München

Ein Stück Normalität

Schulleiterin Claudia Bleckmann hat seit einiger Zeit eine Klasse mehr zu betreuen. Foto: Andreas Gregor

Seit vier Monaten schon beherrscht der Krieg den Alltag der Menschen in der Ukraine. Viele verlassen das Land, suchen Sicherheit anderswo in Europa. Auch in München sind zahlreiche Geflüchtete angekommen, vor allem Frauen mit ihren Kindern. Von den jüdischen Kindern besuchen zurzeit viele Mädchen und Jungen den Alexander-Moksel-Kindergarten und die Sinai-Schule.

Im Kindergarten haben 19 kleine Kriegsflüchtlinge zwischen zweieinhalb und sechs Jahren einen Platz gefunden. Vermittelt wurden sie über die Sozialabteilung der Gemeinde. Sie alle benötigen eine besondere Betreuung, erklärt Kindergartenleiterin Irina Sokolov. Zunächst bekam jedes Kind ein Begrüßungspaket – einen Rucksack und eine Trinkflasche.

Besonders wichtig ist der unmittelbare Kontakt mit den Erzieherinnen, die alle Russisch sprechen.

Besonders wichtig ist allerdings der unmittelbare Kontakt mit den Erzieherinnen, die alle Russisch sprechen. Nach der Begrüßung fragten sie die Kinder, was sie denn brauchen – von Kleidung bis zu Bastelmaterial wie Stiften und Scheren. »Unser Büro sah hinterher aus wie ein kleiner Flohmarkt«, sagt Irina Sokolov und lacht.

aktivitäten Zu den Aktivitäten, die für die Kinder auf dem Programm stehen, gehören verschiedene Ausflüge – wie etwa in den Vogelpark nach Olching, ins Sea-Life-Zentrum oder zum Kamelreiten. All das wurde ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung von Eltern und Sponsoren sowie durch Spenden. Dank der Sozialabteilung konnten für vier Vorschulkinder Schwimmkurse organisiert werden.

Auch die Eltern der Kinder werden von der Israelitischen Kultusgemeinde unterstützt – etwa, wenn es um das Ausfüllen von Unterlagen geht. Eine ehemalige Lehrerin hilft als Freiwillige bei der Betreuung.

Die kleinen Kriegsflüchtlinge sind von den anderen Kindern im Kindergarten sehr freundlich aufgenommen worden. Alle spielen miteinander, die Integration funktioniert sehr gut. Die Kleinen lernen gegenseitig voneinander. Besonders beeindruckt war Irina Sokolov, als beim Einstudieren eines Liedes für die Jahres-Abschlussfeier nicht nur die geflüchteten Kinder, sondern auch alle anderen mitgesungen haben.

Was die psychologische Betreuung der Kleinen betrifft, so arbeitet der Kindergarten eng mit der Sozialabteilung zusammen. Wie es den Kindern wirklich geht und was sie zu Hause erzählen, ist für die Betreuerinnen und Betreuer nicht einsehbar. Was sie allerdings sehr wohl wahrnehmen, ist, dass es im Kindergarten im Gegensatz zu den ersten Wochen, in denen die Kinder davon erzählten, dass ihr Papa im Krieg ist, jetzt um andere Dinge geht, wie zum Beispiel die Frage, was sie am Tag zuvor zu Hause gemacht und erlebt haben. Ein Stück Normalität scheint also eingekehrt zu sein.

willkommensgruppe In der Sinai-Schule haben neun Flüchtlingskinder aus den Jahrgangsstufen zwei bis vier ihren Platz gefunden, ebenfalls mit Unterstützung der Sozialabteilung und Olga Albrandt sowie mithilfe der Erziehungsberatungsstelle. Für sie wurde eine Willkommensgruppe eingerichtet, in der sie erst einmal Deutsch lernen. Eine Russisch sprechende Mitarbeiterin und eine Lehramtsstudentin kümmern sich um sie.

Zwei Erstklasskinder besuchen die reguläre Klasse – während des Deutsch- und Sachkundeunterrichts werden sie von einer eigenen Lehrerin betreut und bekommen Förderunterricht in der deutschen Sprache. Ein weiteres der Flüchtlingskinder, das in der Heimat die zweite Klasse besucht hatte, hat zunächst einmal bis zum neuen Schuljahresbeginn Ferien; das Mädchen hat in Kiew die Deutsche Schule besucht und spricht perfekt Deutsch.

Die ukrainischen Kinder sind bei Ausflügen und anderen Aktivitäten dabei.

Was die Integration betrifft, sind alle Kinder bei Ausflügen und anderen Aktivitäten dabei. Besonders beim Sport stechen die Flüchtlingskinder hervor. Sie waren auch bei den Bundesjugendspielen Ende Mai dabei und sind sehr stolz auf ihre Ehrenurkunden.

übersetzungsbuch Claudia Bleckmann, die Leiterin der Sinai-Schule, ist besonders beeindruckt, wie intensiv die Kinder ihr Übersetzungsbuch benutzen. Vor den Ferien haben sie zu Schawuot kleine Päckchen gepackt und allen anderen Schülern geschenkt – auf Deutsch. Religionslehrerin Michaela Rychlá und die pädagogische Mitarbeiterin Karina Rumyantseva hatten das initiiert. Für die Kinder ist es wichtig, dass sie in ihr eine permanente Ansprechpartnerin haben.

Eine weitere Besonderheit beeindruckt Claudia Bleckmann in gleichem Maß wie die Kinder: Einmal pro Woche kommt ein Lesehund in die Klasse – dies sei ein wichtiger Beitrag zur Erziehungs- und Traumaarbeit, wie die Schulleiterin hervorhebt.

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Hanau

Rabbiner antisemitisch beleidigt

Für die Gemeinde ist die Pöbel-Attacke kein Einzelfall

 25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025

Digitales Gedenken

App soll alle Stolpersteine Deutschlands erfassen

Nach dem Start in Schleswig-Holstein soll eine App in Zukunft alle Stolpersteine in Deutschland erfassen. In der App können Biografien der Opfer abgerufen werden

 24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

München

Nicht zu überhören

Klare Botschaften und eindrucksvolle Musik: Die 39. Jüdischen Kulturtage sind eröffnet

von Esther Martel  23.11.2025

Berlin

Gegen den Strom

Wie der Ruderklub »Welle-Poseidon« in der NS-Zeit Widerstand leistete und bis heute Verbindung zu Nachfahren seiner jüdischen Mitglieder pflegt

von Alicia Rust  23.11.2025

Porträt

Glücklich über die Befreiung

Yael Front ist Dirigentin, Sängerin, Komponistin und engagierte sich für die Geiseln

von Alicia Rust  22.11.2025

Berufung

Schau mal, wer da hämmert

Sie reparieren, organisieren, helfen – und hören zu: Hausmeister von Gemeinden erzählen, warum ihre Arbeit als »gute Seelen« weit mehr ist als ein Job

von Christine Schmitt  21.11.2025