Thüringen

»Eine Stärkung jüdischen Lebens«

Reinhard Schramm Foto: picture alliance/dpa

Thüringen

»Eine Stärkung jüdischen Lebens«

Reinhard Schramm über die UNESCO-Ehrung der jüdischen Stätten in Erfurt als Weltkulturerbe

von Christine Schmitt  21.09.2023 09:54 Uhr

Herr Schramm, die UNESCO hat die jüdischen Stätten des Mittelalters in Erfurt als neues Weltkulturerbe ausgezeichnet. Wie haben Sie die Entscheidung am zweiten Tag von Rosch Haschana erlebt?
Ich kam gerade aus Kanada zurück, hatte mich zuvor übers Internet bei der Trauerfeier für meine verstorbene Freundin aus Ungarn, die Auschwitz-Überlebende Éva Fahidi-Pusztai, zugeschaltet. Dann bin ich schnell zu der Veranstaltung im Rathaus in Erfurt aufgebrochen. Und ich muss sagen, es hat mich sehr beeindruckt, weil der Saal voller Menschen war. Und dann kam die Nachricht. Erfurt freut sich sehr.

Nach den SchUM-Städten gibt es nun ein weiteres jüdisches Weltkulturerbe in Deutschland. Hatten Sie damit gerechnet?
Gehofft hatte ich es auf jeden Fall. Ich finde, man könnte etwas großzügiger mit dem Lob sein, dass es wahr geworden ist. Vor allem für die, die sich unermüdlich dafür eingesetzt haben. Es ist ja schon toll, dass zweimal hintereinander jüdisch-mittelalterliches Erbe aus Deutschland ausgezeichnet wurde. Ich hätte mir auch vorstellen können, dass das UNESCO-Komitee der Meinung ist, dass einmal ein anderes Land an der Reihe sein könnte. Es ist sehr angenehm, dass unsere Bewerbung zum Erfolg geführt hat. Vielleicht könnte man auch einmal den muslimischen Ländern, die im Komitee sitzen, »Danke« sagen, dass sie für uns gestimmt haben.

Welche Auswirkung hat die Ehrung?
Generell bedeutet die Auszeichnung auch eine Stärkung des Selbstbewusstseins unserer Gemeinde. Der erste praktische Schritt wird sein, dass wir versuchen, Einfluss zu nehmen. Gemeinsam mit der Stadt werden wir an einem Tisch sitzen, beispielsweise beim geplanten UNESCO-Dokumentationszentrum im Stadtzentrum. Wir möchten, dass es einen Brückenschlag zwischen der jüdischen Geschichte der vergangenen 900 Jahre in Thüringen bis heute gibt. Das heißt auch, dass wir nicht nur Mittelalter abbilden, sondern jüdisches Leben von heute.

Wie könnte das aussehen?
Ich denke da an ein koscheres Restaurant und an einen Saal, wo wir auch Teile unseres jüdischen Festivals durchführen können. Wir haben ja ein sehr gutes Verhältnis zur Stadt Erfurt. Die ersten Gespräche wird es in den nächsten Monaten über die Struktur des Zentrums geben. Wir brauchen einen Akzent, der die jüdische Geschichte von der ersten Stunde bis heute abbildet.

Wird Erfurt durch die internationale Ehrung noch interessanter für Juden?
Auf jeden Fall. Und sie wird uns helfen, unseren jüdischen Kindergarten aufzubauen. Die Atmosphäre, die in Erfurt und Thüringen ohnehin gut ist, wird sich noch weiter verbessern. Viele unserer Mitglieder kommen aus der Sowjetunion, einige aus Israel und den USA. Viele Westdeutsche wissen nicht, dass die Lage für Thüringer Juden besser ist als in manchen Alt-Bundesländern.

Mit dem Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen sprach Christine Schmitt.

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025

Jüdische Kulturtage Berlin

Broadway am Prenzlauer Berg

Vom Eröffnungskonzert bis zum Dancefloor werden Besucherrekorde erwartet

von Helmut Kuhn  13.11.2025

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025

Vertrag

Jüdische Gemeinde Frankfurt erhält mehr Gelder

Die Zuwendungen durch die Mainmetropole sollen bis 2031 auf 8,2 Millionen Euro steigen

von Ralf Balke  11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025