Halle-Anschlag

Drei Jahre danach

Synagogentür als Mahnmal Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Halle-Anschlag

Drei Jahre danach

Das »Festival of Resilience« erinnert an das judenfeindliche Attentat auf die Synagoge am 9. Oktober 2019

von Lilly Wolter  07.10.2022 09:01 Uhr

Jom Kippur ist das Fest der Versöhnung, das dem Nachdenken, der Besinnung gilt. An Jom Kippur geht der Blick nach innen. Der Jüdischen Gemeinde von Halle blieb dies am 9. Oktober 2019 verwehrt. Denn an jenem Tag versuchte ein schwer bewaffneter Rechtsextremist, in die voll besetzte Synagoge einzudringen. Sein Ziel war es, ein Massaker anzurichten, das er plante, live im Internet zu übertragen. Nachdem dies misslungen war, erschoss der Täter eine Passantin und einen Mann in einem nahe gelegenen Döner-Imbiss. Zwei weitere Menschen wurden verletzt.

Drei Jahre ist dieser erschütternde Tag her. Nur wenige Monate später folgte mit der Corona-Pandemie der nächste Einschnitt für die Gemeinde von Halle. Entsprechend ernüchtert blickt dessen Vorsitzender Max Privorozki zurück: »In diesen drei Jahren gab es in unserem Land, in Europa und in der Welt so viele, meistens sehr negative und stressige Ereignisse, dass man sich an den allgemein herrschenden Pessimismus gewöhnt.« Der Anschlag an Jom Kippur fühle sich für ihn wie ein Ereignis an, das eine Lawine verursachte.

Solidarität Rückblickend hält Privorozki aber fest: »Das Allerwichtigste war die aufrichtige, offenherzige Solidaritätswelle, die wir damals erleben durften.« Seitdem halten Überlebende, die jüdische Gemeinschaft und weitere Gruppen die Erinnerung an den Anschlag und seine Opfer wach.

Der 9. Oktober ist für die Stadt Halle inzwischen zu einem »richtigen Gedenktag« geworden, betont Privorozki. Eine von der Gemeinde und Stadt organisierte Gedenkveranstaltung lädt um 12 Uhr in den Hof der halleschen Synagoge ein. Kurz darauf, um 12.03 Uhr, gibt es eine Schweigeminute, begleitet vom Glockenklang aller Stadtkirchen.

Es war die Zeit, zu der der Täter seinen Anschlag begann. Anschließend soll es einen Rundgang über den Synagogenhof geben, auf dem auch das Denkmal für die Anschlagsopfer platziert wurde. »Das absolut Wichtigste an diesem Tag für uns ist das Andenken an die zwei Mordopfer – Jana und Kevin. Denn die offenen Wunden werden irgendwann und irgendwie geheilt, Jana und Kevin dagegen kehren niemals zurück«, hebt Privorozki hervor.

Zukunft Im Gedenken soll der Blick aber auch in Richtung Zukunft geworfen werden. Dies betont auch die Rabbinerin Rebecca Blady, Direktorin der Jugendorganisation Hillel-Deutschland. Sie gehört zu jenen, die am 9. Oktober in der Synagoge von Halle saßen. Gemeinsam mit weiteren Überlebenden rief sie das »Festival of Resilience« ins Leben, das 2022 bereits zum dritten Mal in Berlin stattfindet. Bis zum 16. Oktober soll dort über die Zukunft nachgedacht werden, »genauer gesagt darüber, wie wir gemeinsam eine starke Zukunft aufbauen können«, sagt Blady.

Zudem folgt das Festival dem jüdischen Kalender von Jom Kippur bis Sukkot und bietet so den »emotionalen Bogen von heilig und düster bis freudig und verletzlich«. Im Fokus soll dabei die jüdische Geschichte der Resilienz stehen. »Resilienz ist ein sehr wichtiger Teil der jüdischen Geschichte, und Sukkot ist ein gutes Beispiel dafür«, erklärt Blady. So ist geplant, während des Festivals auch eine Sukka zu bauen. Damit solle an eine Tradition angeknüpft werden, die dem jüdischen Volk seit vielen Generationen Kraft spendet. Resilienz sei zwar bis heute kein leichtes Konzept, betont die Rabbinerin, dennoch müsse es auch gewürdigt werden: »Es ist wichtig, unsere Stärke und Widerstandsfähigkeit zu feiern.«

Diese Stärke zeigte Blady auch beim Gerichtsprozess im April 2020, als sie gegen den Täter aussagte. Er wurde später unter anderem wegen zweier Morde und 68 Mordversuchen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. »Ich habe an diesem Tag zwei Zeugenaussagen gemacht. In der einen ging es darum, was mir passiert ist. Und ich habe auch das Zeugnis meiner Großmutter abgelegt, die 1944 nach Auschwitz deportiert wurde«, erinnert Blady. Ihr sei es wichtig gewesen, den Richtern klarzumachen, dass das, was am 9. Oktober 2019 geschah, ein altes Problem und kein Einzelfall war.

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