informationsveranstaltungen oder bringen ganz einfach Israelis und Deutsche zusammen.

Manche von ihnen sind schon seit Jahrzehnten mit dabei. So wie Ruth Frenk aus Konstanz. »Die Musik brachte mich 1974 von New York nach Deutschland«, erzählt die heute 70-jährige Tochter zweier Überlebender aus den Niederlanden. »Schnell wollte ich mich als Jüdin politisch betätigen.« Die DIG in Konstanz erschien ihr dafür die ideale Plattform. »So trat ich ihr bei und bin nun schon seit 1992 Vorsitzende einer ständig wachsenden Arbeitsgemeinschaft in der Bodenseeregion.«

zusammenarbeit Die Zusammenarbeit mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Kunst hat Ruth Frenk immer wieder aufs Neue begeistert und angespornt: »Als ich früher zu den Mitgliederversammlungen nach Bonn fuhr, um Konstanz zu vertreten, fand ich dort nur einige dunkel gekleidete und sehr wichtig tuende Herren vor. Das hat sich glücklicherweise alles sehr gewandelt.« Für die Zukunft wünscht sich die Musikerin mehr Vertreter der jüngeren Generation, die die DIG-Arbeit in der Region Bodensee verstärken.

Dieses Problem ist beispielsweise in Leipzig unbekannt. Dort bestimmen seit einigen Monaten zwei dynamische Jurastudenten die Geschicke der DIG vor Ort. »Deutschland wird von Israel inzwischen als wichtigster Verbündeter in Europa wahrgenommen«, sagt Maximilian Both. »Ich engagiere mich in der DIG, um die gesellschaftlichen Voraussetzungen für diese Partnerschaft zu erhalten und auszubauen. Denn ein freundschaftlich-solidarisches Verhältnis zum jüdischen Staat gilt vielen leider nicht als Selbstverständlichkeit.«

Die DIG spielt seiner Ansicht nach in diesem Kontext eine sehr wichtige Rolle, »und zwar als Signalgeber in einer sich immer weiter partikularisierenden Debattenkultur«. Er sei bei der DIG mit an Bord, weil er »für ein differenziertes und modernes Israelbild werben möchte«, ergänzt Julius Book, der bereits einige Veranstaltungen auf die Beine gestellt hat. »Vor einigen Wochen erst besuchte uns Ali Ertan Toprak, der frühere stellvertretende Vorsitzende der Alevitischen Gemeinde Deutschlands, in Leipzig und sprach über das gute Verhältnis der Kurden zu Israel.« Seit 2009 fährt Julius Book regelmäßig nach Israel und hat dort schon viele persönliche Kontakte geknüpft.

Motivation Mit Anfang 30 zählt Ina Dinslage, stellvertretende Vorsitzende der DIG in Hamburg, ebenfalls zu den jüngeren Israel-Aktivisten. »Die Gesellschaft ist das ›Knochengerüst staatlichen Lebens‹, meinte schon 1928 Ludwig Holländer, damals Direktor des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, der für die Rechte der jüdischen Deutschen kämpfte«, skizziert sie ihre Motivation.

Ein Staat könne nichts durchsetzen, was eine Gesellschaft zu tragen nicht bereit ist. »Gerade in den letzten Jahren mussten wir beobachten, wie der Antisemitismus und der Hass auf Israel in Deutschland massiv zugenommen haben, ohne dass ein Aufschrei der sogenannten ›Anständigen‹ oder erwähnenswerte Reaktionen vonseiten der Politik erfolgten«, beklagt Ina Dinslage.

Genau das will sie nicht einfach hinnehmen, sondern etwas dagegen tun: »Und wo geht das besser als in der DIG?« In diesem Sinne bringt es Julius Book wohl stellvertretend für alle DIG-Mitglieder auf den Punkt: »Masal tow, liebe DIG, bis 120!«

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