Nachruf

Ein immenser Verlust

Er hat Berlin verändert und die jüdische Gemeinschaft aktiv mitgestaltet: Roman Skoblo sel. A. (1948–2020) Foto: Douglas Abuelo

Seine Aktivitäten, Visionen und sein Engagement hätten auch mehrere Leben ausgefüllt. Roman Skoblo kannte keine Müdigkeit. Dem Ehemann und Vater von vier Kindern, Mediziner, Unternehmer, großzügigen Spender und orthodoxen Beter war es wichtig, etwas zu bewirken. Nun ist er im Alter von 72 Jahren nach einer Krebserkrankung gestorben. Am vergangenen Sonntag wurde er auf dem Friedhof Heerstraße am Scholzplatz beerdigt.

Zur Trauerfeier kamen zahlreiche Verwandte und Freunde. Rabbiner Yitshak Ehrenberg sagte in seiner Traueransprache: »Dieser Mensch hat so viel gemacht wie kein anderer Jude in Deutschland.« Das ist nicht übertrieben. Denn mit ihm verliert nicht nur Berlin, sondern die gesamte jüdische Gemeinschaft in Deutschland eine schillernde Persönlichkeit.

»Wo war er nicht?«, müsse man sich fragen. Denn Roman Skoblo war überall dabei und für jeden da. »Er konnte nicht Nein sagen.« Wenn jemand ein Buch herausbringen wollte, dann beteiligte er sich an den Kosten. Fragte ihn jemand um einen ärztlichen Rat – kein Problem. Musste etwas auf die Beine gestellt werden, engagierte er sich. Ihm sei es zu verdanken, dass es die Heinz-Galinski-Schule gibt, denn Roman Skoblo drängte als Mitglied der Repräsentantenversammlung auf die Gründung, berichtet Rabbiner Ehrenberg. »Sie müsste eigentlich seinen Namen tragen.«

GEMEINDE Von 1984 bis 1996 gehörte der Mediziner dem Vorstand der Jüdischen Gemeinde zu Berlin an und war mit daran beteiligt, die Jüdischen Gemeinden aus dem Westen und dem Osten der Stadt zusammenzubringen. »Er hat Berlin verändert«, sagt Yitshak Ehrenberg.

Davon ist auch Rabbiner Andreas Nachama überzeugt. Er erinnert sich voller Wärme an ihn: »Romy, wie er liebevoll von allen, die ihn näher kannten, genannt wurde, wird im Leben der Berliner Juden fehlen. Roman Skoblo war auch ein sehr bewusster und aktiver Jude – in der Wendezeit als für Jugend und Kultur zuständiges Mitglied des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, zunächst noch unter dem langjährigen Vorsitzenden Heinz Galinski, dann unter Jerzy Kanal.« Er sei »eine besondere Persönlichkeit« gewesen.

»Er gehörte zu denjenigen der Nachkriegsgeneration, die Heinz Galinski Ende der 80er-Jahre gezielt für Vorstand und Repräsentantenversammlung herangezogen hatte und dafür gewinnen konnte, Verantwortung zu übernehmen, um den Übergang der Gemeindeleitung auf Jüngere einzuleiten.«

PROFESSOR Er sei dort von vielen als »der Professor« bezeichnet worden, sagt Nachama, denn »er hatte die Gabe, komplizierte Vorgänge, wie etwa die Vereinigung der jüdischen Gemeinde von Ost-Berlin und West-Berlin im Rahmen der deutschen Einheit, intellektuell zu durchleuchten und – wie es sich für einen Labormediziner gehört – in seine einzelnen Bestandteile zu zerlegen, diese zu analysieren. Er stellte verschiedene Lösungsmöglichkeiten vor – nicht in einer langwierigen Vorlesung, sondern zusammengefasst in wenigen inhaltsreichen Sätzen«, so Nachama.

Wir fanden eine totale Ruine vor. Aber Roman sagte: »Hier zieht wieder jüdisches Leben ein.«

Vor 23 Jahren fuhr Roman Skoblo zu Yitshak Ehrenberg nach München, wo dieser damals amtierte, und bat ihn, Rabbiner in der Synagoge Joachimstaler Straße zu werden. Auch dort bereitete er schon einmal alles vor: Tag und Nacht habe Roman Skoblo gearbeitet.

Ehrenberg erinnerte in seiner Trauerrede daran, wie Skoblo vor 15 Jahren mit ihm in die Brunnenstraße in Prenzlauer Berg zur ehemaligen Synagoge fuhr. »Wir fanden eine totale Ruine vor. Aber Roman hat gesagt, dass hier wieder jüdisches Leben einziehen wird.«

BRUNNENSTRASSE Und so geschah es. Er erwarb das Domizil von der Wohnungsbaugesellschaft Mitte und ließ es wieder instand setzen. Mittlerweile ist es seit mehr als sechs Jahren das Gotteshaus von Kahal Adass Jisroel, einer Synagogengemeinde mit mehr als 450 Betern.

»Im jüdischen Deutschland von heute, einem Ort, an dem es darum ging, sich an die Vergangenheit zu erinnern und sich mit der Gegenwart auseinanderzusetzen, war Roman Skoblo damit beschäftigt, die Zukunft aufzubauen«, beschreibt Rabbiner Josh Spinner den Förderer.

So viele Projekte, Organisationen und Institutionen seien ihm zuzuschreiben, einige besser bekannt, andere weniger, sagte er sichtlich erschüttert der Jüdischen Allgemeinen.

LEBENSPROJEKT »Der Höhepunkt seiner Hingabe, seines Lebensprojekts, in das er zwei Jahrzehnte lang seine Zeit, sein Geld, sein Herz und seine Seele steckte, war die Schaffung eines authentischen ›Makom Tora‹, eines Ortes des Lernens und Lebens der Tora in Berlin. Es gelang ihm, wo andere es nicht einmal wagten oder träumten, es zu versuchen«, erinnert sich Spinner.

»Roman Skoblo ist jetzt gegangen, aber die Veränderung, die er geschaffen hat, bleibt bestehen. Jede Talmudseite, die in der Brunnenstraße studiert wurde, jedes ›Schma Jisrael‹, das von jedem Kind dort gesagt wurde, jeder Jude, der von jedem Rabbiner unterrichtet wurde, der dort ausgebildet wurde – jeder dieser Verdienste wird jetzt und für immer dem Namen Reb Reuven ben Binyamin Skoblo zugeschrieben.«

Auch im Andenken an seine Familie war die Synagoge in Mitte wichtig für ihn – ihr zu Ehren wollte er diesen Ort jüdischen Lebens aufbauen.

Auch im Andenken an seine Familie war die Synagoge in der Brunnenstraße wichtig für ihn – denn die Großeltern der Skoblos waren alle in Auschwitz und überlebten, sagte er einmal. Ihnen zu Ehren wollte er diesen Ort jüdischen Lebens aufbauen. Nun gibt es in Prenzlauer Berg einen Kindergarten, eine Schule, ein Rabbinerseminar, und die ausgebildeten Rabbiner wirken überall in Europa. »Er hat die Tora nach Berlin gebracht«, ist sich Rabbiner Ehrenberg sicher.

CREDO Dabei war Skoblo bescheiden und begegnete seinen Mitmenschen immer respektvoll. Das Credo, mit dem er einmal sein Hotel Ku’ Damm 101 beschrieb, könnte auch für ihn gelten: »Nicht Übermaß und vordergründiger Glamour sind die Devise, sondern bewusste Reduktion auf das Pure, das Wesentliche.« Obwohl Arzt von Beruf, hatte Roman Skoblo eine kleine Hotelgruppe aufgebaut.

Doch in erster Linie war Roman Skoblo Mediziner. 1948 wurde er in Bielawa in Niederschlesien geboren. Er studierte an der FU Berlin Medizin und begann 1974 seine Assistententätigkeit im Krankenhaus Neukölln, anschließend ließ er sich zum Facharzt für Laboratoriumsmedizin ausbilden und wirkte erst als Oberarzt, dann als Assistenzprofessor am Klinikum Steglitz.

Schon damals war es ihm wichtig, sich zu engagieren, und so wurde er bereits 1988 Vorsitzender des Landesverbandes Jüdischer Ärzte und Psychologen Berlin. Sein ganzes Leben lang setzte er sich dafür ein, die Schicksale jüdischer Ärzte während der Schoa zu recherchieren und publik zu machen.

Ferner war er unter anderem Mitglied der zentralen Ethikkommission als Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland, Vorsitzender der Deutschen Ärztegemeinschaft für humanitäre Zusammenarbeit und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für unabhängige Laborärzte und gehörte dem Kuratorium des Berliner Rabbinerseminars an. Er war Vorstandsvorsitzender des Vereins Beith Zion sowie Gründungsmitglied der Berliner Studien zum Jüdischen Recht an der Humboldt Universität.

AUSTAUSCH »Ich habe einen Freund verloren«, sagt Rabbiner Ehrenberg. »Roman war ein guter Mensch mit einer starken Persönlichkeit«, ergänzt Rabbiner Yehuda Teichtal, der ebenfalls bei der Beerdigung war. »Es gibt in Berlin kaum eine Persönlichkeit, die mehr für den Aufbau jüdischen Lebens geleistet hat als Roman Skoblo. Insofern stellt sein Ableben einen immensen Verlust für die jüdische Gemeinschaft dar«, sagt Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

Der Verlust ist auch deshalb so groß, weil Roman Skoblo zu den Menschen gehörte, für die Kommunikation und Austausch mehr bedeuteten als zufällige Gespräche – auch innerhalb der religiösen jüdischen Strömungen. So war er in »seiner« orthodoxen Synagoge Joachimstaler Straße engagiert, erzählt Andreas Nachama, spendete Kidduschim an jedem Schabbes, wenn sich kein anderer Spender fand.

Roman Skoblo gehörte zu den Menschen, für die Kommunikation und Austausch mehr bedeuteten als zufällige Gespräche.

»Er war sich bewusst, dass er selbst ›non-observing‹ orthodox war und fasste das in dem Satz zusammen: ›Wenn ich mehr Zeit hätte, wäre ich observant orthodox.‹ Orthodox war für ihn aber nicht ausgrenzend gemeint, denn er war es, der es ermöglichte, dass im Rahmen der Kulturtage Rabbinerinnen und Kantorinnen ihre ersten Auftritte in der Jüdischen Gemeinde hatten, und der dafür sorgte, dass die Eingeladenen im Gemeinderestaurant mit den lokalen Matadoren zusammentrafen – so auch die Rabbinerin mit dem orthodoxen Gemeinderabbiner«, sagt Nachama.

»Romy Skoblos Aktivitäten waren so vielfältig, dass sie sich nicht in wenigen Zeilen zusammenfassen lassen. Jetzt ist er 72-jährig in seine Welt gegangen. Wir werden ihn sehr vermissen. Sein Andenken werde zum Segen!«

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