Bildung

Doppelstunde für Pädagogen

Was ist jüdischer Religionsunterricht heute? Und was soll er leisten? Was sind die Möglichkeiten des Online-Unterrichts, und welche Kinderbücher können im jüdischen Religionsunterricht benutzt werden? Um diese Fragen zu diskutieren, haben sich am vergangenen Wochenende Religions- und Hebräischlehrerinnen und -lehrer an der Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg getroffen.

Und die Erleichterung, sich wieder einmal live zu sehen, war, nachdem die Tagung im vergangenen Jahr pandemiebedingt ausfallen musste, deutlich zu spüren. Zwar waren die pandemischen Begleiterscheinungen nach wie vor sichtbar: Die Teilnehmerzahl der Tagung war begrenzt, und auch vereinzelte Vorträge, wie beispielsweise »Die Schoa im Unterricht vermitteln« von Esther Rachow (Yad Vashem), wurden online übertragen. Doch der persönliche Erfahrungsaustausch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer machte vieles wieder wett.

didaktik Veranstaltet wurde die Tagung vom Zentralrat der Juden in Deutschland und der Zentralwohlfahrtsstelle (ZWST). Auf dem Programm der zweitägigen Veranstaltung standen Workshops und Panels zur Nutzung unterschiedlicher Medien, zur Vermittlung jüdischer Kultur im Religionsunterricht, Didaktik, der Thematisierung der Schoa im Unterricht und der jüdisch-muslimischen Beziehungen.

Auch jetzt spüre man die Folgen von zwei Jahren Unterricht in der Pandemie, der lange Zeit nur online stattfinden konnte, meinte Mark Krasnov, Lehrer für jüdische Religion an der Diltheyschule in Wiesbaden. »Die Schüler haben das Lernen verlernt«, denn zwei Jahre Unterricht im Ausnahmezustand haben sich eben auch auf das Lernverhalten ausgewirkt. Gleichzeitig könne man auch eine positive Entwicklung wahrnehmen, die durch die Pandemie ausgelöst wurde.

Viele Schulen seien im Bereich der medialen Ausstattung weit vorangekommen. Es gebe zwar immer noch Schulräume ohne Internet, aber die Lage habe sich auch im Bereich der Endgeräte verbessert, so Krasnov. Das wäre ohne die Pandemie nicht so schnell geschehen, und dadurch habe sich auch das Spektrum an nutzbaren Medien erweitert. Unterricht könne so vielseitiger gestaltet und nachhaltiges Lernen wieder möglich gemacht werden.

Mit dem Thema der Veränderung des Unterrichts nach der Pandemie beschäftigte sich auch ein Workshop zum Umgang mit Unruhe in der Klasse und Classroom-Management-Techniken von Mirja Ottschofski, in dem sie zum einen die verschiedenen Ursachen von Unterrichtsstörungen beleuchtete, aber auch Strategien der Vermeidung darlegte.

Gesellschaft Shila Erlbaum vom Zentralrat der Juden leitete derweil die Thematik des Workshops mit der Feststellung ein, dass die Probleme der Gesellschaft doch gerade auch in den Schulen wiederzufinden sind.

Mit verschiedenen Anekdoten aus seinem Leben und der eigenen Karriere versehen, ging auch der Psychologe Louis Lewitan in seinem zweiteiligen Workshop »Resilienter Umgang mit sich und mit Schülerinnen und Schülern« auf das Zusammenspiel von Beziehung zu sich selbst und Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern ein. Denn es ging um Resilienz, um Stress und eigene Bedürfnisse – der Mensch strebe nach Kontinuität und Stabilität, und der Verlust der vermeintlichen Kontrolle löse Stress aus. Dabei sei das Leben in den meisten Bereichen doch viel näher am »Balagan«.

Gerade die Pandemie habe vermehrt das Gefühl von Kontrollverlust und der damit verbunden Angst ausgelöst – auch bei Schülern. »Vor der Krise ist nach der Krise«, scherzte Lewitan, während er mit diesem Satz einen wichtigen Punkt trifft: Mit der Pandemie wurden auch den Schülern wichtige Lebenserfahrungen und der soziale Umgang genommen, deren Auswirkungen ihr Verhalten sowohl zu Hause als auch im Unterricht auf verschiedene Weise verändert haben kann.

Impulse Für das Lehrpersonal ist diese Tagung besonders wichtig, gerade weil neue Impulse gesetzt werden konnten. Am wichtigsten sei jedoch der Austausch – über das jeweilige Befinden, aber vor allem über die Methoden im Unterricht. Auch der Austausch von Unterrichtsmaterial war ein wichtiges Thema, denn für viele Bereiche existiert bislang nicht genug Unterrichtsmaterial, sodass Lehrer es oft selbst zusammenstellen.

Einer dieser Bereiche sind die deutsch-israelischen Beziehungen. Ein Workshop von Johannes Becke und Jenny Hestermann, die an der Hochschule für Jüdische Studien im Bereich Israel- und Nahoststudien forschen, setzte sich mit diesem Thema auseinander. »Es geht darum, den Lehrenden Material zum Thema Israel und der Beziehung zwischen Israel und Deutschland niedrigschwellig und einfach zugänglich zu machen«, sagte Hestermann.

Classroom-Management, Materialien und Schülerinteressen wurden diskutiert.

Da sie selbst beide kein Lehrpersonal an Schulen seien, können sie zumindest aus der wissenschaftlichen Position heraus Material zum Thema für die eigene Weiterbildung der Lehrer bereitstellen, aber auch mögliche Quellen und Medien vorstellen, die dann in den Unterricht eingebaut werden könnten.

grundschulen In diesem Zusammenhang wurde auch die Diskrepanz zwischen Religionsunterricht und dem Integrieren von politischen Themen diskutiert. Trotz unklarer Zuständigkeit unter den Fächern fragen die Schüler immer wieder nach, denn gleichzeitig ist das Thema oft auch Teil ihrer eigenen Lebensrealität – auch bereits an Grundschulen.

Vor allem der Mangel an geeignetem deutschsprachigem Material mache das Bearbeiten des Themas im Unterricht schwer, hieß es in dem Workshop. Das vorhandene Material zu den deutsch-israelischen Beziehungen zeichne sich oft durch eine sehr einseitige Perspektive aus, und als Zielpublikum habe es die deutsche Mehrheitsgesellschaft vor Augen – viele Stimmen und Sichtweisen blieben dabei ausgespart.

Vor allem auch die Behandlung von Quellen sei wichtig, um propagandistische Argumentationen gegen Israel in einen Kontext zu stellen und zu entkräften.
Von der Tagung erwarte man keinen Heureka-Moment, meinte ein teilnehmender Lehrer. Vielmehr ist so etwas wichtig, damit eine so heterogene Gruppe wie die anwesenden Religionslehrkräfte zusammenkommen kann, um sich auszutauschen und Lösungsansätze für Probleme, die doch in jedem Unterricht auftauchen, zu teilen.

Chemnitz

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