Emmendingen

Davnen über den Dächern

Zufall oder nicht – egal. Bezeichnend ist es allemal, dass »Mischpacha«, das Jugendzentrum der Jüdischen Gemeinde Emmendingen, gemeinsam mit dem Jugendzentrum Ekew aus Freiburg den Video-Sonderpreis der Jewrovision 2015 mit einem Film gewonnen hat, der soziale Taten in den Mittelpunkt stellt.

Denn Sozialarbeit war es, die in den ersten Jahren das Leben der Emmendinger Gemeinde prägte. Die Not der jüdischen Zuwanderer hatte Anfang der 90er-Jahre zur Wiedergründung der südbadischen Gemeinde geführt. In diesen Tagen kann sie auf ihr 20-jähriges Bestehen zurückblicken. »Manche kamen mit nicht mehr als einem Koffer voller Habseligkeiten und mittels Touristenvisum«, erinnert sich die Gründungsvorsitzende Ute Teschemacher. Sie und ihr Mann Klaus, jahrelang Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, waren die Initiatoren der Wiedergründung.

Die Freiburger Gemeinde, damals für ganz Südbaden zuständig, war mit rund 800 Mitgliedern zur mitgliederstärksten Gemeinde in Baden geworden und konnte die Betreuung der Zuwanderer nicht mehr gewährleisten. Als Reaktion wurden in Emmendingen und kurz darauf in Lörrach Gemeinden gegründet. Die Emmendinger Gemeinde ist seither für die Juden im gleichnamigen Landkreis und der nördlich angrenzenden Ortenau zuständig.

engagement Auf viel mehr als das Engagement ihrer Mitglieder konnte die junge Gemeinde nicht bauen. Anstatt sich mit der Gründung, die im Beisein des damaligen Zentralratsvorsitzenden Ignatz Bubis gefeiert wurde, ihrer eigentlichen Aufgabe widmen zu können, musste sie vom ersten Tag an um ihre Anerkennung innerhalb der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden (IRG) und damit auch um Zuwendungen kämpfen. Das Überleben wurde dank Mitgliedsbeiträgen und Zuschüssen der Stadt gesichert. Die Gottesdienste wurden im Ratssaal des Alten Rathauses gefeiert.

In den Anfangsjahren hatte die Betreuung der Neuankömmlinge oberste Priorität. Schnell wuchs die Gemeinde von 74 auf über 360 Mitglieder. Heute sind es um die 270. »Wohnung, Arbeit, Ausbildung und das Lernen der deutschen Sprache waren Themen«, berichtet Ute Teschemacher von der Startphase.

Darüber hinaus war es immer wieder nötig, das Notwendigste zu organisieren. Der Lebensweg vieler Mitglieder verdeutlicht, dass ihnen beim Neustart erfolgreich geholfen werden konnte. Mit der Verleihung des Karl-Kübel-Preises für »Familieninitiativen in religiösen Gemeinden« im Jahr 1999 und der Ehrung von Klaus Teschemacher für Verdienste um die Wohlfahrtspflege 2005 durch Bundespräsident Horst Köhler wurde diese Arbeit auch offiziell gewürdigt.

Meilenstein
Ein Meilenstein in der Geschichte war 1999 die Schenkung des alten Gemeindehauses aus dem 18. Jahrhundert an die Gemeinde. In dem nach Simon Veit (Vorsitzender von 1880 bis 1930) benannten Haus wurden nach umfangreichen Sanierungen Büro, Bibliothek und ein Gemeindesaal eingerichtet. Er erhielt bei der Jubiläumsfeier den Namen Teschemacher-Saal.

Gleichfalls noch vor der Jahrtausendwende wurden zuerst Räume in einem ursprünglich als »Gastroturm« konzipierten Gebäude angemietet, später wurde die Immobilie gekauft. Seitdem hat die Gemeinde eine »Synagoge über den Dächern der Stadt«, einen Kidduschraum, zwei koschere Küchen, einen Unterrichts- und einen Jugendraum.

Gute Voraussetzungen, um ein blühendes Gemeindeleben zu entwickeln – wozu auch der badische Landesrabbiner Moshe Flomenmann beim Jubiläum gratulierte. Neben der Sozialarbeit haben sich Jugend- und kulturelle Arbeit entwickelt, wurde jüngst auch ein Seniorenkreis gebildet. Die Gemeinde ist in ihrer Öffentlichkeitsarbeit ebenfalls sehr aktiv. In Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt und vor allem dem Verein für jüdische Geschichte und Kultur, Träger des jüdischen Museums in der ehemaligen Mikwe, finden regelmäßig Veranstaltungen statt. Die Jüdische Gemeinde und der Verein betreiben gemeinsam das jüdische Lehrhaus und sind Bildungspartner vieler Schulen.

Nicht erst seit die Gemeinde mit dem 2013 eingestellten Moshe Navon erstmals in der rund 300-jährigen Geschichte jüdischen Lebens in Emmendingen einen Rabbiner beschäftigte, wird ein reger Austausch mit Christen und Muslimen in der Region gepflegt.

akzente
Diese Gespräche führt auch Yaakov Yosef Yudkowsky unvermindert fort. Der 28-jährige orthodoxe Rabbiner, der aus dem elsässischen St. Louis stammt, setzt seit dem vergangenen Sommer neue Akzente in Emmendingen. Von seinem liberalen Vorgänger Navon hatte sich die Gemeinde nach relativ kurzer Zeit wieder getrennt.

Erstmals gibt es jetzt eine Mechiza in der Emmendinger Synagoge, Männer und Frauen sitzen beim Gottesdienst getrennt. Als geistiger Mentor, der – so sagen viele Gemeindemitglieder – durch »Vorleben« und nicht durch »Vorschreiben« überzeugt, wird Yudkowsky seitdem geschätzt. »Heute ist jüdisches Leben lebendige und gelebte Wirklichkeit«, sagt Carola Grasse, die Vorsitzende des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur, und blickt optimistisch in die Zukunft.

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