Justiz

Berufung gegen »Judensau«-Urteil

Seit über 700 Jahren prangt die antisemitische Schmähplastik »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche. Foto: dpa

Der Rechtsstreit um den Verbleib der Schmähplastik »Judensau« an der Fassade der Wittenberger Stadtkirche geht in die nächste Instanz. Er habe gegen das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau von Ende Mai Berufung eingelegt, teilte der Anwalt des Klägers, Hubertus Benecke am Dienstag in Berlin mit.

Damit werde der Prozess am Oberlandesgericht Naumburg fortgesetzt. Kläger Michael Düllmann ist Mitglied der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Er sieht sich nach eigenen Angaben durch die Plastik in seiner Ehre verletzt.

Darstellung Das Landgericht Dessau-Roßlau hatte Ende Mai entschieden, dass die Plastik vorerst an der Fassade der Stadtkirche Wittenberg hängen bleiben darf. Das Vorhandensein des rund 700 Jahre alten Reliefs könne nicht als Kundgabe der Nichtachtung oder Missachtung gegenüber Juden in Deutschland verstanden werden, urteilte das Gericht. Es bestehe kein Beseitigungsanspruch seitens des jüdischen Klägers. Auch liege keine von der evangelischen Stadtkirchengemeinde ausgehende Beleidigung im Sinne des Paragrafen 185 im Strafgesetzbuch vor. Das mittelalterliche Relief sei Teil eines historischen Baudenkmals, erklärte das Gericht.

Die »Judensau« kann nicht als Missachtung gegenüber Juden verstanden werden, urteilte das Gericht.

Das Sandsteinrelief war um das Jahr 1300 an der Südfassade der Stadtkirche angebracht worden. Es zeigt eine Sau, an deren Zitzen sich Menschen laben, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Schweine gelten im Judentum als unrein. Mit solchen Darstellungen sollten Juden im Mittelalter unter anderem davon abgeschreckt werden, sich in der jeweiligen Stadt niederzulassen.

Ähnliche Spottplastiken finden sich an mehreren Dutzend weiteren Kirchen in Deutschland. Die Stadtkirchengemeinde ließ 1988 eine Bodenplatte unterhalb des Reliefs anbringen. Ihre Inschrift nimmt Bezug auf den Völkermord an den Juden im Dritten Reich, die Plastik selbst findet jedoch keine Erwähnung.

In der Schmähplastik blickt ein Rabbiner dem Tier unter den Schwanz und in den After.

Mahnmal Der Wittenberger Stadtrat sprach sich Mitte 2017 für den Erhalt der Plastik aus. Er wertete die Bodenplatte als Mahnmal und ließ in Absprache mit der Gemeinde eine Stele mit Erklärtexten auf Deutsch und Englisch errichten.

Düllmann hatte seine Klage 2018 zunächst vor dem Amtsgericht Wittenberg eingereicht. Wegen des hohen Streitwerts von mehr als 10.000 Euro hatte der Richter den Fall vor gut einem Jahr an das Landgericht überwiesen.  epd/ja

Universität

»Eine tolle Chance«

Philipp Lenhard über seine Tätigkeit am Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur der LMU München, Forschungsschwerpunkte und die Zusammenarbeit mit der Gemeinde

von Luis Gruhler  22.01.2025

Schulen

Zwölf Punkte für die Bildung

In der Kölner Synagoge diskutierten Vertreter von Zentralrat und Kultusministerkonferenz über die Darstellung des Judentums in Schulbüchern. Entstanden ist eine Leitlinie für Pädagogen

von Stefan Laurin  22.01.2025

Lohheide

Vor 80 Jahren starb Anne Frank im KZ Bergen-Belsen

Blumen, Fähnchen, Stofftiere: Nirgendwo in der Gedenkstätte Bergen-Belsen werden so viele Gegenstände abgelegt wie am Gedenkstein für Anne Frank

von Michael Althaus  22.01.2025

Berlin

Sicher in der Kunst

Im Herbst 2024 wurde die Jüdische Kunstschule gegründet. Sie soll ein »Safe Space« für Kreative sein. Ein Besuch in zwei Workshops

von Katrin Richter  21.01.2025

München

Zeugnisse jüdischen Lebens

Das Landesamt für Denkmalpflege kartografiert die Friedhöfe in Thalkirchen und Freimann

von Ellen Presser  21.01.2025

Fundraising

In Rons Namen

Die Eltern eines ermordeten israelischen Soldaten widmen ihrem Sohn ein Tierheim und sammeln Spenden für das Projekt. In Berlin sind zwei Benefizkonzerte geplant

von Christine Schmitt  21.01.2025

Berlin

Margot Friedländer: »Die Demokratie schwankt«

Die 103-Jährige wurde von den Nazis ins KZ Theresienstadt verschleppt. Vor dem nationalen Holocaust-Gedenktag warnt sie: »Seid vorsichtig«

von Verena Schmitt-Roschmann  21.01.2025

Oldenburg

Anschlag auf Synagoge bei  »Aktenzeichen XY ... Ungelöst«

Ein Unbekannter hatte einen Brandsatz gegen die massive Tür des Gebetshauses in der Leo-Trepp-Straße geworfen

 20.01.2025

Jahrestag

Das Grauen seit 80 Jahren im Kopf

Albrecht Weinberg wird bald 100. Er gehört zu den wenigen Zeitzeugen, die noch von der Verfolgung und Ermordung der Juden berichten können. Gerda Dänekas hat ihn ermuntert, seine Geschichte zu erzählen - und damit beider Leben verändert

von Karen Miether  20.01.2025