Online-Machane

»Das Beste aus der Situation gemacht«

Das »Machane Merachok« der ZWST war ein voller Erfolg. Foto: Getty Images [Montage]

Karolina, das Online-Machane der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST) in den Weihnachtsferien hat jeden Tag mit dem Morgengebet begonnen – und du hast es mitgeleitet. Wie hat das funktioniert?
Super. Wir hatten die Idee, dass die Mädchen und die Jungen am Anfang getrennt werden, weil es bei den Gebeten verschiedene Wortlaute für sie gibt. Für die Mädchen haben eine weitere Madricha und ich das Gebet gestaltet. So hatten wir ein schönes Zusammengehörigkeitsgefühl. Danach kamen die Jungen und Mädchen wieder zusammen, um das Gebet zu beenden. Was uns alle erstaunt hat, war, dass die Kinder schon zehn bis 15 Minuten vor Beginn da waren, was ihre Motivation widerspiegelt.

Sie konnten es kaum abwarten?
Man muss sich ja bei »Zoom« in den Warteraum begeben. Wenn wir ihn dann öffneten, waren schon etliche da, und es kamen immer mehr dazu. Es war der erste Punkt des Tages – und sie wollten unbedingt dabei sein. Das freut uns!

Wie viele haben sich bei dem »Machane Merachok« – dem »Machane aus der Ferne« – eingeloggt?
Wir waren so um die 50 bei dem Gebet. Bei anderen Programmen hatten wir 70 bis 90 Kinder, wobei bei einem Teilnehmer auch zwei oder drei Kinder am Bildschirm sein können.

Hast du dadurch viele Jugendliche aus der ganzen Bundesrepublik kennengelernt?
Ja. Wenn wir bei einem Offline-Machane sind, gibt es natürlich andere Möglichkeiten, mit den Kindern zu kommunizieren. Bei diesem Online-Machane haben wir mit ihnen über die Chatfunktion interagiert, und die Kinder konnten uns schreiben.

Haben sie selbst auch etwas gezeigt?
Oh ja, ihre Pflanzen oder ihre Haustiere. Oder was sie gebacken haben. Wenn ein Programmpunkt vorbei war, sind sie oft noch länger geblieben und wollten auf gar keinen Fall Tschüss sagen. Sie betonten dann, dass ihnen das Thema gefallen hat, sind geblieben und wollten noch reden und miteinander Zeit verbringen. Dieses Online-Machane ist das Beste, was wir aus der aktuellen Situation machen konnten.

Wie viele Stunden hast du in diesen Tagen am Computer verbracht?
Es war sehr unterschiedlich, denn es hing davon ab, ob ich einen Programmpunkt hatte oder nicht. An einem Tag war ich zum Beispiel von 9.30 Uhr bis 18 Uhr immer einmal wieder vor dem Bildschirm. Zwischendurch gab es aber Pausen. Es sind schon sehr viele Stunden, die ich vor dem Computer verbringe – auch wegen der Vorbereitungszeit. Aber es war eine sehr effiziente Zeit, denn ich habe mir keine Serien angeschaut, was ich sonst vielleicht machen würde.

Worauf hast du dich ganz besonders bei dem Machane gefreut?
Eigentlich auf alle Programmpunkte, vor allem, weil ich die Kinder wiedersehen konnte, aber es kommen auch immer neue dazu, die noch nie auf Machane gefahren sind und die wir durch die Gemeinden, Jugendzentren und Eltern erreichen konnten. Die Resonanz der Kinder war unglaublich stark. Sie bedankten sich und sagten: »Wir freuen uns aufs nächste Mal.« Am Abend habe ich mich immer auf die Jeschiwa gefreut, auf die Sitzung, in der wir Madrichim alle virtuell zusammensaßen und unsere Erlebnisse teilten. Die ZWST hat uns auch Pakete mit kleinen Aufmerksamkeiten geschickt. Wir Madrichim wollen uns irgendwann auch einmal physisch treffen.

Wie plant man ein Online-Machane?
Das haben unsere Roschim übernommen. Ohne diese Arbeit im Vorfeld hätten wir nichts auf die Beine stellen können. Eines der Programme, das eine Madricha und ich entworfen haben, war ein Escape-Room. Wir haben uns überlegt, was interessant sein könnte. Dadurch, dass der Lockdown ja schon länger anhält, sind wir digital alle erfahrener geworden und gut aufgestellt. Und die ZWST hat 1500 Pakete verschickt mit Materialien, die man sonst nicht so leicht kriegen würde, also Perlen, Springseile, Nadeln zum Nähen und Backförmchen. Das hat die Arbeit erleichtert. Ohne den großartigen Einsatz der Mitarbeiter der ZWST wäre es nicht möglich gewesen

Aber ohne euch auch nicht. Wusstest du sofort, dass du als Madricha dabei sein willst?
Ich konnte mir nicht vorstellen, im Winter nichts zu machen. Auf jeden Fall wollte ich mit von der Partie sein. Die Kids brauchen Unterstützung, damit sie nicht den ganzen Tag herumhängen und Serien konsumieren. Sie brauchen Programm. Die Resonanz, dass so viele online bei uns dabei waren, zeigt, wie wichtig die Arbeit ist.

Was wünschst du dir für das Jahr 2021?
Dass Corona der Vergangenheit angehört. Dass wir aus den Erfahrungen des Jahres 2020 lernen, sowohl politisch wie auch in Sachen Klimaschutz. Dass wir uns eine politische Meinung bilden, etwas für die Umwelt tun und Zivilcourage zeigen, wenn jemand rassistisch beleidigt und in irgendeiner Hinsicht gemobbt wird. Dass es selbstverständlich ist, dass alle Menschen gleich sind. Das ist alles leicht gesagt, und ich glaube nicht, dass man es in einem Jahr verwirklichen kann. Aber 2020 haben wir realisiert, dass die Welt nicht in Ordnung ist. Und natürlich wäre es ein Traum von mir, bald wieder auf ein »Real life«-Machane zu fahren und dieses besondere Gefühl zu genießen.

Mit der 19-jährigen Madricha und Abi­turientin aus Osnabrück sprach Christine Schmitt.

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024

Berlin

Pulled Ochsenbacke und Kokos-Malabi

Das kulturelle Miteinander stärken: Zu Besuch bei Deutschlands größtem koscheren Foodfestival

von Florentine Lippmann  17.04.2024

Essay

Steinchen für Steinchen

Wir müssen dem Tsunami des Hasses nach dem 7. Oktober ein Miteinander entgegensetzen

von Barbara Bišický-Ehrlich  16.04.2024

München

Die rappende Rebbetzin

Lea Kalisch gastierte mit ihrer Band »Šenster Gob« im Jüdischen Gemeindezentrum

von Nora Niemann  16.04.2024

Jewrovision

»Ein Quäntchen Glück ist nötig«

Igal Shamailov über den Sieg des Stuttgarter Jugendzentrums und Pläne für die Zukunft

von Christine Schmitt  16.04.2024

Porträt der Woche

Heimat in der Gemeinschaft

Rachel Bendavid-Korsten wuchs in Marokko auf und wurde in Berlin Religionslehrerin

von Gerhard Haase-Hindenberg  16.04.2024

Berlin

Zeichen der Solidarität

Jüdische Gemeinde zu Berlin ist Gastgeber für eine Gruppe israelischer Kinder

 15.04.2024

Mannheim

Polizei sucht Zeugen für Hakenkreuz an Jüdischer Friedhofsmauer

Politiker verurteilten die Schmiererei und sagten der Jüdischen Gemeinde ihre Solidarität zu

 15.04.2024