Jüdische Studierendenunion

»Das Judentum hat viel mehr zu bieten«

Julia Kildeeva über die Jüdische Campus-Woche, sichtbare Vielfalt und die Bedeutung persönlicher Begegnungen

von Annette Kanis  18.11.2021 12:55 Uhr

Julia Kildeeva Foto: privat

Julia Kildeeva über die Jüdische Campus-Woche, sichtbare Vielfalt und die Bedeutung persönlicher Begegnungen

von Annette Kanis  18.11.2021 12:55 Uhr

Frau Kildeeva, was steckt hinter der Jüdischen Campus-Woche?
2019 fand die Jüdische Campus-Woche zum ersten Mal an acht Standorten deutschlandweit statt. Zuvor war auf einer unserer Vollversammlungen ein Antrag genehmigt worden, dass man jüdisches Leben am Campus sichtbarer machen soll. So entstand die Idee zu dieser Projektwoche. Oftmals wird Judentum auch unter Studierenden nur mit dem Holocaust oder Israel in Verbindung gebracht. Davon wollen wir wegkommen, weil das Judentum viel diverser ist, viel mehr zu bieten hat. Wir möchten das lebendige jüdische Leben in den Vordergrund rücken und zeigen, dass Judentum an deutschen Universitäten präsent und divers lebhaft ist.

Wie wurde die Woche organisiert?
Wir von der JSUD koordinieren, helfen bei organisatorischen Problemen und bei Ideen, beantragen Gelder. Die eigentliche Umsetzung und Gestaltung ist Aufgabe der regionalen Strukturen, also der regionalen jüdischen Verbände und Hochschulgruppen, mit denen wir dankbar kooperieren.

Wo fanden welche Veranstaltungen statt?
In insgesamt 16 Städten. Besonders aktiv waren zum Beispiel die Regionalverbände BJSB, VJSNord und VJSH. In Hamburg und Göttingen gab es sehr interessante Veranstaltungen, ebenso in Heidelberg und Frankfurt. Alles ist natürlich abhängig von den Kapazitäten. Es gab Koscher Wine Tasting, Synagogenführungen, Filmvorführungen mit dem zurzeit wohl bekanntesten Film mit jüdischer Thematik »Masel Tov Cocktail«, diverse Vorträge, etwa zu Feminismus im Judentum, oder auch ein Gespräch mit dem Antisemitismusbeauftragten von Hamburg – um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Wie war die Resonanz?
Die ersten Eindrücke sind sehr positiv seitens der Studierenden. Verschiedene Standorte haben zurückgemeldet, dass die Menschen sehr interessiert waren, sie sehr aktiv etwas vom Judentum und jüdischem Leben wissen wollten. In Bielefeld, wo ich studiere, hatten wir einen jungen Mann, der sich eine Kippa mitgenommen hatte und sich direkt aufsetzte, während er weiter durch die Unihalle ging. Natürlich hat man auch immer wieder Menschen, die wissentlich oder unwissentlich Antisemitismus mit sich tragen, weil sie irgendwo eine Doku gesehen haben zu Israel, und dann zum Beispiel antizionistisch eingestellt sind. Solche gibt es, aber der Großteil der Erfahrungen war gut.

Wird es 2022 wieder eine Jüdische Campus-Woche geben?
Prinzipiell möchten wir gerne, dass sie jährlich stattfindet, für das nächste Jahr ist sie wieder in Planung. Unser Ziel ist, dass man durch persönliche Begegnungen direkte Vorurteile abbaut und Präsenz zeigt. Also durch Veranstaltungen, die nicht online stattfinden.

Welche Entwicklung sehen Sie bislang?
Ich glaube, beim ersten Mal hat man versucht, sich einzufinden und dementsprechend die Veranstaltungen gestaltet. Da gab es mehr Info-Stände und weniger große Veranstaltungen. Das lag aber auch daran, dass wir da weniger finanzielle Mittel hatten, weswegen auch weniger auf die Beine gestellt wurde. Jetzt hatten wir durch die Stiftung »Erinnerung, Verantwortung, Zukunft« eine starke finanzielle Unterstützung. Dadurch war das Programm umfangreicher und vielfältiger. Wir konnten mehr greifbareres Wissen mitgeben und Vorträge mit Persönlichkeiten anbieten.

Wie blicken Sie auf die Jüdische Campuswoche?
Ich blicke sehr optimistisch in die Zukunft im allgemeinen und denke, dass wir auch durch mehr Minderheitenkoalitionen und genau solche Veranstaltungen wie die Campus-Woche gemeinsam viel erreichen können für eine offenere und plural gemeinschaftliche Gesellschaft. Ein großer Dank geht an unsere Geschäftsführerin Noa Luft und an unsere Programmdirektion Rosa Lyenska, da sie enorm viel Arbeit im Hintergrund geleistet haben, um die Jüdische Campus-Woche stattfinden zu lassen.

Mit der Vorständlerin sowie Schatzmeisterin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) und Mitinitiatorin der Jüdischen Campus-Woche sprach Annette Kanis.

Nachruf

»Du fehlst schon heute«

Peggy Parnass war Gerichtsreporterin, Journalistin und Künstlerin. Unsere Autorin Sharon Adler nimmt Abschied von ihrer langjährigen Freundin. Ein letzter Brief

von Sharon Adler  21.03.2025

Prenzlauer Berg

Veras Stein

Das neue Buch von »Welt am Sonntag«-Chefredakteur Jacques Schuster erzählt Geschichten von Menschen, die auf dem Jüdischen Friedhof in der Schönhauser Allee beerdigt sind

von Jacques Schuster  21.03.2025

Leserbriefe

»Es gibt uns, nichtjüdische Deutsche, die trauern und mitfühlen«

Nach der Sonderausgabe zum Schicksal der Familie Bibas haben uns zahlreiche Zuschriften von Lesern erreicht. Eine Auswahl

 20.03.2025

Medien

Gil Ofarims Anwälte sollen ihn »zum Geständnis geprügelt haben«

Lange hatte der Musiker zum Verleumdungs-Prozess gegen ihn geschwiegen. Jetzt erwecken seine Anwälte den Eindruck, dass Ofarim nur aus einer Not heraus gestanden hat

 20.03.2025

Jewrovision

Vereint in Vorfreude

Mehrere Hundert Jugendliche nehmen am Songcontest in Dortmund teil. Wie nutzen sie die Zeit bis Juni? Wir haben uns umgehört

von Christine Schmitt  20.03.2025

Bildung

Judentum in die Schule - Neue Online-Plattform für Lehrkräfte

Warum verkleidet man sich an Purim? Und was feiern Juden an Pessach? Ein neues Online-Angebot des Jüdischen Museums Berlin bietet Lehrern und Schülern Wissenswertes zu jüdischer Geschichte und Kultur

von Nina Schmedding  20.03.2025

Musik

Virtuose Spiellust

Der Pianist Ido Ramot gab ein Konzert in der Münchner Zaidman-Seniorenresidenz

von Vivian Rosen  18.03.2025

Thüringen

Geschichte, Gedenken, Gegenwart

80 Veranstaltungen an 16 Orten: In Gera werden die 33. Jüdisch-Israelischen Kulturtage eröffnet

von Esther Goldberg  21.03.2025 Aktualisiert

Köln/ Frankfurt

Trauer um Michael Licht

Nach schwerer Krankheit ist der ZWST-Vizepräsident im Alter von 70 Jahren verstorben

 17.03.2025