Hamburg

Der Mann mit dem Tüdelband-Film

Dokumentarfilmer Jens Huckeriede in seinem Hamburger Privatarchiv Foto: Gesche-M. Cordes

Ich habe noch einen USB-Stick von ihm. Er liegt wohlbehalten in der Tiefe meines Rucksacks und enthält Szenenfotos seines letzten Filmprojekts Sound in the Silence. Jugendliche erkunden spielerisch, tänzerisch und sehr ernsthaft einen Raum im einstigen Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg.

Den Stick könnte ich ihm ja bei Gelegenheit zurückbringen, dann mit ihm einen Kaffee trinken, wenn es passt – und ihn so nach seinem nächsten Projekt befragen, dachte ich. Nun ist der Hamburger Filmemacher und Geschichtsaufspürer Jens Huckeriede am 9. Dezember völlig überraschend in seiner Hamburger Wohnung gestorben.

Kaufmann Wie viele seiner Generation hat der im August 1949 geborene Jens Huckeriede erst etwas so Naheliegendes wie Praktisches – nämlich Kaufmann – gelernt, um dann doch auf die Sozialpädagogik umzuschwenken: Nicht die Welt verwalten und in Ordnung halten wollte er, sondern sie durcheinander wirbeln und so zu einer vielleicht besseren machen.

Einschneidend war für ihn, als im Hamburger Stadtteil Altona Anfang der 90er-Jahre der alte jüdische Friedhof Ottensen beseitigt werden sollte, um auf dessen Grund ein Einkaufszentrum zu errichten. Damals war Huckeriede noch mit einer schweren Videokamera unterwegs, um verschiedene Stimmen einzufangen: zum einen von denen, die darüber so empört waren wie er selbst, dann von denen, die fanden, die Juden sollten sich nicht so anstellen, und schließlich von denjenigen, die anfingen, über die Geschichte ihres Stadtteils nachzudenken.

Seinen Durchbruch hatte Huckeriede 2003 mit dem Dokumentarfilm Return of the Tüdelband – Gebrüder Wolf Story über die Hamburger Gebrüder und Volksmusiker Wolf, die erst nach Shanghai, dann in die USA emigrierten und auf deren Geschichte eines Tages deren Urenkel, der New Yorker Rapper Dan Wolf, stieß.

Gespräche Bis zuletzt war Huckeriede – Mitglied des Zusammenschlusses freier Dokumentarfilmer »Die Thede« – mit seinem »Tüdelband-Film«, wie er ihn nannte, in den Programmkinos unseres Landes unterwegs. Es kränkte ihn keineswegs, wenn sich meist nur 30 bis 40 Zuschauer im Saal verteilten. Hauptsache, es gab hinterher ein gutes Gespräch und irgendein junger Mensch ging hinterher ein wenig klüger oder auch nur nachdenklich nach Hause.

Die Sensibilisierung Jugendlicher interessierte ihn, je älter er selbst wurde. »Wie vermitteln wir den jungen Menschen die Geschichte der Nazizeit, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt?«, war seine eine Frage. Die andere: »Was machen wir eigentlich, wenn von 20 Jugendlichen, die vor uns stehen, 13 einen sogenannten Migrationshintergrund haben und erstmal mit dem Stichwort ›Holocaust‹ gar nichts anfangen können?«

Risiko Also machte er sich auf den Weg und erprobte neue Formen der Annäherung an Verfolgung und Leid. Und dabei war er bereit, lieber mal etwas zu riskieren, auch mal daneben zu liegen, als nur das, was in den Geschichtsbüchern ohnehin schon steht, brav zu bebildern. »Man kann nur mit seinen eigenen Gefühlen umgehen, wenn es keinen Leistungsdruck gibt«, war er überzeugt. »Jeder trägt den Rucksack seines Lebens, der ist vollgepackt, und man muss sehen, was man auspackt und was nicht.«

»Wenn wir uns nicht verändern, wenn wir uns nicht öffnen und nicht das vergessen, was wir uns selbst antrainiert haben, wie sollen wir denn im Kontakt mit jungen Leuten bleiben?«, gab er uns Älteren mit auf den Weg.

Sein Film Sound in the Silence, eine Mischung aus Tanz, Performance und Befragung, aus Kunst und Dokumentation, entstanden mit Jugendlichen aus Hamburg und aus der polnischen Stadt Koszalin, ist so sein letztes Werk geworden; Teil eines geplanten Erinnerungszyklus, den er nun nicht mehr weiterführen kann.

Reisen

Die schönste Zeit

Rom, Balkonien, Tel Aviv: Hier erzählen Gemeindemitglieder, an welche Urlaube sie sich besonders gern erinnern

von Christine Schmitt, Katrin Richter  13.07.2025

Solidarität

»Israel kann auf uns zählen«

Wie die Israelitische Kultusgemeinde mit Spenden den Menschen vor Ort konkret helfen will

von Vivian Rosen  13.07.2025

Thüringen

Voigt für deutsch-israelisches Jugendwerk in Weimar

Er führe dazu Gespräche mit israelischen Partnern, die bereits Interesse an einer Ansiedlung in Thüringen signalisiert hätten

 11.07.2025

Frankfurt am Main

Rabbinerin: Zentralrat hat Öffnung des Judentums begleitet

Elisa Klapheck spricht in Zusammenhang mit der jüdischen Dachorganisation von einer »Stimme, die auf höchster politischer Ebene ernst genommen wird«

 11.07.2025

Maccabiah

Zusammen sportlich

Trotz der Verschiebung der Spiele auf 2026 überwog auf dem Pre-Camp in Berlin Optimismus

von Frank Toebs  10.07.2025

Street Food Festival

Sich einmal um die Welt essen

Tausende besuchten das Fest im Hof der Synagoge Oranienburger Straße in Berlin

von Helmut Kuhn  10.07.2025

Berlin

»Berlin verneigt sich«

Zwei Monate nach ihrem Tod wird die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer in Berlin gewürdigt. Der Bundespräsident mahnt vor Politikern und Weggefährten, das Erbe der Jahrhundertfrau weiterzutragen

von Alexander Riedel  09.07.2025 Aktualisiert

Engagement

Verantwortung übernehmen

Erstmals wurde der Fritz-Neuland-Gedächtnispreis verliehen. Die Auszeichnung erhielten der Jurist Andreas Franck und die AG PRIOX der bayerischen Polizei

von Luis Gruhler  09.07.2025

Deutsch-Israelischer Freiwilligendienst

»Wir müssen gewachsene Strukturen erhalten«

ZWST-Projektleiter Erik Erenbourg über ein besonderes Jubiläum, fehlende Freiwillige aus Deutschland und einen neuen Jahrgang

von Christine Schmitt  09.07.2025