Herr Wolff, Sie haben sich nach 22 Jahren als Leiter des Seniorenzentrums der Jüdischen Gemeinde verabschiedet. Wie sind Sie überhaupt zum Seniorenzentrum gekommen?
Wie die Jungfrau zum Kind. Ich war Kaufmann. Die Geschäfte gingen schlecht. Da meinte die damalige Sozialdezernentin Maria Brauner, ich sei der Richtige für das Seniorenzentrum. Die Stelle wurde als Ehepaarstelle ausgeschrieben. Meine Frau arbeitete damals als Erzieherin im Gemeindekindergarten, und wir bekamen die Stelle. Ich sollte für den kaufmännischen Bereich zuständig sein, sie für den sozialen. Wir haben immer mit den Bewohnern zusammengelebt, unsere Tür stand stets offen.
Sie hatten täglich mit dem Älterwerden zu tun, ebenfalls häufig mit dem Sterben. Wie geht man damit um?
In sozialen und medizinischen Berufen muss man lernen, nicht alles an sich heranzulassen. Das klappt nicht immer, da man zu einem Teil der Bewohner einen engen Kontakt hat. Aber wenn es gelingt, dass Mitarbeiter mit Feingefühl einem Bewohner beim Übergang in die andere Welt beistehen, dann haben wir unser Möglichstes getan. Bei Menschen, die stark leiden, kann der Tod manchmal auch eine Erlösung sein.
Sind Sie mit der Namensgeberin des Heimes, Jeannette Wolff, verwandt?
Nein. Meine Eltern verließen Nazi-Deutschland 1940 mit meiner Schwester. Meine Mutter verlor mehr als 40 Familienangehörige in den Lagern. Sie hatten Glück, noch in Shanghai Aufnahme zu finden. Ich wurde 1948 dort geboren und kam 1949 nach Israel. Mein Großvater war ein Jecke und wollte nach Deutschland zurückkehren. Diesen Wunsch wollte mein Vater ihm erfüllen, aber er verstarb etwa einen Monat, bevor die Familie nach Deutschland zurückkehrte.
Wie sieht die Zukunft der Seniorenzentren aus?
Meiner Meinung nach wird sich der Markt ändern. Pflegeheime, so wie sie heute strukturiert sind, werden sich in den nächsten zehn Jahren in fachspezifische Pflegeeinrichtungen und Hospize verwandeln müssen. Die Zukunft gehört dem betreuten Wohnen, den Wohngemeinschaften und Tagespflegeeinrichtungen. Die Senioren wollen schließlich selbst über ihr Leben bestimmen und nicht reglementiert werden. Die jüdische Alten- und Krankenpflege war vor dem Zweiten Weltkrieg wegweisend, wir sollten im Pflegebereich wenigstens im Mittelmaß positioniert sein. Das sind wir den Pflegebedürftigen schuldig. Die Berliner Gemeinde muss sich mit geänderten Angeboten beeilen, andernfalls ist der Markt gesättigt.
Wer wird Ihr Nachfolger?
Meine Frau wird die Einrichtung alleine weiter leiten.
Was wünschen Sie dem Seniorenzentrum?
Dass das Pflegeheim schnellstens saniert und mit dem notwendigen Standard ausgestattet wird, denn dann gäbe es auch in diesem Bereich keine Belegungsprobleme. Wir haben die Vereinigung der drei Einrichtungen geschafft, das betreute Wohnen installieren können, dieses ist bereits voll belegt und hat eine Warteliste. Jetzt müssen wir nur noch das Pflegeheim in den richtigen Standard führen, dies kann nur mit Unterstützung des Vorstandes und der Repräsentanz erfolgen. Was wir heute planen, wird in 15 bis 20 Jahren unsere Zukunft sein.
Mit dem bisherigen Leiter des Seniorenzentrums der Jüdischen Gemeinde zu Berlin sprach Christine Schmitt.