»Herzlich willkommen, wir freuen uns, dass ihr da seid.« Mit diesen Worten begrüßte Rabbinerin Gesa Ederberg die ersten Flüchtlinge der Masorti-Bewegung aus der Ukraine, die am Dienstag ankamen. Masorti-Gemeindemitglieder haben eine Familie am Berliner Hauptbahnhof abgeholt, die anderen waren über Umwege schließlich mit dem Flugzeug nach Berlin geflogen.
In der Nacht zum Mittwoch sind noch weitere 20 Erwachsene und neun Kinder mit dem Bus eingetroffen, darunter einige Großeltern, die mit ihren Enkelkindern unterwegs sind. Sie sollten eigentlich schon viel früher Berlin erreicht haben, doch an der Grenze von Rumänien nach Ungarn mussten sie lange warten.
Grenzen Als der Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, fühlten sich auch die Mitglieder der fünf Masorti-Gemeinden in dem Land nicht mehr sicher und wollten ihre Heimat verlassen. Da sich die Vorstände über die Grenzen hinweg gut kennen, lag es nahe, Hilfe anzubieten, berichtet Rabbinerin Gesa Ederberg. In einem Telefonat mit dem ukrainischen Rabbiner Reuven Stamov wurde die Idee vertieft und schließlich die Fahrt organisiert.
Gesa Ederberg hatte bereits mit der Gruppe telefonischen Kontakt aufgenommen, als diese mit dem Bus unterwegs war. »Ich habe ihnen gesagt, dass wir uns sehr auf sie freuen«, so die Rabbinerin. Sie habe den Eindruck, dass die Gruppenmitglieder sehr froh und erleichtert seien, noch aus der Ukraine herausgekommen zu sein. »Und sie wissen, dass Freunde auf sie warten.« Zunächst einmal werden alle für ein paar Tage in einem Hotel einquartiert. Lediglich die Kosten für die Übernachtung muss Masorti übernehmen, denn das Essen wird vom Hotel gesponsert. Danach kommen sie bei Gemeindemitgliedern unter. 14 Familien haben sich bereit erklärt, Zimmer zur Verfügung zu stellen.
Mehr als 30 Personen haben sich in eine Freiwilligenliste eingetragen, um die Flüchtlinge abzuholen, für sie zu kochen und sie zu begleiten. »Uns erreichte eine enorme Hilfsbereitschaft, und wir sind von den zahlreichen Angeboten völlig begeistert und gerührt«, so Ederberg.
Kontext Die Kita und die Grundschule von Masorti bieten ab sofort Plätze für jüdische Kinder aus der Ukraine an. »Wir haben russisch und ukrainisch sprechende Kollegen, sodass die Mädchen und Jungen in einer sicheren und familiären Umgebung ankommen und wieder in eine tägliche Routine finden können«, so die Rabbinerin. Und das in einem jüdischen Kontext, der den Kindern vertraut sein wird, denn die Gebete und Lieder sind bei allen Masorti-Gemeinden ähnlich.
Die Gruppe von mehr als 30 Personen einschließlich eines Rettungswagens mit einer älteren Frau war am Montag in Oradea in Rumänien eingetroffen, wo sich alle einen Tag ausruhten, bevor sie einen Tag später über Budapest nach Berlin fuhren. Die Mitglieder der Gruppe kommen aus Kiew, Charkiw, Odessa und Czernowitz.
In der südwestukrainischen Stadt bot ihnen die jüdische Gemeinde Unterschlupf an. Sie funktionierte den Gebetsraum um und stattete ihn mit Schlafplätzen aus. Von dort startete für die meisten die mehrtägige Fahrt, die länger dauerte als ursprünglich geplant, weil die Gruppe an den Grenzen lange auf die Abfertigung warten musste.
Struktur In der Berliner Kita wird in diesen Tagen ein Raum eingerichtet, damit die kleineren Mädchen und Jungen auch einen Ruhebereich für sich finden. Im Souterrain der Schule soll ein Café eingerichtet werden, das die Eltern aufsuchen können, um sich auszutauschen. Die größeren schulpflichtigen Kinder sollen ebenfalls so schnell wie möglich eine Tagesstruktur bekommen und unterrichtet werden. Ob sie auf mehrere Klassen verteilt werden oder ob eine Willkommensklasse aufgemacht wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
Eine Mutter mit einem dreijährigen Kind hat sich bereits mit einer Berliner Mutter mit einem gleichaltrigen Kind angefreundet. »Da passt alles, und es ist schön zu sehen, dass sich alle gleich auf Anhieb verstehen«, hat Gesa Ederberg beobachtet.