Sportgeschichte

Bar Kochba lebt in Leipzig weiter

Gedenkstele erinnert an den jüdischen Fußballverein und seine ermordeten und vertriebenen Mitglieder

 02.07.2018 11:37 Uhr

Gedenkstele in der Elsterstraße 7, wo einst Jugendhaus und Geschäftsstelle von Bar Kochba Leipzig standen Foto: Erich-Zeigner-Haus

Gedenkstele erinnert an den jüdischen Fußballverein und seine ermordeten und vertriebenen Mitglieder

 02.07.2018 11:37 Uhr

Im Jahr 1920 war Bar Kochba Leipzig gegründet worden, doch 19 Jahre später, 1939, zwangen die Nazis den jüdischen Fußballklub zur Auflösung. Von nun an erinnert eine Gedenkstele an jenem Ort in der Leipziger Elsterstraße 7 an Bar Kochba, wo einst Jugendhaus und Geschäftsstelle standen.

Zur Einweihung der Stele vergangene Woche waren auch eine Tochter und eine Enkelin des einstigen Vereinsmitglieds Hermann Bernhard Rafe nach Leipzig gekommen. Auf der Stele ist eine Aluminiumplatte angebracht, die einen Fußballer zeigt, der gerade schießt, dazu der Text »Viele Vereinsmitglieder wurden verhaftet und inhaftiert, mussten fliehen, verloren ihre Heimat oder wurden ermordet«.

schiedsrichter Der »Leipziger Volkszeitung« erzählte Bat-Ami Goldstein, die Tochter Rafes, dass sie beim Aufräumen den alten Schiedsrichterausweis ihres Vaters gefunden hatte. Der war nämlich nicht nur Spieler, konkret: Stürmer beim SK Bar Kochba gewesen, sondern hatte für den Klub auch gepfiffen.

Anders als die meisten seiner Klubkameraden überlebte Rafe die Schoa. Wie, das berichtete Orly Goldstein, seine Enkelin, in Leipzig. 1935 war Rafe mit anderen Bar-Kochba-Sportlern zur Makkabiade nach Tel Aviv gefahren. Er wollte zurück, doch sein im damaligen Palästina lebender Cousin schloss Rafe kurzerhand in seinem Zimmer ein. »Du gehst nicht zurück nach Deutschland!«, soll der Cousin gesagt haben. »Deine Mutter bittet dich, hier zu bleiben.«

Der Cousin öffnete die Tür für den protestierenden Rafe erst, als das Schiff, das ihn von Haifa zurückbringen sollte, schon abgelegt hatte. Rafe blieb in Tel Aviv, spielte dort für Hakoah Fußball, gründete eine Familie und starb 1991 friedlich. An das Schicksal seiner in der Schoa ermordeten Verwandten erinnern in der Leipziger Hainstraße 31 und im Brühl 2 mittlerweile »Stolpersteine«.

recherche Initiiert wurde die Gedenktafel für den SK Bar Kochba von Henry Lewkowitz und Frank Kimmerle vom Erich-Zeigner-Haus und Bernd Günther vom Stadtverband Leipzig des DGB. Zu den Unterstützern gehört auch die Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig mit ihrem engagierten Vorsitzenden Küf Kaufmann.

Gemeindechef Kaufmann betonte in seiner Rede zur Steleneinweihung, wie wichtig es ist, in diesen Zeiten an die NS-Opfer zu erinnern. »Der sportliche Geist von Bar Kochba«, ist sich Kaufmann sicher, »wird nie aus dem Leben unserer Stadt ausgelöscht werden.«

Dass Bar Kochba dem Vergessen entrissen wurde, ist auch der Leipziger Volkszeitung zu verdanken, die im Sommer 2017 mit einer Recherche zur Geschichte des Klubs begonnen hatte. Die geringe Kenntnis über den Verein und seine Geschichte überraschte auch deswegen, weil Leipzig zu DDR-Zeiten die Sportuniversität Deutsche Hochschule für Körperkultur beherbergte, der Thinktank des DDR-Sports, in dem auch zu Sportgeschichte geforscht wurde.

finanzierung »Bis heute gibt es keine Erinnerung an dieses Kapitel jüdischer Sportgeschichte unter dem NS-System in Leipzig«, sagt Initiator Henry Lewkowitz. Das Erich-Zeigner-Haus, dessen geschäftsführender zweiter Vorsitzender Lewkowitz ist, will auf lokaler Ebene an jüdisches Leben und an Widerstand gegen das NS-System erinnern.

Für die Finanzierung der Gedenkplakette konnte die Immobilienfirma Unitas gewonnen werden, der das Haus gehört, an dem die Stele steht. Der Vorstand von Unitas sei »regelrecht begeistert« gewesen, berichtete Frank Kimmerle vom Erich-Zeigner-Haus. Auch das Familienportal »Tüpfelhausen« steuerte Geld für die Aluminiumplatte bei, wie die »Leipziger Volkszeitung« berichtet. ja

Porträt der Woche

Die Rohstoff-Rebellin

Viktoria Kanar hat eine Firma gegründet, um Textilabfall zu recyceln

von Gerhard Haase-Hindenberg  09.02.2025

Freiburg

Wenn Kochen politisch wird

Der kurdische Gastronom Bilal Aloge setzte Baba Ganoush auf die Speisekarte – und erntete Hass. Trotzdem eröffnete er jetzt ein israelisches Restaurant, unterstützt von der jüdischen Community. Eine Geschichte von Mut und Haltung

von Anja Bochtler  09.02.2025

Frankfurt

Sein Leben, ihre Bühne

Die WIZO lud zu einer Aufführung von Georg Kreislers Stück »Heute Abend: Lola Blau«

von Laura Vollmers  09.02.2025

Ostfriesland

Albrecht Weinberg demonstriert mit Hunderten in Leer

Der Schoa-Überlebende ging gegen Rechtsextremismus und für Demokratie auf die Straße

 08.02.2025

Engagement

Süße Toleranz

»move2respect« heißt ein neues Projekt, das jüdische und muslimische Jugendliche zusammenbringt. Eine erste Begegnung gab es beim Pralinenherstellen in Berlin

von Frank Toebs  06.02.2025

Gemeinden

Musik, Theater, Lesungen

Für jeden etwas dabei: Der Zentralrat der Juden stellt sein Kulturprogramm vor

von Christine Schmitt  06.02.2025

Kino

Unerträgliche Wahrheiten

Das Dokudrama »Die Ermittlung« über den ersten Auschwitz-Prozess wurde bei den Jüdischen Filmtagen gezeigt

von Nora Niemann  05.02.2025

Interview

»Wo immer wir gebraucht werden – wir sind da«

Rabbiner David Geballe über Seelsorge in der Bundeswehr und die Vermittlung von Wissen

von Helmut Kuhn  04.02.2025

Porträt der Woche

Frau der ersten Stunde

Avital Toren wurde vor 30 Jahren gebeten, die Gemeinde in Heilbronn aufzubauen

von Gerhard Haase-Hindenberg  02.02.2025