Porträt

Der Doppelgänger

Mit dem Rad unterwegs: Nur bei langen Strecken nimmt der 84-Jährige die Bahn. Foto: Thomas Künzl

Karl Marx hatte einen stechenderen Blick und trug die Haare etwas kürzer. Doch sieht man in das freundliche Gesicht von Abraham Belenkowitsch, fühlt man sich dennoch an den Sozialphilosophen (1818–1883) aus Trier erinnert. Wie es der Zufall so will, lebt Belenkowitsch auch noch in der Geburtsstadt des Protagonisten der Arbeiterbewegung.

Der 84-Jährige ist derzeit Gast im jüdischen Kurheim Eden-Park. Er lebt seit 17 Jahren in Deutschland. Seine Heimat ist die Schwarzmeer-Metropole Odessa. Als es die Sowjetunion noch gab, arbeitete er für eine Metallgießerei als Ingenieur und unternahm viele Auslandsreisen. Schon damals begannen die ersten gesundheitlichen Probleme. Mit 41 Jahren erlitt er einen Herzinfarkt. Ein Umdenken setzte ein. Das ungesunde Leben mit Zigaretten und Alkohol konnte nicht mehr so weiter gehen, sagte sich Belenkowitsch.

Neue Werte »Gutes für sich und andere tun«, lautet heute seine Maxime. Meistens läuft Belenkowitsch barfuß. Er ist der Überzeugung, dass der Körper mit elektrischen Energien aufgeladen ist. Diese müssen abgeleitet werden. Der alte Herr mit dem weißen Bart lehnt die modernen Reinigungsmethoden ab. Körperpflegemittel enthielten zu viele Giftstoffe. Schlafen tut er am liebsten auf dem Balkon auf einem Tierfell. Bei der Ernährung setzt er auf Rohkost. Eine weitere strenge Regel für ihn ist: »Entweder esse ich oder ich trinke.« Beides zusammen macht er nie.

Aufgefallen ist Belenkowitsch den Kissingern als Radfahrer. Mit seinem wallenden Haar saust er durch die Straßen, radelt er zur Kissalis-Therme, macht Halt an den Kneippbecken im Kurgarten oder an den Oberen Salinen. Radfahren ist für ihn ein weiteres Element seiner Gesundheitsphilosophie. Das Rad ist auf all seinen Reisen dabei.

Modell Wegen seines Aussehens ist Belenkowitsch beliebtes Modell an der Europäischen Kunstakademie in Trier. So mimte er schon einmal den biblischen Stammvater Abraham, einen Talmudisten oder einen Kapitän mit der Pfeife im Mund. »Ein harter Weg, Geld zu verdienen«, meint er lächelnd, »man muss viele Stunden lang still sitzen«.

Abraham freut sich fast wie ein Kind, wenn er durch die Straßen Triers läuft und auf sein Aussehen angesprochen wird. In der Nähe des Geburtshauses von Marx muss er immer wieder für Fotos asiatischer Touristen posieren. Sprechen ihn Kinder an, hat er Süßigkeiten für sie in der Hosentasche versteckt. Bonbons oder kleine Münzen verteilt er gerne – er hat also seinen eigenen Weg zur Umverteilung des Kapitals gefunden.

Für seine Heimreise hat er schon zwei Zwischenstopps eingeplant. Er will nach Würzburg und zum Schwimmen nach Bad Kreuznach. Getreu seines Lebensgrundsatzes: »Der Mensch darf nie aufhören zu kämpfen. Man muss immer aktiv bleiben!«

Berlin

»Berlin verneigt sich«

Zwei Monate nach ihrem Tod wird die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer in Berlin gewürdigt. Der Bundespräsident mahnt vor Politikern und Weggefährten, das Erbe der Jahrhundertfrau weiterzutragen

von Alexander Riedel  09.07.2025 Aktualisiert

Engagement

Verantwortung übernehmen

Erstmals wurde der Fritz-Neuland-Gedächtnispreis verliehen. Die Auszeichnung erhielten der Jurist Andreas Franck und die AG PRIOX der bayerischen Polizei

von Luis Gruhler  09.07.2025

Deutsch-Israelischer Freiwilligendienst

»Wir müssen gewachsene Strukturen erhalten«

ZWST-Projektleiter Erik Erenbourg über ein besonderes Jubiläum, fehlende Freiwillige aus Deutschland und einen neuen Jahrgang

von Christine Schmitt  09.07.2025

Essen

Vier Tage durch die Stadt

Der Verein Kibbuz Zentrum für Kunst, Kultur und Bildung führte 20 Jugendliche einer Gesamtschule an jüdische Orte. Die Reaktionen überraschten den Projektleiter

von Stefan Laurin  09.07.2025

Berlin

Millionenförderung für jüdisches Leben

Die sogenannten Staatsleistungen machten dabei fast 8,9 Millionen Euro in dieser Summe aus. Als Zuwendung für personelle Sicherheitsleistungen flossen den Angaben zufolge 6,1 Millionen Euro

 09.07.2025

Magdeburg

Staatsvertrag zur Sicherheit jüdischer Gemeinden geändert

Die Änderung sei durch den Neubau der Synagogen in Magdeburg und Dessau-Roßlau vor rund zwei Jahren sowie durch zu erwartende Kostensteigerungen notwendig geworden

 09.07.2025

Berliner Philharmonie

Gedenkfeier für Margot Friedländer am Mittwoch

Erwartet werden zu dem Gedenken langjährige Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter, Freundinnen und Freunde Friedländers sowie Preisträgerinnen und Preisträger des nach ihr benannten Preises

 08.07.2025

Mittelfranken

Archäologen entdecken erste Synagoge Rothenburgs wieder

Erst zerstört, dann vergessen, jetzt zurück im Stadtbild: Die erste Synagoge von Rothenburg ob der Tauber ist durch einen Zufall wiederentdeckt worden. Ihre Überreste liegen aber an anderer Stelle als vermutet

von Hannah Krewer  08.07.2025

Biografie

»Traut euch, Fragen zu stellen«

Auch mit 93 Jahren spricht die Schoa-Überlebende Eva Szepesi vor Schülern. Nun hat sie ein Bilderbuch über ihre Geschichte veröffentlicht

von Alicia Rust  06.07.2025