Arbeitsschutz

Trau keinem unter 30!

Nichts für Jugendliche: Die Arbeit eines Stahlwerkers erfordert besondere Kenntnisse und Erfahrung. Foto: imago

Wie lange kann der Mensch arbeiten, wenn er älter wird? Wie lange soll er arbeiten? Im Wochenabschnitt Nasso lesen wir davon, wie die Leviten – die Familien von Gerschon, Merari und Kohath – gemustert wurden: »Von 30 Jahren an und darüber bis zum fünfzigsten Jahr sollst du sie mustern, alles was zum Dienst tüchtig ist und Arbeit beim Stiftszelt verrichten kann« (4. Buch Moses 4, 23,30,35).

Und was ist, wenn sie 50 Jahre alt sind? Gehen sie dann in Ruhestand wie Lokführer in Frankreich? Klingt nicht schlecht: Nur 20 Jahre lang im Dienst, und sie müssen nur ab und zu das Stiftszelt und einige Kultgegenstände tragen. Die Priester haben viel mehr zu tun. Für sie gibt es zahlreiche Vorschriften. Die Leviten hingegen scheinen ein echtes Beamtenleben zu genießen.

Vorsicht So einfach kann es natürlich nicht sein! Raschi erklärt zu 4. Buch Moses 4,2: »Diese sind die Männer, die fähig waren, die Sachen zu tragen. Ein Mann unter 30 Jahren hat seine volle Kraft noch nicht erreicht, wie es in Pirkej Avot 5,21 steht: ›Mit 30 hat ein Mann das Alter erreicht, in dem seine Körperkraft vollständig ist‹, und ab 50 Jahre vermindert sich seine Kraft allmählich.«

Ich selbst bin 56 und kann das leider bestätigen. Aber: War ich mit 30 wirklich stärker als mit 20? Reifer, ja. Vielleicht vorsichtiger. Und wenn es um ganz wichtige, heilige und zerbrechliche Kultgegenstände geht, dann braucht man Träger, die geduldig und zuversichtlich sind.

Die Leviten mussten heiliges Gepäck tragen – in den Händen oder auf dem Rücken. Sie benutzten keine Wagen, und auch Kamele, Maultiere oder Packesel sind nicht erwähnt. Die heiligen Vorhänge, Altäre, Lampen, Schüsseln und anderen Gegenstände durften nicht mit Tieren in Kontakt kommen.

Diener Mit 30 hatte ein Mann damals wahrscheinlich schon längst eine Familie gegründet und Kinder. Sollte also ein Arbeitsunfall passieren – Gefahren gab es durchaus – und der Mann nicht mehr in der Lage sein, Kinder zu zeugen, so hatte er zumindest für den Fortbestand seiner Familie gesorgt.
erstgeborene Im vorhergehenden Wochenabschnitt Bamidbar haben wir gelesen, wie alle Leviten gezählt und nach ihren Familien und Wohnstätten im Lager und ihren Aufgaben aufgelistet wurden (4. Buch Moses 3, 17-39). Sie sollten die Stelle der Erstgeborenen Israels einnehmen. Interessanterweise galten auch im alten Ägypten die Erstgeborenen als »heilige Diener«.

Die Söhne Kohaths sollen für die heiligen Gegenstände innerhalb des Stiftszelts verantwortlich sein (4,4). Aber die Priester, Aharon und seine Söhne, müssen zuerst alles sorgfältig abbauen und in Tücher und Felle einpacken. »Dann erst sollen die Söhne Kohaths zum Tragen herantreten, damit sie das Heilige nicht berühren und sterben« (4,15). Gott ermahnt Mosche noch einmal ausdrücklich, Sorge dafür zu tragen, dass diese Träger nicht unnötig in Gefahr geraten: »Tut das für sie, auf dass sie am Leben bleiben und nicht sterben, wenn sie sich dem Allerheiligsten nahen« (4,18-19).

Verantwortung Was können wir als verantwortungsvolle Juden daraus lernen? Es gibt Arbeit, wichtige Arbeit. Man braucht kompetente und kräftige Arbeiter dafür. Ihr Arbeitgeber trägt für sie Verantwortung. Sie dürfen keinen unnötigen Risiken ausgesetzt werden, denn sie sollen gesund bleiben und ihre Familien weiter bestehen.

Auch heilige Gemeinden tragen Verantwortung dafür, dass ihre Mitarbeiter mit Respekt behandelt werden. Und auch dafür, dass sie nicht zu lange im Amt bleiben, wenn ihre Kraft und Fähigkeit nicht mehr so ist wie früher! Ich plädiere nicht für die Rente mit 50 oder 65. Die Zeiten haben sich geändert, die Arbeit oftmals auch. Heute braucht man in vielen Berufen weniger Muskeln, aber dafür mehr Flexibilität und gute Augen. Die Leviten sind für uns ein Beispiel dafür, wie man Arbeit richtig einschätzen und die besten Menschen dafür aussuchen soll. Und auch dafür, dass niemand beschäftigt werden darf, bis er ein Greis ist.

Der Autor ist Landesrabbiner der liberalen Gemeinden von Schleswig-Holstein.

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Rosch Haschana

Jüdisches Neujahrsfest: Bischöfe rufen zu Verständigung auf

Stäblein und Koch betonten in ihrer Grußbotschaft, gerade jetzt dürfe sich niemand »wegducken angesichts von Hass und Antisemitismus«

 16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025