Düsseldorf

Erstes Abi am Albert-Einstein-Gymnasium

9 Uhr 30: Klavierklänge dringen aus der Aula. Über den Schulhof laufen schick gekleidete Kleingruppen. »Masel tov«-Rufe sind zu hören. Erste Glückwünsche für die Abiturientinnen und Abiturienten des Albert-Einstein-Gymnasiums (AEG) in Düsseldorf, die sich mit ihren Familien am Freitag (21. Juni) zur Zeugnisverleihung einfinden. Sie gehören zu einem ganz besonderen Abi-Jahrgang: dem ersten seit Gründung des Gymnasiums im Sommer 2016.

9 Uhr 50: Die Stuhlreihen in der Aula füllen sich. Freudige Erwartung liegt in der Luft. Schulleiter Michael Anger begrüßt möglichst viele der rund 200 Gäste mit Handschlag, darunter viele bekannte Gesichter der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, in dessen Trägerschaft sich das einzige jüdische Gymnasium in Nordrhein-Westfalen befindet.

10 Uhr 11: »Wir alle hier in diesem Raum sind gerade Zeugen eines historischen Moments, denn wir vergeben erstmals in der Geschichte NRWs das Abitur an einem Gymnasium mit einem jüdischen Profil.« Michael Anger atmet durch nach diesem einleitenden Satz seiner Rede. Man merkt ihm die Freude an, heute 32 Schülerinnen und Schülern zum Abitur gratulieren zu können. Das Albert-Einstein-Gymnasium Düsseldorf sei ein Ort, an dem jüdische Menschen sich sicher fühlen, sich frei entfalten könnten. »Wir gestalten das aktive und lebendige Judentum und schauen Richtung Zukunft.«

Oded Horowitz ist Vorstandvorsitzender der Gemeinde und Vater einer Abiturientin

Oded Horowitz tritt heute in einer Doppelrolle auf – als Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf und als Vater einer Abiturientin. In beiden Funktionen hat er die Entwicklung des Gymnasiums eng begleitet. Er erinnert an Herausforderungen, wie die Umwandlung eines ehemaligen Bürogebäudes in einen funktionierenden Schulkomplex, den Aufbau der Klassen, die Sicherheitsaspekte. Und er betont den Durchhaltewillen aller Beteiligten, an diesem »Mammut-Projekt, das stets ausgezeichnet habe, dass wir als Gemeinde für Bildung und Erziehung unserer Kinder sehr viel Wert gelegt haben.«

»Es ist keine Schule, sondern in gewissem Maße ein Zuhause«, sagt Abiturientin Elina Temer in ihrer Rede. Sie sei dankbar und glücklich, es sei ein Privileg gewesen, das AEG zu besuchen. »Es ist nicht nur eine Stufe, nein, es ist eine Familie.« Ähnlich sieht es Alexander Petelin, der als Zweitklässler aus der Ukraine nach Deutschland kam, keine einfache Schullaufbahn hatte, bis er in der Mittelstufe ans AEG wechseln konnte. Hier hätten die Lehrer an ihn geglaubt. »Ich wünsche mir von Herzen, dass alle Schülerinnen und Schüler so eine Unterstützung bekommen, wie ich sie genossen habe.« Er stellt die Besonderheit von Nachshon heraus, einem Begabtenförderprogramm, das ihm geholfen habe zu verstehen, »was ich gut kann, was mir liegt.«

Schulministerin Dorothee Feller dankt allen für ihre großartige Arbeit

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst wäre gekommen, wenn nicht ein Treffen mit dem Kanzler in Berlin angestanden hätte. Er schickt eine Videobotschaft, in der er betont, man sei stolz, dass sich jüdisches Leben in NRW so entfalten und sichtbar sein könne und dass Antisemitismus dort keinen Platz haben solle. Nordrhein-Westfalens Schulministerin Dorothee Feller kommt persönlich zur Feierstunde. Sie dankt Schulleitung, Gemeinde und Kollegium für deren großartige Arbeit, aber auch für ihr Durchhaltevermögen. »Ich hoffe, dass Sie sich durch äußere Umstände und Ereignisse auch in Zukunft nicht entmutigen lassen und dass Sie den bisherigen Weg der Schule konsequent weitergehen. Wo und wie auch immer ich kann, werde ich Sie dabei unterstützen«, so die Ministerin.

11 Uhr 10: Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller kommt zwischen zwei EM-Terminen vorbei. Am Nachmittag wird das Fußballteam der Ukraine gegen die Slowakei spielen, eben noch hatte er einen Empfang im Rathaus. Die Zeugnisvergabe sei weit mehr als eine Schulabschlussfeier, betont er, sie sei »ein Zeichen dafür, wie wertvoll jüdisches Leben in Deutschland ist«.

11 Uhr 20: Der Höhepunkt des Vormittags: die Zeugnisvergabe. Es wird geklatscht, gestrahlt, fotografiert. Es werden Erinnerungen geschaffen, die eine Schullaufbahn abschließen.

Ruth Rubinstein erinnert sich an die Anfangsschwierigkeiten

Danach: Beim Empfang mit koscherem Sekt erinnert sich Ruth Rubinstein – heute Ehrenvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, damals als Vorstandsmitglied aktiv an der Gründung des AEG beteiligt - an die Vision, aber auch an die Anfangsschwierigkeiten eines jüdischen Gymnasiums für Düsseldorf. »Heute sind wir stolz und sehr froh, dass wir so weit gekommen sind.« Sie freue sich darauf, dass weiterhin möglichst viele Schülerinnen und Schüler von den Errungenschaften des Gründungsjahrgangs profitieren könnten.

Am Abend wird man sich wieder treffen zum Gottesdienst in der Synagoge mit anschließendem Seder.

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