#LastSeen

Der letzte Blick

Eröffnung der mobilen Ausstellung #LastSeen auf dem Marienplatz mit Charlotte Knobloch, Dieter Reiter, Henning Borggräfe und Andrea Despot (v.l.) Foto: Michael Nagy/Presse- und Informationsamt München

Während der zurückliegenden Woche stand an mehreren Plätzen in der Münchner Innenstadt, unter anderem auch vor dem Gemeindezentrum, ein alter Lkw, baugleich mit denjenigen, auf denen die Deportationen von Juden stattfanden. Auf seiner Ladefläche konnten Passanten Fotos der später Ermordeten sehen und sich über die historischen Ereignisse informieren.

Bis 1945 deportierten die Nationalsozia­listen und ihre Helfershelfer allein aus dem Deutschen Reich etwa 200.000 Jüdinnen und Juden sowie rund 30.000 Sinti und Roma in die Ghettos und Lager, die von den deutschen Besatzern in Mittel- und Osteuropa errichtet worden waren. Die wenigsten dieser Menschen haben überlebt. Die Wanderausstellung, die in den nächsten Wochen an vielen Orten in Deutschland zu sehen sein wird, startete am 20. Januar vor dem Münchner Rathaus. Warum gerade hier?

eröffnung Dies sei kein Zufall, so erläuterte es Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in seiner Eröffnungsrede: »München gehört zu den wenigen Großstädten, aus denen Fotos der Deportationen bekannt sind. Hier haben die Täter die Vorbereitung und Durchführung des Transportes am 20. November 1941 nach Kaunas selbst fotografiert.«

Ein wichtiges Ziel ist es, die auf den Fotos abgebildeten Menschen zu identifizieren.

Bei den Fotos handele es sich um die von den Tätern inszenierten letzten Blicke auf die deportierten und kurze Zeit später ermordeten Menschen. »Anhand dieser Bildserie«, so Reiter weiter, »wird in einem Pilotprojekt die systematische Erschließung der Fotos vorbereitet und eine angemessene Präsentationsform entwickelt. Das Stadtarchiv und das Institut für Stadtgeschichte und Erinnerungskultur arbeiten derzeit an den erklärenden Bildunterschriften.«

Ein wichtiges Ziel dabei ist es, die auf den Fotos abgebildeten Menschen zu identifizieren, so beispielsweise auch zwei Münchner Mädchen. Denn die mobile Ausstellung will nicht nur informieren, sie ist auch Teil der gleichnamigen Suchkampagne #LastSeen zu Fotos von NS-Deportationen.

hinweise Der Historiker Henning Borggräfe, Leiter Forschung und Bildung der Arolsen Archives, betonte in seiner Rede, dass er sich von der Ausstellung erhoffe, aus der Bevölkerung Hinweise und auch Fotos zu bekommen. Im Gegensatz zu München sei aus vielen anderen Gegenden wenig bekannt. Bislang lägen 550 Fotos aus 50 Orten aus dem Gebiet des Deutschen Reichs vor. Zudem gab er Erläuterungen zum Titel des Ausstellungs- und Suchprojektes #LastSeen – auf den Deportationsfotos seien die Opfer ein letztes Mal zu sehen.

Die Fotos geben die Perspektive der Täter auf die Deportierten wieder.

Andrea Despot, Vorstandsvorsitzende der »Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« (EVZ), betonte, dass mit dem Projekt die Geschichte der Verfolgten sichtbar gemacht werden solle. Die Initiative sei angesiedelt vor dem Hintergrund verblassender Erinnerung.

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, bedauerte, dass längst nicht alle bereit seien, sich an diese Geschichte zu erinnern. Im Gegenteil: Vermehrt höre man, dass die Vergangenheit von damals nichts mit der Zukunft von heute zu tun habe. »Was für ein gefährlicher Irrtum«, betonte sie.

widerstand Als kleines Mädchen war ihr eine Kindheit verwehrt worden, nur weil sie jüdisch war. »Ich verlor das Wichtigste, was ein Kind hat: die Menschen, die ich liebte. Zuerst meine Mutter, die meinen Vater und mich im Stich ließ. Und später meine geliebte Großmutter, die auf den Transport ging, damit mein Name von der Liste gestrichen wurde.« Sie wisse, was Menschen Menschen antun können – solange es keinen Widerstand gebe, der ihnen Grenzen setzt.

Die Grundlage für diese Grenzen bleibe die Erinnerung. Diese sei kein Selbstzweck, sondern das Rüstzeug für die Freiheit. Mit der Ausstellung, für die Charlotte Knobloch den Initiatoren dankte, würden die Verfolgten, Entrechteten und Ermordeten geehrt. »Ihre Vergangenheit nicht aus dem Sichtfeld zu verlieren, bedeutet, unsere Zukunft zu bewahren. Deshalb ist es so wichtig, ihnen viel mehr als bisher einen Namen und ein Gesicht zu geben – genau so, wie #LastSeen es tut.«

Die Ausstellung ist im Anschluss an München vom 28. Januar bis 6. Februar auf dem Haidplatz in Regensburg zu sehen. Insgesamt sollen acht Regionen angefahren werden.

Mehr Informationen unter: https://lastseen.arolsen-archives.org/ausstellung/

Thüringen

Voigt für deutsch-israelisches Jugendwerk in Weimar

Er führe dazu Gespräche mit israelischen Partnern, die bereits Interesse an einer Ansiedlung in Thüringen signalisiert hätten

 11.07.2025

Frankfurt am Main

Rabbinerin: Zentralrat hat Öffnung des Judentums begleitet

Elisa Klapheck spricht in Zusammenhang mit der jüdischen Dachorganisation von einer »Stimme, die auf höchster politischer Ebene ernst genommen wird«

 11.07.2025

Maccabiah

Zusammen sportlich

Trotz der Verschiebung der Spiele auf 2026 überwog auf dem Pre-Camp in Berlin Optimismus

von Frank Toebs  10.07.2025

Street Food Festival

Sich einmal um die Welt essen

Tausende besuchten das Fest im Hof der Synagoge Oranienburger Straße in Berlin

von Helmut Kuhn  10.07.2025

Berlin

»Berlin verneigt sich«

Zwei Monate nach ihrem Tod wird die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer in Berlin gewürdigt. Der Bundespräsident mahnt vor Politikern und Weggefährten, das Erbe der Jahrhundertfrau weiterzutragen

von Alexander Riedel  09.07.2025 Aktualisiert

Engagement

Verantwortung übernehmen

Erstmals wurde der Fritz-Neuland-Gedächtnispreis verliehen. Die Auszeichnung erhielten der Jurist Andreas Franck und die AG PRIOX der bayerischen Polizei

von Luis Gruhler  09.07.2025

Deutsch-Israelischer Freiwilligendienst

»Wir müssen gewachsene Strukturen erhalten«

ZWST-Projektleiter Erik Erenbourg über ein besonderes Jubiläum, fehlende Freiwillige aus Deutschland und einen neuen Jahrgang

von Christine Schmitt  09.07.2025

Essen

Vier Tage durch die Stadt

Der Verein Kibbuz Zentrum für Kunst, Kultur und Bildung führte 20 Jugendliche einer Gesamtschule an jüdische Orte. Die Reaktionen überraschten den Projektleiter

von Stefan Laurin  09.07.2025

Berlin

Millionenförderung für jüdisches Leben

Die sogenannten Staatsleistungen machten dabei fast 8,9 Millionen Euro in dieser Summe aus. Als Zuwendung für personelle Sicherheitsleistungen flossen den Angaben zufolge 6,1 Millionen Euro

 09.07.2025