Düsseldorf

Erstmals Muslime geehrt

Ausgezeichnet: Hamed Abdel-Samad und Ahmad Mansour mit Laudator Klaus Wowereit (v.l.) Foto: Jochen Linz

Der Psychologe Ahmad Mansour und der Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad sind am vergangenen Donnerstag in Düsseldorf mit der Josef-Neuberger-Medaille ausgezeichnet worden. Mit dem Preis ehrt die jüdische Gemeinde traditionell im Rahmen des Neujahrsempfangs Personen der nichtjüdischen Öffentlichkeit, die sich um die jüdische Gemeinschaft besonders verdient gemacht haben.

»Zum ersten Mal werden in diesem Haus Muslime geehrt, die sich auf besonders bemerkenswerte Weise und manchmal gegen den Mainstream in der islamischen Welt gegen Antisemitismus einsetzen«, betonte der Vorstandsvorsitzende der Gemeinde, Oded Horowitz, in seinem Grußwort. Das große Interesse an der Verleihung, das an der vollbesetzten Synagoge abzulesen war, habe gezeigt, dass die Entscheidung des Gemeinderats, Ahmad Mansour und Hamed Abdel-Samad mit der Medaille auszuzeichnen, auf große Zustimmung stoße.

Wie wichtig das Engagement gegen Antisemitismus sei, erklärte Horowitz, werde nicht nur beim Blick auf die angespannte Situation in Israel deutlich. Auch in der deutschen Gesellschaft sei ein Rechtsruck festzustellen. »Die Flüchtlingswelle hat neben einer unglaublichen Hilfsbereitschaft in bestimmten Teilen der Bevölkerung auch eine unsägliche Rechtstendenz und Fremdenfeindlichkeit ausgelöst, wie wir sie in diesem Land nach der Schoa noch nicht erlebt haben.«

Engagement Antworten auf die Flüchtlingskrise, betonte Klaus Wowereit in seiner Laudatio für Ahmad Mansour, müssten die großen Politiker der Welt geben. Doch diese zu finden, sei nicht so einfach und lasse deshalb noch immer auf sich warten. »Aber das ist kein Grund für den Einzelnen, für die Einzelne, sich nicht zu engagieren«, betonte der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin. Ahmad Mansour habe sich selbstständig zu einem besonderen Engagement entschlossen. »Dass er heute hier sitzt, in der Synagoge in Düsseldorf, das war ihm weiß Gott nicht in die Wiege gelegt. Das hätte auch ganz anders ausgehen können.«

Wowereit spielte damit auf eine Episode in Mansours Leben an, während der sein Weltbild von Imamen geprägt wurde, die einen palästinensischen Freiheitskampf beschworen und Juden, Christen, Amerikaner zu Feindbildern stilisierten. In einem langen Prozess – und endgültig während seines Psychologiestudiums an der Universität Tel Aviv – löste sich Mansour von der Autorität der Imame und ihren Gedanken.

Er zog 2004 nach Berlin und kämpft seitdem gegen diese Ideen. »Er tut es auch beruflich. Er ist erfolgreich dabei«, lobte Wowereit. Mit seiner Biografie könne Mansour »vor allem auch den jungen Menschen deutlich machen, welchem Irrsinn sie folgen« und »wie verrückt teilweise die Sichtweisen in der islamischen Welt sind bei jungen Muslimen, die meinen, im Namen der Religion zu diffamieren, zu diskreditieren und auszugrenzen«.

Mit Sonntagsreden, einer Laudatio oder einer Danksagung könne man dagegen nicht vorgehen. Doch Ahmad Mansour sei zum Beispiel als Gruppenleiter des Projekts »Heroes« nah an den Jugendlichen, könne sie konfrontieren mit ihren Vorurteilen und könne diese korrigieren, »und zwar nicht besserwisserisch, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger und nicht arrogant, sondern einfühlsam, verständnisvoll«.

Auswahl Der Publizist und Autor Henryk M. Broder lobte zu Beginn seiner Laudatio für Hamed Abdel-Samad die Jüdische Gemeinde Düsseldorf für die diesjährige Auswahl der Preisträger. Es sei das erste Mal seit Langem, »dass ich an der Entscheidung einer jüdischen Einrichtung nichts auszusetzen habe«. Dabei gehe es nicht darum, dass zwei Muslime für den Einsatz gegen Antisemitismus ausgezeichnet würden. »Mit Ahmed und Hamad ehren Sie zwei unabhängige Geister, die sich aus eigener Kraft von den Fesseln ihrer Erziehung befreit haben.«

Dass sich Abdel-Samad anders entschied, sei ein Beleg dafür, dass man dem Schicksal widersprechen kann. Heute sei er ein Segen für eine Gesellschaft, die an ihrer eigenen politischen Korrektheit zu ersticken drohe. »Es gibt nur eines, was mir beim Gedanken an deinen Erfolg wehtut«, richtete sich Broder an Abdel-Samad. »Es ist der Gedanke daran, wie viele Talente deiner Art ungenutzt verkümmern. Wie viele Ägypter, Syrer, Iraker, Araber und Muslime es nicht schaffen, vom Glauben zum Wissen zu konvertieren.«

Verpflichtung »Ich nehme diesen Preis an als eine Verpflichtung, als eine Aufgabe«, sagte Abdel-Samad nach der Verleihung. Nicht er verdiene diese Auszeichnung für seine Aussagen in Vorträgen oder Büchern, sondern zum Beispiel die muslimischen Jugendlichen, die solche Sätze innerhalb ihrer Community und in ihrem Elternhaus aussprechen würden.

Die Josef-Neuberger-Medaille wird seit 1991 in Erinnerung an den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf und Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen verliehen. Zum ersten Mal seit 2010 nahm in der vergangenen Woche sein Sohn Michael Neuberger, der mit seiner Familie in Israel lebt, an der Preisverleihung teil. »Als wir erfuhren, wer in diesem Jahr die Neuberger-Medaille bekommt, haben wir beschlossen, dass wir nach Düsseldorf reisen«, erklärte Michael Neuberger im Rahmen der Veranstaltung.

Ehemalige Preisträger der Josef-Neuberger-Medaille sind beispielsweise Bundeskanzlerin Angela Merkel, Verlegerin Friede Springer, der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog, FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher sowie im vergangenen Jahr die Band »Die Toten Hosen«.

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