Talmudisches

Wenn’s im Mund wehtut

So alt wie die Menschheit: Zahnschmerzen Foto: Getty Images/iStockphoto

Zahnprobleme gibt es, seitdem es Menschen gibt. So ist es nicht überraschend, dass man sich auch im Talmud mit diesem Thema beschäftigt. Ein Grundsatz, den auch moderne Zahnärzte voll und ganz unterschreiben können, lautet dabei, dass es besser sei, Vorsorge zu treffen und einen Zahn zu heilen, anstatt es so weit kommen zu lassen, dass man ihn ziehen muss (Pessachim 113a).

Essig Eine desinfizierende Mundspülung zur Unterstützung der Heilung bestand in talmudischer Zeit aus einer Essiglösung. Zwar argumentierte Rav Acha bar Pappa, Essig sei nicht gut für die Zähne, in Bezug auf Mischlej 10,26. Doch die Gemara kommentiert, dies beziehe sich nicht auf eine allgemeine Hygienemaßnahme bei gesunden Zähnen, sondern sei nur anzuwenden, wenn im Zahnbereich eine Wunde vorhanden sei (Schabbat 111a).

Außerdem solle man sich ganz allgemein nicht angewöhnen, Heilmittel ohne Notwendigkeit zu sich zu nehmen, wie Rav zu seinem Sohn Chija sagt, damit man keine Sucht entwickle (Pessachim 113a). Dies mag sich unter anderem auch darauf beziehen, dass manche Heilmittel Alkohol enthielten, wie es auch heute noch in der Medizin üblich ist, vor allem in pflanzlichen Medikamenten.

Alkohol Dass der Alkohol bei Zahnschmerzen nicht nur der Desinfektion, sondern auch der Betäubung dient, illustriert die Anekdote von Rav Pappas schlauem Ochsen, der an Zahnschmerzen litt und deshalb ins Haus eindrang und dort ein Gefäß aufbrach, in dem sich offenbar eine alkoholische Flüssigkeit befand – vielleicht ein Heilmittel, vielleicht ein Genussmittel. Er brach den Deckel auf, trank die Flüssigkeit und wurde geheilt (Bava Kamma 35a).

Als ein weiteres Mittel gegen Zahnschmerzen wird ein grobes Salzkorn genannt, das man in den Mund nahm, wobei unsere Weisen davon ausgingen, dass das Salz eher bei Zahnfleischproblemen helfen sollte. Dies war sogar am Schabbat erlaubt (Schabbat 65a), obwohl man sonst streng darauf achtet, am Schabbat keine Heilmittel herzustellen, anzuwenden oder mit sich zu führen, wenn es nicht aus Gründen von Pikuach Nefesch, der Rettung aus Lebensgefahr, unbedingt erforderlich ist. Was allerdings auch Gesunde am Schabbat als normales Nahrungsmittel zu sich nehmen, das darf der Kranke auch, selbst wenn es einen heilenden Nebeneffekt hat, wie zum Beispiel das Eintunken von Speisen in Essig.

Schabbat Manchmal ist es aber notwendig, auch am Schabbat eine Behandlung vorzunehmen, sogar wenn es sich um ein chronisches Problem handelt.

So berichtet der Talmud, dass Rabbi Jochanan an Zafdina litt, was von verschiedenen Kommentatoren als Skorbut gedeutet wird, eine Vitamin-C-Mangelerkrankung, die unter anderem mit Zahnfleischschwund und Zahnausfall einhergeht. Er begab sich in tägliche Behandlung bei einer angesehenen nichtjüdischen Heilerin, wollte jedoch am Schabbat nicht zu ihr gehen. Deswegen erklärte sie ihm, wenn offenbar auch widerwillig, wie er das Heilmittel selbst herstellen könne.

Die Gemara erläutert in diesem Zusammenhang, dass es sich bei Zafdina um eine innere Erkrankung handle und daher Herstellung und Anwendung des Heilmittels gerechtfertigt seien, selbst wenn lediglich die Mundhöhle betroffen ist.

Davon wird abgeleitet, dass Zahnfleischprobleme wie eine innere Verletzung betrachtet werden (Avoda Sara 28a) und daher auch am Schabbat sowie an Feiertagen behandelt werden dürfen.

Interessant ist an dieser Stelle die Beschreibung der Symptome von Skorbut, unter anderem Zahnfleischbluten, und die Nennung von möglichen Ursachen, nämlich einseitiger Ernährung.

Wir wissen nicht, was genau die heilkundige Frau dem Rabbi empfohlen hat, doch beschreiben die talmudischen Weisen diverse Möglichkeiten und zeigen sich damit als aufmerksame Beobachter von Krankheiten und ihren Ursachen, auch wenn die Bedeutung von Vitaminen erst sehr viel später entdeckt wurde.

Ki Teze

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