Schwedt

Ein Kleinod in der Uckermark

Freigelegt: 19 Treppenstufen unter der Backsteinkuppel befindet sich das rituelle Tauchbad. Foto: Danny M. Spreer

Als es noch die DDR gab, war Schwedt eine sogenannte sozialistische Vorzeigestadt. Ihre Prestigeobjekte: Papier und Öl. Heute ist die Stadt an der Oder beschaulicher geworden. Plattenbausünden wurden abgerissen oder auf fünf Geschosse reduziert. Liebevoll gepflegte Rasenflächen und Vorgärten verschönern die breiten Straßenfluchten. Vorbild sei Schwedt immer noch, sagt Ministerpräsident Matthias Platzeck am Samstagmittag und bedankt sich namentlich bei Bürgermeister Jürgen Polzehl und Stadtmuseumdirektorin Anke Grodon, Mikwe und Synagogendienerhaus aus dem Dornröschenschlaf erweckt zu haben.

versteckt Von dem Kleinod in der Mitte der Stadt, dort, wo es noch einen historischen Kern mit niedrigen alten Häusern gibt, haben die Schwedter lange nichts gewusst. Der gedrungene kugelköpfige Backsteinbau und das Fachwerkhaus lagen verborgen in einem wilden mit Blumen und Obstbäumen übervollen Garten zwischen Berliner- und Gartenstraße versteckt. Vor drei Jahren ist das Stadtmuseum darauf aufmerksam geworden. Am 4. September wurde das Anwesen neben Tabak- und Stadtmuseum als drittes Standbein der städtischen Museen Schwedt feierlich eröffnet.

»Erst die Mikwe in Schwedt, dann die Synagoge in Potsdam«, witzelte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck. Doch sein jüdischer Bogenschlag war durchaus ernst gemeint. Mit der Mikwe werde den Uckermärkern wieder jüdisches Leben nahegebracht. Während die 200 Personen umfassende jüdische Gemeinde Schwedts 1938 endgültig ausgelöscht wurde, leben in Potsdam heute Juden, die auch eine Synagoge brauchen, sagt Platzeck. Nur ein Streit zwischen den religiösen Ausrichtungen mache allen Beteiligten zu schaffen und verzögere den Bau.

geplant In Schwedt war man sich hingegen schnell einig, diese jüdischen Zeugnisse be- und vor allem erhalten zu wollen. Der Rotary-Club, die Sparkassen-Stiftung und das Stadtmuseum zogen an einem Strang und ließen das in Brandenburg einzigartige jüdische Ensemble Mikwe und Haus in neuer Farbe, mit Ausstellungsstücken und renoviertem Tauchbad erstrahlen. Museal aufbereitet, präsentieren sich im Synagogendienerhaus original Kultgegenstände der Gemeinde. »Ich habe noch nie so viele Zollerklärungen ausgefüllt«, kommentierte Bürgermeister Jürgen Polzehl. Doch er hat alle Stücke bekommen. Schautafeln und Texte erklären die jüdische Historie der Stadt. Und bei so viel Lob mutig geworden, kündigt Museumdirektorin Anke Grodon an, demnächst auch die Grundsteine der Synagoge freilegen zu wollen.

Jüdisches Leben ist in Schwedt seit dem 17. Jahrhundert dokumentiert. 1672 war Benedikt Lewi als erster Jude mit kurfürstlicher Genehmigung nach Schwedt gezogen. Die Zahl der jüdischen Einwohner stieg. 1862 begann die Gemeinde, außerhalb der Stadtmauer ein Zentrum mit Synagoge und Mikwe zu errichten. Ein barocker Gartenpavillon wurde zum Wohnhaus des Synagogendieners erweitert.

Interessiert »Das werden wir uns auch ansehen, wenn der Trubel hier mal vorbei ist«, sagen zwei 70-jährige Frauen, die aus der Nachbarschaft zur Eröffnung vorbeigekommen sind. Auch andere Passanten mit Rucksack und Wanderausrüstung oder in sonntäglicher Festkleidung kamen, hörten sich die jiddischen Lieder, gesungen von der Musik- und Kunstschule Schwedt an, schlürften ein Glas Sekt und warteten geduldig, um einen Blick in die Ausstellung und die Mikwe zu werfen.

Oldenburg

Anschlag auf Synagoge bei  »Aktenzeichen XY ... Ungelöst«

Ein Unbekannter hatte einen Brandsatz gegen die massive Tür des Gebetshauses in der Leo-Trepp-Straße geworfen

 20.01.2025

Jahrestag

Das Grauen seit 80 Jahren im Kopf

Albrecht Weinberg wird bald 100. Er gehört zu den wenigen Zeitzeugen, die noch von der Verfolgung und Ermordung der Juden berichten können. Gerda Dänekas hat ihn ermuntert, seine Geschichte zu erzählen - und damit beider Leben verändert

von Karen Miether  20.01.2025

Schoa-Gedenken

Scholz: »Jüdisches Leben, das ist Deutschland«

Bei einer Gedenkveranstaltung in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt sagt der Bundeskanzler 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz: »Ich trete jedem Schlussstrich entgegen«

 19.01.2025

Dokumentation

»Was bedeutet Auschwitz heute noch für Deutschland?«

Am Sonntag gedachte die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main des 80. Jahrestages der Befreiung des KZ Auschwitz. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hielt eine Gastrede

 19.01.2025

Schoa-Gedenken

Carolin Emcke beklagt »Tetris der Menschenverachtung«

Die Publizistin sprach in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz

 19.01.2025

Holocaust-Gedenktag

Scholz bei Gedenkfeier in Frankfurter Gemeinde

Neben dem Bundeskanzler werden unter anderem auch Frankfurts Oberbürgermeister und der Präsident des Zentralrats der Juden teilnehmen

 19.01.2025

Porträt der Woche

Musik bedeutet Hoffnung

Yehuda Inbar ist Pianist, gibt Wohltätigkeitskonzerte und engagiert sich für Frieden

von Alicia Rust  18.01.2025

Dresden

Jüdischer Landesverband Sachsen hat neue Vorsitzende

Ekaterina Kulakova folgt auf Nora Goldenbogen, die Ende November im Alter von 75 Jahren gestorben war

 17.01.2025

Dresden

Landesverband Sachsen wählt neuen Vorsitz

Nach dem Tod von Nora Goldenbogen übernahm Küf Kaufmann provisorisch das Amt. Jetzt wird über eine neue Spitze entschieden

 17.01.2025