Ich fürchtete, dass mir die Worte fehlen würden», sagte Michael Blumenthal in seiner Dankesrede, nachdem er am Samstag im Jüdischen Museum Berlin (JMB) den «Preis für Verständigung und Toleranz» von Bundespräsident Joachim Gauck entgegengenommen hatte.
Zu schrecklich seien die Anschläge auf Paris, weshalb er sich kurzfristig entschieden habe, seine Rede neu zu schreiben. Eigentlich habe er über ganz andere Themen sprechen wollen – etwa über das Museum und über die Flüchtlinge, sagte der Gründungsdirektor.
Es sei ein «Hohn des Schicksals», dass er die Auszeichnung ausgerechnet einen Tag nach den Anschlägen in Paris bekomme. Diese Situation würde ihn an den 11. September 2001 erinnern. Denn zwei Tage vor den Terroranschlägen in den USA war das Jüdische Museum Berlin eröffnet worden. Von der «Ohnmacht, der Wut, der Trauer und dem Mitgefühl» seien nun alle ergriffen.
Man dürfe den «feigen, verblendeten Terroristen nicht erlauben, unser Wertesystem zu zerstören». Man müsse weiter für Demokratie und ein freies Leben einstehen und daran arbeiten. Europa werde sich durch diese Terrorakte verändern – es sei schwierig, dabei die richtige Balance zwischen Sicherheit und Kampf zu finden.
werte Der Abend hatte mit einer Schweigeminute begonnen – als «Zeichen unserer Trauer um die Opfer und unserer Solidarität mit Frankreich», so Peter Schäfer, Direktor des Jüdischen Museums. «Ich stehe vor Ihnen, geschockt und betroffen von den schrecklichen Ereignissen in Paris.» Der Preis stehe genau für die Werte, die Terroristen bekämpfen: Verständigung, Toleranz, Miteinander, Füreinander, kulturelle und religiöse Vielfalt, Dialog. Der Terror dürfe das nicht «wegbomben».
Schäfer bedankte sich bei Bundespräsident Joachim Gauck, dass er sich entschlossen habe, trotz der Terroranschläge zur Preisverleihung zu kommen, um die Auszeichnung vor 400 Gästen zu überreichen.
Neben Gauck waren auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der im vergangenen Jahr die Auszeichnung erhalten hatte, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, und Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) zur Preisverleihung gekommen.
«Wir ehren heute einen Mann, dessen Lebenswerk und dessen ganze Biografie in beispielloser Weise für Verständigung und Toleranz stehen», sagte Joachim Gauck in seiner Laudatio. Von Blumenthal könne man Gelassenheit im Umgang mit dem vermeintlich Fremden lernen sowie Aufgeschlossenheit und die Bereitschaft, Neues zu wagen, so der Bundespräsident. «Ich nehme den Preis mit großer Freude an», sagte der 89-jährige Blumenthal.
geschenk Blumenthal wurde in Oranienburg geboren und floh während der Schoa mit seiner Familie nach Shanghai. Später wurde er in den USA außenpolitischer Berater John F. Kennedys und Finanzminister unter Jimmy Carter. 1997 kehrte er nach Berlin zurück, um das Jüdische Museum Berlin aufzubauen, das am Donnerstag den 10.000.000. Besucher erwartet.
«Der Preis ist ein wunderschönes Geschenk, aber ich habe noch ein viel schöneres erhalten – die Einladung, hierherzukommen, um am JMB-Projekt mitarbeiten zu dürfen», sagte der Geehrte. Dadurch habe er sein Geburtsland wieder richtig kennen-, schätzen und bewundern gelernt. Diese 17 Jahre seien die «zufriedenstellendsten meines Lebens» gewesen, sagte der Preisträger.
Mit dem Preis ehren das JMB und die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Stiftung Jüdisches Museum Berlin seit 2002 Persönlichkeiten, die sich um Verständigung und Toleranz verdient gemacht haben. Zu den bisherigen Preisträgern gehören Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der verstorbene Bundespräsident Richard von Weizsäcker (CDU)