Talmudisches

Hillels Geduld und eine Handvoll Geld

»Es ist immer besser, Geld zu verlieren, als die Geduld.« Foto: Flash 90

Hillel ist nicht nur für seine Gelehrsamkeit und seine Liebe zum Lernen bekannt. Er war auch ein ganz besonderer Mensch, der zu seinen Mitmenschen immer freundlich war und nie zornig wurde.

Eines Tages schlossen zwei ungebildete Menschen eine Wette ab. Der eine sagte zum anderen: »Wenn es dir gelingt, Hillel zornig zu machen, dann bekommst du von mir 400 Sus.« Der andere Mann lachte. Das sei doch eine ganz leichte Aufgabe, sagte er. Falls er es nicht schaffen sollte, gäbe er gerne 400 Sus. Und so machte er sich auf den Weg zu Hillel.

Geschrei Die Geschichte trug sich an einem Freitagnachmittag zu, als alle mit den Schabbatvorbereitungen beschäftigt waren. Hillel wusch sich gerade, als er von draußen lautes Geschrei hörte. »Wo ist Hillel? Wo ist Hillel?«, brüllte der Mann, der Hillel erzürnen wollte. Hillel zog sich an, trat hinaus, begrüßte den Mann mit einem Lächeln und fragte, wie er helfen kann.

»Ich habe eine Frage«, sagte der Mann, ohne zu grüßen. »Bitte frage doch, mein Sohn«, antwortete Hillel. Er erwartete eine ganz wichtige und komplizierte Frage, denn jeder weiß, dass die Schabbatvorbereitungen eines Rabbiners nur in dringenden Fällen gestört werden dürfen. Doch der Mann fragte: »Warum haben die Babylonier so flache Schädel?«

Hillel zeigte keine Überraschung und antwortete sanft: »Mein Sohn, du hast mir eine sehr gute Frage gestellt. Die Schädel der Babylonier sind deshalb so flach, weil sie keine guten Hebammen haben. Wenn ein Kind zur Welt kommt, ist sein Schädel ganz weich, und wenn man es falsch berührt, kann es passieren, dass der Schädel flach wird.«

Ohne Dank und ohne Abschiedsgruß kehrte der Mann enttäuscht um und ging weg. Hillel kehrte zu seinen Schabbatvorbereitungen zurück.

Nach einer Stunde ertönte vor dem Haus das gleiche Geschrei: »Wo ist Hillel? Ist Hillel hier?« Hillel trat vor die Tür und begrüßte denselben Mann. »Wie kann ich dir helfen, mein Sohn?«

»Ich habe eine Frage«, sagte der Mann in seiner unhöflichen Art. Hillel antwortete: »Bitte frag, mein Sohn.«

»Warum sind die Augen der Tardumäer immer entzündet?« – »Mein Sohn«, sagte Hillel, »das ist eine hervorragende Frage, die du da stellst. Der Grund, warum die Augen der Tardumäer immer entzündet sind, liegt darin, dass sie in Gegenden wohnen, wo es viel Sand und Wind gibt. Der Sand kommt immer in ihre Augen, deswegen sind die Augen immer entzündet.«

Der Mann musste wieder gehen. Es war nicht leicht, Hillel aus der Reserve zu locken. Doch in einer Stunde kam er zum wiederholten Mal zurück. Und nochmals rief er frech nach Hillel, in der Hoffnung, ihn diesmal zu erzürnen. Doch Hillel trat erneut ganz ruhig und gelassen zu ihm hinaus und fragte: »Wie kann ich dir helfen, mein Sohn?«

»Ich habe eine Frage«, sagte der Mann.

»Nur zu, mein Sohn, nur zu«, antwortete Hillel. – »Warum sind die Füße der Afrikaner so platt?«, fragte der Mann.

»Du stellst eine gute Frage, mein Sohn«, sagte Hillel. »Afrikaner haben platte Füße, weil es in Afrika viele sumpfige Gebiete gibt. Und da die Afrikaner immer barfuß laufen, sind ihre Füße so breit.«

»Ich habe noch sehr viele weitere Fragen, die ich dir stellen will«, brüllte der Mann, »doch ich habe Angst, dich zu erzürnen.«

Hillel lächelte, setzte sich neben den Mann und sagte sanft: »Nur zu, mein Sohn, du kannst mir alle deine Fragen stellen. Ich werde versuchen, sie zu beantworten.«

Da wurde der Mann zornig und fragte: »Bist du der Hillel, dem man den Titel Nassi (Fürst) verliehen hat?« »Der bin ich«, antwortete Hillel.

»Wenn du dieser Mann bist, dann wünsche ich, dass es nicht so viele wie dich in Israel gibt. Denn deinetwegen habe ich gerade 400 Sus verloren!«

Hillel antwortete: »Es ist immer besser, Geld zu verlieren, als die Geduld.«

Wajera

Awrahams Vermächtnis

Was wir vom biblischen Patriarchen über die Heiligkeit des Lebens lernen können

von Rabbiner Avraham Radbil  07.11.2025

Talmudisches

Rabbi Meirs Befürchtung

Über die falsche Annahme, die Brachot, die vor und nach der Lesung gesprochen werden, stünden im Text der Tora

von Yizhak Ahren  07.11.2025

Festakt

Ministerin Prien: Frauen in religiösen Ämtern sind wichtiges Vorbild

In Berlin sind zwei neue Rabbinerinnen ordiniert worden

 06.11.2025

Chassidismus

Im Sturm der Datenflut

Was schon Rabbi Nachman über Künstliche Intelligenz wusste

von Rabbiner David Kraus  06.11.2025

Rezension

Orthodoxer Rebell

Sein Denken war so radikal, dass seine Werke nur zensiert erschienen: Ein neues Buch widmet sich den Thesen von Rabbiner Kook

von Rabbiner Igor Mendel  06.11.2025

Potsdam

Abraham-Geiger-Kolleg ordiniert zwei Rabbinerinnen

In Deutschlands größter Synagoge Rykestraße in Berlin-Prenzlauer Berg werden an diesem Donnerstag zwei Rabbinerinnen ordiniert. Zu der Feier wird auch Polit-Prominenz erwartet

 05.11.2025

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 02.11.2025

Lech Lecha

Im Sinne der Gerechtigkeit

Awraham war der Erste in der Menschheitsgeschichte, der gegen das Böse aufstand

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  31.10.2025