Frankfurt am Main

Für ganz besondere Kinder

Als Doron Almog erfuhr, dass sein Sohn Eran hirngeschädigt und deshalb »niemals normal sein würde«, war das Baby acht Monate alt. Der damalige Reservegeneral der israelischen Streitkräfte, der im Jom-Kippur-Krieg kämpfte, 1976 an der Geiselbefreiung von Entebbe beteiligt war und 1984 die Luftbrücke für die äthiopischen Juden realisierte, nahm einen neuen Kampf auf: Gemeinsam mit anderen Eltern behinderter Kinder gründete er im Negev die Hilfsorganisation Aleh.

»Wir dachten, dass wir vor unserem Sohn Eran sterben, und wollten, dass er auch nach unserem Tod jeden Abend einen Gutenachtkuss bekommt, umsorgt und geliebt wird und immer saubere Kleidung trägt«, berichtet Almog. Das Schicksal wollte es anders: Im Jahre 2007 starb Eran im Alter von 23 Jahren. Seine Eltern führten ihr Engagement bei Aleh jedoch mit unverminderten Anstrengungen fort. Für die anderen behinderten Kinder – und deren »schreiendes Schweigen«, wie Almog es formuliert.

Pflege Am vergangenen Sonntag standen der ehemalige Generalmajor und seine Hilfsorganisation Aleh im Mittelpunkt der Magbit-Eröffnung des Keren Hayesod (KH) im Frankfurter Hotel Intercontinental. Zum ersten Mal hatte der KH entschieden, seine traditionelle Spendengala nur einem einzigen Projekt zu widmen: »Ohne Aleh würden die meisten dieser Kinder den größten Teil ihres Lebens in Krankenhäusern verbringen, ohne feste Bindungen in der Betreuung. Aleh will, dass jedes Kind die bestmögliche Pflege erhält, um sich bestmöglich entwickeln zu können«, begründete Daniel Mitental, Schatzmeister des KH Deutschland, den Einsatz für das Projekt.

Aleh betreibt in Israel das größte Netzwerk von Wohn- und Pflegeeinrichtungen für Kinder mit schwersten körperlichen und kognitiven Behinderungen. Es bietet 650 Kindern und Jugendlichen in vier Wohnstätten eine spezielle medizinische und rehabilitative Versorgung. Konkret gesammelt wurde bei der Magbit-Veranstaltung in Frankfurt für die Einrichtung eines Therapieraumes im Aleh-Cares-Rehabilitations-Komplex in Pardes Katz. Aleh zu unterstützen, nannte Mitental einen »Akt der Nächstenliebe« – und eine solche Mizwa sei integraler Bestandteil des Judentums.

verpflichtung Eine Gesellschaft werde daran gemessen, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgehe, mahnte auch Doron Almog. Diese zu schützen, seien ihm und seiner Frau durch die Erfahrungen und Erlebnisse mit ihrem schwerbehinderten Sohn zur Verpflichtung geworden. »Eran war mein größter Professor«, sagte Almog. Denn das Schicksal seines Sohnes habe ihn zu der Frage geführt, warum Gott solche Kinder auf die Welt schicke. Die Antwort, die er darauf für sich gefunden habe, laute: »Damit ich die Verantwortung dafür übernehme, die Schwächsten zu schützen.«

Allein aus diesem Antrieb seien er und seine Frau Didi nun zum ersten Mal in ihrem Leben nach Deutschland gereist. »Meine Frau hat ihre Großeltern in Auschwitz verloren. Deshalb hat sie sich bislang geweigert, deutschen Boden zu betreten. Nur aus Gründen der Humanität, für Aleh, hat sie es nun doch getan«, sagt Almog.

»Auch Keren Hayesod will die schwächsten Glieder der Gesellschaft stärken«, betonte Jacob Snir, Gesandter des KH in Berlin. Als besonderen Unterstützer des Keren Hayesod zeichnete Nati Metuki, Direktor Europa bei Keren Hayesod Jerusalem, den stellvertretenden Bürgermeister und Stadtkämmerer von Frankfurt, Uwe Becker, mit dem Keren Hayesod Shield aus – »für seine Freundschaft und hervorragende Unterstützung des Staates Israel und der jüdischen Gemeinschaft«. Becker – farblich passend gekleidet in weißem Hemd und mit blauer Krawatte – nahm die Ehrung »nahezu sprachlos an«, obwohl man dies als Politiker eigentlich nie sein dürfe. Er versprach, Israel auch künftig – unter anderem im Rahmen der Städtepartnerschaft zwischen Frankfurt und Tel Aviv – zu unterstützen.

Terror Wie nur wenige Tage zuvor am selben Ort der Vorstandsvorsitzende des Verlagshauses Axel Springer, Mathias Döpfner, bei der Verleihung des B’nai B’rith Europe Award of Merit 2014 äußerte auch Becker seine Besorgnis darüber, dass die Kritik an Israel zunehme und bis zum Aufruf zum Boykott von israelischen Waren reiche. »Niemand hält die Hamas davon ab, Gaza zu einem demokratischen Vorzeigeobjekt zu machen«, meinte Becker. Stattdessen agiere die Hamas mit Terror – und Israel zahle einen hohen Preis für die Deeskalation.

»Wie lange würden sich wohl die Deutschen ständige Raketenangriffe gefallen lassen, bis sie die Regierung aufriefen, einen Gegenangriff zu starten?«, versuchte Becker die Situation in Israel auf den deutschen Alltag zu übertragen. Wie Döpfner vor Kurzem betonte auch Becker, dass das »Existenzrecht Israels nicht verhandelbar« sei, bevor er seine Rede mit einem patriotischen »Am Israel chai!« schloss.

Und während die Keren-Hayesod-Gäste ihr Galadinner verspeisten und sich am Violinisten Alexey Kochetkov samt Band erfreuten, waren KH-Abgeordnete rund 2500 Kilometer weiter östlich damit beschäftigt, erneut Juden aus Donezk nach Israel auszufliegen.

Pessach

Vertrauen bewahren

Das Fest des Auszugs aus Ägypten erinnert uns daran, ein Leben in Freiheit zu führen. Dies muss auch politisch unverhandelbare Realität sein

von Charlotte Knobloch  22.04.2024

Pessach

Das ist Juden in Deutschland dieses Jahr am wichtigsten

Wir haben uns in den Gemeinden umgehört

von Christine Schmitt, Katrin Richter  22.04.2024

Bayern

Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Flossenbürg vor 79 Jahren

Vier Schoa-Überlebende nahmen teil – zum ersten Mal war auch der Steinbruch für die Öffentlichkeit begehbar

 21.04.2024

DIG

Interesse an Israel

Lasse Schauder über gesellschaftliches Engagement, neue Mitglieder und die documenta 15

von Ralf Balke  21.04.2024

Friedrichshain-Kreuzberg

Antisemitische Slogans in israelischem Restaurant

In einen Tisch im »DoDa«-Deli wurde »Fuck Israel« und »Free Gaza« eingeritzt

 19.04.2024

Pessach

Auf die Freiheit!

Wir werden uns nicht verkriechen. Wir wollen uns nicht verstecken. Wir sind stolze Juden. Ein Leitartikel zu Pessach von Zentralratspräsident Josef Schuster

von Josef Schuster  19.04.2024

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024

Berlin

Pulled Ochsenbacke und Kokos-Malabi

Das kulturelle Miteinander stärken: Zu Besuch bei Deutschlands größtem koscheren Foodfestival

von Florentine Lippmann  17.04.2024