Berlin

Einladung ins Yiddischland

Weimar ist nicht nur Kulturhauptstadt, sondern auch »ein Hotspot für Klezmer«, sagte Benjamin-Immanuel Hoff (Die Linke) am Dienstagabend in der Thüringer Landesvertretung. Thüringens Minister für Kultur und seit Januar Antisemitismusbeauftragter war kurzfristig für den Gastgeber, Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke), eingesprungen, um das Programm »Yiddish Summer« vorzustellen.

Alan Bern, Hauptinitiator des Festivals, und etliche Musiker und Dozenten waren nach Berlin gekommen, um zum einen Kostproben ihres Könnens abzuliefern als auch für die Festivalwoche zu werben.

kassenfrage »Wer nicht nach Weimar fährt, der soll dem Yiddish Summer Weimar Geld spenden«, hatte Roswitha Steinbrenner, Sprecherin der Thüringer Landesvertretung, die etwa 100 Zuhörer aufgefordert. Denn die »Kassenfrage« bliebe für Thüringen ein Problem. Deshalb hatte Thüringens Landeschef Bodo Ramelow am israelischen Unabhängigkeitstag den Yiddish Summer Weimar als Appetitanreger nach Berlin verlegt.

Am Fuße des ehemaligen Konzentrationslagers und der heutigen Gedenkstätte Buchenwald habe sich seit 1999 mit dem Yiddish Summer Weimar ein einzigartiges Forschungs-, Bildungs- und Kulturprojekt entwickelt, das inzwischen als größtes und wichtigstes Festival mit diesen Schwerpunkten gilt, sagte Kulturminister Hoff. Besonders Projekte, die künstlerische soziale und wissenschaftliche Bereiche miteinander verknüpfen, brauchten neben der öffentlichen Förderung auch die Unterstützung aus Gesellschaft und Wirtschaft.

»Wir sollten aufhören, über die jüdische Kultur zu sprechen, als ob es etwas Vergangenes wäre.« Benjamin-Immanuel Hoff

»Wir sollten aufhören, über die jüdische Kultur zu sprechen, als ob es etwas Vergangenes wäre«, mahnte Hoff. Auch Künstler würden antisemitisch beschimpft. Und er zitierte das Ergebnis einer Umfrage, nach der 14 Prozent der Einwohner Deutschlands behaupten, dass Juden etwas an sich hätten, dass sie anders mache.

Thüringen plane für die nahe Zukunft, auf sein »reiches jüdisches Leben« zu verweisen, und zwar mithilfe eines Themenjahres. Das Land sei geprägt von jüdischem Leben im ländlichen Raum. Und diese »große Geschichte« soll nun aufgegriffen und bearbeitet werden, sagte Hoff.

muttersprache Bern, der auch künstlerischer Leiter des Festivals ist, betonte, dass sich die Musiker und er in Thüringen zu Hause fühlen. Seit 20 Jahren gibt es das Festival. Bis zur Schoa sprachen fünf Millionen Juden in Europa Jiddisch als Muttersprache.

Heute würden etwa nur noch 600.000 Menschen diese Sprache beherrschen. Sein Ziel sei es, die »Schätze« des fast ausgelöschten Erbes auszugraben. »Wir forschen, vermitteln und schaffen Neues.« Und das immer vor dem Hintergrund historischer Quellen.

Die Veranstaltungen des Yiddish Summer besuchen jedes Jahr mehr als 10.000 Interessierte aus dem Ausland, der näheren Umgebung und aus Weimar. Es gibt verschiedene Workshops zu jiddischer Instrumentalmusik, über die Kunst des Badkhones, Jugendklezmerbands, Konzerte, Cabaret und gemeinsame Projekte.

kreativität Die Anfänge der Weimarer Republik liegen 100 Jahre zurück. Diese Epoche zeichnete sich durch einen »fast unvorstellbaren Ausbruch kreativer Energie überall in Europa« aus. Daher wird das Thema in diesem Jahr »The Weimar Republic of Yiddishland« heißen. Darunter ist eine Begegnung zwischen der Weimarer Republik und der politisch virtuellen, aber kulturell sehr realen Republik Yiddischland zu verstehen.

Der Musiker und Komponist Alan Bern hat so viele Geschichten im Kopf, dass die Gäste in der Landesvertretung ihm gern noch länger zugehört hätten. Beispielsweise als er über das Semer Label berichtete, das dank eines leidenschaftlichen Schallplattensammlers wieder ausgegraben wurde. Bis zu den Novemberpogromen wurden in Berlin Schlager und Lieder von jüdischen Künstlern aufgenommen und auf diese Weise festgehalten.

Mehrere Lieder ließ Bern gleich interpretieren und erzählte die jeweilige Geschichte dazu, ob es um die Veränderungen der Welt geht oder um ein Liebeslied kurz vor der Deportation. Auch ein klassischer Satz für Violine und Klavier von Andreas Weißgerber gehört zum Repertoire wie auch Synagogalmusik und natürlich immer wieder Klezmer.

Yiddish Summer Weimar: 12. Juli bis 17. August, Festivalwoche: 27. Juli bis 3. August

Düsseldorf

Verlegerin der ersten Stunde

Gemeinsam mit ihrem Mann gab Lilli Marx das »Jüdische Gemeindeblatt für die Britische Zone« heraus. Nun zeigt eine Ausstellung die Lebensgeschichte der Publizistin

von Jan Popp-Sewing  09.02.2025

Porträt der Woche

Die Rohstoff-Rebellin

Viktoria Kanar hat eine Firma gegründet, um Textilabfall zu recyceln

von Gerhard Haase-Hindenberg  09.02.2025

Ortstermin

Warum ein syrischer Kurde in Freiburg ein israelisches Restaurant eröffnet hat - trotz allem

Eine Geschichte von Mut und Haltung

von Anja Bochtler  09.02.2025

Frankfurt

Sein Leben, ihre Bühne

Die WIZO lud zu einer Aufführung von Georg Kreislers Stück »Heute Abend: Lola Blau«

von Laura Vollmers  09.02.2025

Engagement

Süße Toleranz

»move2respect« heißt ein neues Projekt, das jüdische und muslimische Jugendliche zusammenbringt. Eine erste Begegnung gab es beim Pralinenherstellen in Berlin

von Frank Toebs  06.02.2025

Gemeinden

Musik, Theater, Lesungen

Für jeden etwas dabei: Der Zentralrat der Juden stellt sein Kulturprogramm vor

von Christine Schmitt  06.02.2025

Kino

Unerträgliche Wahrheiten

Das Dokudrama »Die Ermittlung« über den ersten Auschwitz-Prozess wurde bei den Jüdischen Filmtagen gezeigt

von Nora Niemann  05.02.2025

Interview

»Wo immer wir gebraucht werden – wir sind da«

Rabbiner David Geballe über Seelsorge in der Bundeswehr und die Vermittlung von Wissen

von Helmut Kuhn  04.02.2025

Porträt der Woche

Frau der ersten Stunde

Avital Toren wurde vor 30 Jahren gebeten, die Gemeinde in Heilbronn aufzubauen

von Gerhard Haase-Hindenberg  02.02.2025