9. November

Das andere Gedenken

Rote Rosen zum Gedenken an die Ereignisse der Pogromnacht im November 1938 auf einem Mahnmal in der Oldenburger Peterstraße Foto: picture alliance / Hauke-Christian Dittrich

Der Teil-Lockdown fordert bundesweit Veränderungen bei den Gedenkfeiern zum 9. November. »Schweren Herzens« hätten sich die Stadt Würzburg und die Israelitische Kultusgemeinde nach Abwägung der Gegebenheiten und aufgrund der derzeitigen Corona-Regeln entschlossen, auf die Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht am Platz der ehemaligen Synagoge in diesem Jahr zu verzichten, teilte Christian Schuchardt (CDU), Oberbürgermeister der Stadt Würzburg, mit. Die Kranzniederlegung wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Deshalb sind auch keine Einladungen verschickt worden.

Konzept Auch in Osnabrück werden die ursprünglichen Pläne geändert und ein neues Konzept erstellt. »Normalerweise haben wir bei der Gedenkveranstaltung bis zu 300 Gäste«, sagt Christine Grewe vom Büro für Friedenskultur der Stadt Osnabrück, das für die Veranstaltung verantwortlich ist.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten in Deutschland zahlreiche Synagogen. In Osnabrück wurde das jüdische Gotteshaus an der heutigen Alte-Synagogen-Straße in Brand gesetzt, jüdische Bürger wurden verhaftet oder waren gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt.

Schulen Jährlich wird an die Verbrechen und die Opfer dieser Nacht im Rahmen einer zentralen Gedenkfeier erinnert, die seit dem Jahr 2001 durch Osnabrücker Schulen ausgerichtet wird. In diesem Jahr haben Schüler der Ursulaschule Osnabrück die Aufgabe übernommen. Im Rahmen eines dokumentarischen Theaterstückes werfen sie unter dem Titel Shoah – Erkundung November 2020 einen Blick in die Geschichte, aber auch in eine Gegenwart, die die Vergangenheit noch lange nicht hinter sich gelassen hat.

Die Gedenkfeier beginnt um 16.30 Uhr in der Aula der Ursulaschule – aber ohne Publikum. Stattdessen wird es einen Livestream geben. »Hoffentlich klappt das – denn ein Corona-Fall an der Schule kann alles ändern«, sagt Christine Grewe. Rabbiner Shimi Lang und Kantor Baruch Chauskin werden den Kranz im Rahmen einer kleinen Zeremonie niederlegen, zu der die Öffentlichkeit nicht eingeladen ist.

In Jena ist geplant, an den Orten, an denen Stolpersteine verlegt sind, das Lied »Dos Kelbl« zu singen.

In Thüringen wurde die Eindämmungsverordnung erst am Mittwoch diskutiert und entschieden. »Wir wissen noch nicht, wie wir es machen«, sagte Till Noack, einer der drei Initiatoren der Gedenkveranstaltung in Jena, am Montag. Bis zu den jüngsten Kontaktbeschränkungen sah der Plan so aus, dass 40 Kurzkonzerte gleichzeitig an den Stolpersteinen erklingen sollten. »›Der Klang der Stolpersteine‹ gilt als Antwort auf eine Serie von rechtsex­tremen Kundgebungen in Jena, gipfelnd in einem Aufmarsch am 9. November 2016.

Dieser Entwicklung müssen wir uns entgegenstellen«, so Noack. Deshalb haben Klaus Wegener, Gerhard Paulus und Till Noack vor vier Jahren den »Klang der Stolpersteine« ins Leben gerufen, mit dem auch der Opfer der Nazis gedacht wird. An allen 40 Gedenkplätzen sollte gleichzeitig das Lied »Dos Kelbl« gesungen werden. Doch nun ist alles offen. Irgendetwas wird stattfinden, verspricht er. Allerdings solle niemand gesundheitlich gefährdet werden. »Die reduzierteste Variante wird sein, dass vor jedem Stolperstein einer allein mit einer Kerze steht«, meint Noack.

Absagen Komplett abgesagt wurde hingegen die Gedenkveranstaltung in Bad Honnef. Am Montag wird Bürgermeister Otto Neuhoff (parteilos) im Namen der Bürgerschaft an der Gedenktafel für die Honnefer Synagoge in der unteren Kirchstraße einen Kranz niederlegen. Eine Gedenkveranstaltung am Abend mit Vorträgen von Schülern und Musikbeiträgen der Musikschule kann nicht stattfinden. Alternativ könne jeder individuell gedenken, heißt es auf der Website: Alle sind eingeladen, die Tafel zu besuchen – unter Wahrung der Abstandsregeln. In der Familie könne der Tag genutzt werden, um mit Kindern und Jugendlichen über die Bedeutung des 9. Novembers 1938, als die Pogrome gegen Juden massiv begannen, zu sprechen. Die Tradition der Veranstaltungen an der Tafel werde fortgesetzt, wenn die Pandemie vorüber ist, heißt es in der Presseerklärung der Stadt.

Auch in Göttingen wurde das Konzept geändert: Die Gedenkfeier zum 9. November wird nicht am Mahnmal der Synagoge stattfinden, sondern in einer Online-Fassung auf der Website der Stadt Göttingen stehen. »Eine Verlinkung dazu wird es auch von unserer Homepage (www.gcjz-goettingen.de) sowie der des Göttinger Bündnisses geben (www.gedenken-an-die-opfer-des-nationalsozialismus.de)«, teilt Esther Heling-Hitzemann von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit mit.

In Saarbrücken wird die Wand der Synagoge mit dem einzig existierenden Bild des Innenraums der ehemaligen Synagoge illuminiert.

Statt eines öffentlichen Gedenkens wird in Saarbrücken die Wand der Synagoge mit dem einzig existierenden Bild des Innenraums der ehemaligen Synagoge illuminiert, teilt die Synagogengemeinde Saar mit. Für die sechs Millionen ermordeten Juden werden sechs Kerzen brennen.

Abstandsregeln Rabbiner Baruch Babaev wird bei der Gedenkveranstaltung in Dortmund-Dorstfeld sprechen, die nach der Verordnung genehmigt ist, so Vivianne Dörne vom Verein zur Förderung von Respekt, Toleranz und Verständigung in Dortmund-Dorstfeld. Natürlich unter Auflagen – so wird es Abstandsmarkierungen auf dem Boden geben und Ordner, die das Einhalten der Corona-Regeln kontrollieren. Und die Veranstaltung wurde auf eine Stunde verkürzt. Neben Rabbiner Babaev wird auch Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) teilnehmen, ebenso einige Schüler, die kurze Beiträge beisteuern.

In Dorstfeld habe es vor der Schoa eine große jüdische Gemeinde gegeben. »Um an die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen zu erinnern und ein Zeichen gegen aktuellen Antisemitismus zu setzen, möchten wir auch in diesem Jahr würdevoll gedenken.« Gemeinsam wollen die Veranstalter zeigen, dass sie Verantwortung dafür tragen, dass diese schrecklichen Ereignisse nie wieder passieren und Antisemitismus auch heute in Dortmund keinen Platz haben darf.

»Wir sehen uns leider gezwungen, alle Veranstaltungen der Alten Synagoge Essen aus Gründen der neuen Vorschriften gegen die Corona-Pandemie absagen zu müssen, so insbesondere die Gedenkfeier vom 9. November für die zerstörten Synagogen, wie auch die Ausstellungsvernissage vom 22. November und den Vortrag von Rabbiner Avraham Yitzchak Radbil über die moderne Orthodoxie am 26. November«, teilt die Jüdische Kultus-Gemeinde Essen mit. Sie hofft, dass ab dem 28. November Veranstaltungen wieder möglich sein werden.

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