Düsseldorf

Die Unbesiegbaren

Als Diego Gelst von der Begegnung mit Prinz Harry spricht, leuchten seine Augen. Der 43-Jährige aus Beer Sheva gehört zum israelischen Team der Invictus Games. Gerade hat er mit den anderen Sportlerinnen und Sportlern und ihren Angehörigen hohen Besuch empfangen. Harry habe ihm seine Anerkennung ausgesprochen, sich nach zwei schweren Schussverletzungen zurück ins Leben zu kämpfen.

»Du bist wieder aufgestanden, du bist inspirierend«: Über diese Worte des Prinzen hat sich Diego Gelst am meisten gefreut. Begeistert spricht er von der aufmerksamen Art des britischen Schirmherrn. Und von den Invictus Games, die in der vergangenen Woche erstmals in Deutschland und erstmals mit einem israelischen Team in Düsseldorf eröffnet worden sind.

PISTORIUS Doch nochmal auf Anfang. 17.30 Uhr: Die letzten Vorbereitungen für den Abendempfang laufen. Der Jüdische Nationalfonds JNF-KKL hat das israelische Team eingeladen. Jaffa Flohr, Präsidentin des JNF-KKL, und Paul Jurecky, CEO Deutschland, besprechen mit der Moderatorin des Abends den Ablauf. 17.57 Uhr: Die erste dunkle Limousine fährt vor, der Verteidigungsminister Boris Pistorius ist pünktlich. Am Samstag hatte er mit Prinz Harry die Invictus Games in der Düsseldorfer Merkur-Arena eröffnet.

Einen Tag später sind beide beim JNF-KKL eingeladen. Weitere Gäste aus Politik, Militär, jüdischer Gemeinschaft sind auf der Terrasse oder im Innenraum der »Seifenfabrik Dr. Thompsonʼs«. Und dann, endlich, die Hauptpersonen: die 21 israelischen Athletinnen und Athleten, mit Angehörigen, mit dem Team, insgesamt über 50 Gäste in weißen Israel-Trikots.

Ein Traum wurde für Diego aus Israel wahr: Er konnte an den Spielen teilnehmen.

KKL-Präsidentin Jaffa Flohr freut sich auf den Abend und auf den Promi-Besuch. »Ich finde es wirklich ganz toll, dass er kommt. Es ist eine große Ehre, besonders für unsere Sportler und für uns selbstverständlich auch.« Dann erzählt sie von der Eröffnungszeremonie, von den bewegenden Momenten, als die Teams der 21 beteiligten Nationen einzogen.

»Es war wirklich so imposant, herzzerreißend«, ergänzt CEO Paul Jurecky. Besonders, als das israelische Team in die Arena eingezogen sei, der Fahnenträger durch Verbrennungen am Gesicht und an den Händen gezeichnet, manche im Rollstuhl. »Sie haben wirklich ihr Leben für das Land gegeben, und ich finde, man schuldet ihnen viel, ihnen und den Familien«, sagt Jaffa Flohr.

550 Kriegsversehrte aus aller Welt treffen sich bei den Invictus Games. Die Soldatinnen und Soldaten haben sich im Dienst, bei Attentaten oder Einsätzen körperliche oder seelische Verletzungen zugezogen.

REHA So wie eben Diego Gelst. Auf den ersten Blick sieht man die von außen stützende Prothese nicht sofort. Während seiner Armeezeit wurde er 2001 angeschossen, seitdem ist sein linkes Bein nicht mehr mobil. Bereits mit 17 Jahren war er bei einem terroristischen Anschlag verletzt worden, später hat er einen Sprengstoffanschlag auf einen Bus überlebt.

Der Sport habe ihn bei der Rehabilitation stets unterstützt. Nach 20 Jahren Rollstuhl-Basketball hat er sich nun ein Jahr lang im Bogenschießen auf die Invictus Games vorbereitet. »Ein Traum ist wahr geworden«, sagt er angesichts der Teilnahme an den Spielen. Ein Traum, der für ihn und das gesamte Team wahr wurde. Es wird in den Disziplinen Tischtennis, Bogenschießen, Schwimmen und Laufen antreten.

Auch für seinen Teamkollegen Eran Weizen aus Tel Aviv bedeutet der Sport viel im Zusammenhang mit der Rehabilitation. Im Libanon wurde er 2002 als 18-Jähriger bei einem Bombenangriff am Bein und an der Lunge verletzt. Lange hat er als Trainer gearbeitet, jetzt will er im Bogenschießen antreten. »Ich glaube, wir haben gute Chancen auf Medaillen in unserer Disziplin«, meint Weizen. Doch sei dies nicht sein größtes Ziel. »Wir sind stolz, Teil einer großen Gemeinschaft zu sein.« Eran Weizen wünscht sich Begegnungen mit anderen, die eine ähnliche Geschichte haben wie er.

In ihrer Begrüßungsrede betont KKL-Präsidentin Jaffa Flohr, wie wichtig es sei, den israelischen Veteranen Wertschätzung zu zeigen. »Ich verneige mich vor euch, euch gilt unser Stolz und unser Res­pekt.« Ihre Rede wird auf der Leinwand ins Hebräische übersetzt. Die Zuschauer applaudieren. Sie wünsche sich von Herzen, dass neue Freundschaften zwischen den Sportlern entstehen.

FREUDE Diese Verbindung stellt auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen heraus: »Es ist eine besondere Freude, dass die israelische Mannschaft dabei ist.«

Die erstmalige Teilnahme, und dies bei einem Austragungsort in Deutschland, sei eine besondere Kombination angesichts der gemeinsamen und sehr wechselvollen Geschichte, die aber in den vergangenen Jahrzehnten zu einer tiefen Freundschaft zwischen Staaten und Völkern geworden sei. »Die Einladung für den heutigen Abend habe ich sehr gern angenommen, und ich freue mich, hier zu sein.« Wie für die israelischen Veteranen sind es auch für den deutschen Verteidigungsminister die ersten Invictus Games.

18.50 Uhr: Das Team Israel zieht in den Nebenraum. Die anderen Gäste zücken die Handys, warten auf den Duke of Sussex, den Initiator der Invictus Games.

seiteneingang Und plötzlich ist er da. Prinz Harry kommt durch einen Seiteneingang. Er geht direkt auf die erste Gruppe der Sportler zu, begrüßt sie, beginnt, sich mit ihnen zu unterhalten. Kein Winken in die Menge, kein Posieren für Fotos: Aber das fühlt sich richtig an. Der Invictus-Games–Initiator will mit den Teilnehmern sprechen, ihnen seine Aufmerksamkeit widmen. Bei den Invictus Games gehe es nicht um ihn, hat er in Interviews betont. Die Kriegsversehrten sollten im Mittelpunkt stehen. Eine halbe Stunde ist er beim israelischen Team. Dann ist er so unauffällig verschwunden, wie er gekommen ist.

Die Gäste zücken die Handys, warten auf den Duke of Sussex, den Initiator der Invictus Games.

»Wir fühlen uns sehr geehrt durch diesen Besuch, wir haben alle großen Respekt vor seinem Engagement«, sagt Ora Seidner, die das israelische Team begleitet. Die Begegnung mit Prinz Harry, wie alle ihn hier nennen, obwohl er offiziell gar nicht mehr so heißt, fasst sie so zusammen: »Er hat mit den Teammitgliedern auf Augenhöhe gesprochen, das war sehr gut für sie.« Seidner ist Projektmanagerin der »Zahal Disabled Veterans Organization« (ZDVO). Das Rehabilitationsprogramm in Israel bestehe bereits sehr lange. »Es gibt nichts Vergleichbares in der Welt.«

Und dennoch schaue sie bewundernd auf den Spirit der Invictus Games, der so viele verschiedene Menschen aus verschiedenen Nationen zusammenbringe und ein unterstützendes Netzwerk schaffe. »Wir alle fühlen uns wie eine große Familie«, sagt Ora Seidner nach den ersten Tagen in Düsseldorf.

EMPFANG Unterdessen geht es beim Empfang weiter mit offiziellen Reden, mit privaten Gesprächen. Ruth Eitan, seit diesem Jahr neue Hauptdelegierte des KKL Israel für Deutschland, ist sehr angetan von dem Abend mit seiner besonderen Atmosphäre. Das Zusammensein passe gut zum Vorabend von Rosch Haschana und sei auch ein willkommener Anlass, zum neuen Jahr den Unterstützern von KKL zu danken. Doch im Mittelpunkt stünden die kriegsversehrten Soldaten.

»Wir wollten ihnen das Gefühl der Anerkennung vermitteln, das Gefühl einer Umarmung«, beschreibt Eitan die Intention. Der Abend habe gezeigt, wie es sein sollte, meint Edan Kleiman, National Chairman von Zahal Disabled Veterans Organization, der selbst seit einer Kriegsverletzung auf den Rollstuhl angewiesen ist. »Die verletzten Soldaten bekommen den Respekt von der Wirtschaft, von der Politik und von der Armee. Dies ist ein wichtiger Schritt, um ihre Rehabilitation zu stärken.«

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