Wird es jemals Tage der Vergebung und der Gnade geben / Und du wirst auf dem Feld wandeln, und du wirst auf ihm wandeln wie ein unschuldiger Wanderer, / Und deine nackten Füße werden das Kleeblatt streicheln» – so lauten die ersten Verse des hebräischen Gedichts «At Telchi Ba-Sadeh» («Du wirst durch die Felder wandeln»). Die in Königsberg geborene israelische Schriftstellerin Lea Goldberg veröffentlichte dieses Gedicht im Jahr 1943, als die systematische Ermordung der Juden Europas in vollem Gange war.
Die von Goldberg in Verse gefasste Hoffnung auf bessere Tage hat auch die Macher einer deutsch-israelischen Ausstellung inspiriert, die am 4. September in Frankfurt am Main eröffnet wurde. Will There Ever Be Days?, so heißt ihre nicht nur im Titel an Lea Goldbergs Gedicht angelehnte Schau, die zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler aus Tel Aviv und Frankfurt zusammenbringt. Initiiert wurde der in den Räumen der Heussenstamm-Stiftung stattfindende künstlerische Austausch von WIZO Deutschland.
«Als Vorsitzende einer zionistischen Organisation sehe ich es nicht nur als meine Aufgabe, die dringend benötigten Gelder für die israelische Zivilbevölkerung zu sammeln, sondern auch als Brückenbauerin zu wirken», sagt WIZO-Präsidentin Nicole Faktor. Gerade die Kunst biete «eine wunderbare Möglichkeit, Menschen einander näherzubringen und den Dialog zu fördern». Faktor zeigt sich dankbar gegenüber der Stadt Frankfurt, die ohne Zögern ihre Idee aufgegriffen habe, Künstler aus der Partnerstadt Tel Aviv einzuladen. Den Stellenwert des internationalen Austauschs hebt auch Christian Kaufmann, Geschäftsführer der Heussenstamm-Stiftung, hervor.
Der Titel der Schau ist angelehnt an ein Gedicht von Lea Goldberg.
Seit 45 Jahren – so lange wie keine andere Kommune – sei Frankfurt am Main mit Tel Aviv als Partnerstadt verbunden, betont Revital Ben-Asher Peretz. Die Kunstberaterin von Oberbürgermeister Ron Huldai hat die israelischen Teilnehmer der Ausstellung in die Mainmetropole begleitet. Am Eröffnungsabend traf sie unter anderem auf Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef. Der SPD-Politiker hebt die Vielfalt der teilnehmenden Künstler und ihrer Perspektiven hervor: «Wir sind stolz und froh, dass sie zu uns nach Frankfurt kommen, um ihre Erfahrungen mit uns zu teilen.» Gemeinsam mit den deutschen Künstlern entstehe ein Dialog, «der in der Gesellschaft aktuell eher schwierig ist». «Das gibt uns allen Hoffnung», sagt Josef.
Zu einem kleinen pechschwarzen Berg sind Kohlestückchen im Ausstellungsraum aufgetürmt. Kleine Farbtupfer durchbrechen die Düsternis. Beugt man sich zu Dina Shenhavs Installation hinunter, erkennt man vereinzelte zarte Blüten, die gegen jede Wahrscheinlichkeit aus dem Schwarz sprießen. Nicht zufällig beginnt die Tel Aviver Kuratorin Carmit Blumensohn ihren Ausstellungsrundgang an diesem Werk. Das alle Künstler verbindende Thema Hoffnung sei dafür nämlich zentral. Blüten, die aus den Wunden des Krieges sprießen, für die der Kohlehaufen steht – so deutet Blumensohn Dina Shenhavs «Mountain» betitelte Arbeit.
Im Gespräch betont die Kuratorin, wie wichtig es für israelische Künstler sei, in solch einer schwierigen Zeit nach Deutschland zu kommen. Israel werde weltweit gehasst. «Die Einladung und das Engagement der Stadt Frankfurt schätzen wir sehr», unterstreicht Blumensohn, die nach eigenen Angaben erstmals die Geburtsstadt ihres Vaters besucht. In Israel geboren wurde der Fotograf Peter Loewy, dessen Eltern sich 1956, als er fünf Jahre alt war, zur Rückkehr nach Deutschland entschlossen. Etwas zum Thema Hoffnung in Bezug zu Israel zu finden, sei ihm zuerst schwergefallen, sagt der Frankfurter Künstler.
Die derzeitige schwierige Lage im Nahen Osten bereitet Peter Loewy Sorge
«Aber ganz ohne Hoffnung geht es auch nicht», so Loewy. Skeptisch, fast resigniert klingt er, wenn er über deren Fallstricke reflektiert. Die Hoffnung sei «wie ein leerer Bilderrahmen oder ein Spiegel, die uns ratlos dem Nachdenken überlassen oder kitschigen Fantasien».
Peter Loewy zeigt unter anderem eine in Tel Aviv an der Ecke Nitsana/Eilat Street aufgenommene Fotografie, die seine Gedanken zu illustrieren scheint: Eine Hauswand ist zu sehen, an der unzählige, mehr oder minder aufwendig gerahmte Spiegel angebracht sind, die das Straßengeschehen reflektieren. Die derzeitige schwierige Lage im Nahen Osten bereitet Peter Loewy Sorge: «Hoffe ich auf ein Ende des Krieges, denke ich an all die Opfer und Toten, die diese Hoffnung bereits gekostet hat.»
Krücken und Einräder, Stelzen und Blechdosen
Dass Dialog jenseits scheinbar fester Zuschreibungen möglich ist, demonstriert der in Trier lebende Künstler Ali Anvari. Der gebürtige Iraner zeigt in Frankfurt mehrere unter dem Titel «FlowerPower» subsumierte Arbeiten. So hat er einen Perserteppich mit großzügigem Farbauftrag übermalt und dessen ornamentalem Muster zu starker Strahlkraft verholfen. Teppiche seien tief in der iranischen Kultur verankert und mit viel Bedeutung aufgeladen, sagt Anvari. Immer wieder entdeckte er handgeknüpfte Perserteppiche auf dem Sperrmüll. Ali Anvari sammelt sie ein, um sie zu bemalen. Einige Teppiche reinige er, um sie anschließend an Flüchtlinge aus Syrien und Iran zu verschenken, berichtet der Künstler.
Krücken und Einräder, Stelzen und Blechdosen: Wunderlich erscheinen die Frauen und Männer, die sich mithilfe von allerlei improvisiert wirkenden Aufbauten durch karge Landschaften, Wälder und entlang der Küste bewegen. Ayelet Carmis und Meirav Heimans 2018 entstandene Videoinstallation «The Israel Trail» zeigt eine faszinierende Versuchsanordnung. Die etwa 50 Menschen unterschiedlicher Couleur durchmessen einen von der libanesischen Grenze bis Eilat durch das gesamte Land führenden Wanderweg – ohne die Erde mit den Füßen zu berühren.
Dialog ist auch jenseits fester Zuschreibungen möglich.
Diese wunderliche Prozession lässt an einen Science-Fiction-Film denken, der von einer postapokalyptischen Nomadengesellschaft handeln könnte. Doch dann kommt einem Lea Goldbergs Gedicht in den Sinn, das die Hoffnung auf bessere Zeiten mit dem Bild eines barfuß über das Gras wandelnden Wanderers ausdrückt. Indem Ayelet Carmi und Meirav Heiman den unmittelbaren Kontakt zum Boden ausschließen, führen sie eindrücklich vor Augen, in welch verzwickten Zeiten wir heute leben.
«Will There Ever Be Days?», Heussenstamm-Stiftung, Braubachstraße 34, Frankfurt am Main, bis 28. September