Herr Leu, an der Stadtkirche in Calbe bei Magdeburg hängt eine sogenannte Judensau-Darstellung. Die Kirchengemeinde hat Sie als Künstler beauftragt, die Hassbotschaft dieser Skulptur zu brechen. Was genau haben Sie vor?
Der Entwurf sieht vor, sechs Ölzweige aus lasergeschnittenem und dunkel gefärbtem Edelmetall auf die Steinskulptur zu setzen, die einen Juden zeigt, der sein Gesicht an den Hintern eines Schweins drückt. Es geht darum, diese extreme Hassbotschaft zu verdecken und in ihr Gegenteil umzuwandeln. Der Olivenzweig ist sowohl im Judentum als auch im Christentum ein Symbol des Friedens.
Die Denkmalschutzbehörde hat der Kirchengemeinde untersagt, die Schmähskulptur zu entfernen. Wie bewerten Sie die Diskussion darüber, ob solche Darstellungen abgetragen werden sollten?
Es kommt auf den Einzelfall an. Die Entscheidung hier in Calbe hat mit der besonders extremen Art der Darstellung zu tun. Mein Entwurf ist keine Lösung für all die anderen Schmähskulpturen an Kirchen in Deutschland.
Ein prominentes Beispiel ist Wittenberg. Dort bleibt die antijüdische Darstellung sichtbar, und es gibt eine erklärende Platte.
Eine Platte wird es in Calbe auch geben. Aber ich denke, Kontextualisierung allein stößt hier an ihre Grenzen, wenn die Skulptur sichtbar bleibt und ihre Hassbotschaft weiterhin aussendet. Daher finde ich es wichtig, in dieser Form zu intervenieren.
Was wünschen Sie sich, dass die Betrachter heute daraus mitnehmen?
Es soll ein Denkanstoß sein, denn Antisemitismus spielt ja leider immer noch eine große Rolle. Wenn ich nicht möchte, in einer solchen Form dargestellt zu werden, dann muss das auch für andere gelten.
Wie war die Reaktion der Gemeinde und der Öffentlichkeit auf Ihren Entwurf? Gab es kontroverse Diskussionen?
Der Entwurf ist im Dialog entstanden. Es gab eine große Arbeitsgruppe, die von der Staatskanzlei über die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland bis hin zur Kirchengemeinde und dem Landesverband Jüdischer Gemeinden Sachsen‑Anhalt reichte. Ich habe meine ersten Entwürfe vorgestellt, Anregungen aufgenommen und dann weitergearbeitet. Besonders habe ich mich gefreut, dass der finale Entwurf die ausdrückliche Zustimmung des jüdischen Landesverbandes bekommen hat. Das ist mir am wichtigsten: dass die Menschen, die es letztlich betrifft, mit der Aussage etwas anfangen können.
Was können Kunst und Künstler heute beitragen im Kampf gegen Antisemitismus?
Letztlich sind ja auch Künstler Menschen, die – wie alle anderen – eine klare Haltung zeigen sollten. Ob dabei immer die Kunst das Mittel der Wahl ist, wage ich zu bezweifeln. Es geht um Haltung – unabhängig davon, ob man Künstler ist oder Postbote.
Mit dem Hallenser Künstler sprach Tobias Kühn.