Feiertage

Die Doppel-Party

Simchat Tora an der Kotel in Jerusalem Foto: Flash 90

Feiertage

Die Doppel-Party

Schemini Azeret markiert das Ende von Sukkot – und an Simchat Tora freuen wir uns über den Abschluss der jährlichen Toralesung

von Rabbiner Raphael Evers  05.10.2023 21:59 Uhr

Der achte Tag von Sukkot heißt Schemini Azeret, wörtlich: der achte Tag, das Abschlussfest. Dieser Feiertag wird – fälschlicherweise – oft als Teil von Sukkot angesehen. In der Tora heißt es im 4. Buch Mose 29 und im 5. Buch Mose 35: »Am achten Tag sollst du eine festliche Versammlung abhalten.«

Sukkot erinnert uns an den Schutz Gʼttes während der 40-jährigen Reise durch die Wüste. Aber Sukkot hat auch eine Bedeutung für Nichtjuden, denn es werden 70 Opfer zugunsten von 70 Völkern dargebracht.
Das Abschlussfest von Sukkot wird Schemini Azeret genannt. Dennoch ist es ein eigenständiger Feiertag: Einen Tag lang will Gʼtt ganz allein mit dem jüdischen Volk sein.

Aufmerksamkeit Es ist ein kurzes »Eins-zu-Eins« mit Haschem. Der Allmächtige möchte dem auserwählten Volk für einen Moment seine exklusive Aufmerksamkeit schenken und uns Kraft für die Winterzeit wünschen, in der es nur wenige Tage der Begegnung mit Ihm gibt.

In Israel wird Schemini Azeret nur am 22. Tischri gefeiert, der in diesem Jahr auf den 7. Oktober fällt. Außerhalb Israels jedoch wird es zwei Tage lang, am 22. und 23. Tischri, gefeiert (dieses Jahr am 7. und 8. Oktober). In der Diaspora fällt der zweite Tag von Schemini Azeret mit Simchat Tora, dem Torafreudenfest, zusammen. In Israel dagegen wird Simchat Tora zusammen mit dem Fest Schemini Azeret am selben Tag begangen.

Viele Menschen außerhalb Israels essen an Schemini Azeret immer noch in der Sukka. Am Morgen wird das sehr feierliche und ernste Gebet für Regen gesprochen, bei dem der Chasan während des Gʼttesdienstes einen Kittel (Totenkleid) trägt, und am Abend verabschieden wir uns von der Sukka.

Freudenfest Wir sprechen das Trauergebet Jiskor, gedenken der Toten und versprechen Zedaka (Wohltätigkeit). Für den ersten Tag gibt es in der Tora ein eigenes Gebot: »Vesamachta bechagecha« – Freu dich an deinem Fest! Es ist deshalb besser, das Freudenfest mit der Tora erst am zweiten Tag zu feiern.

An Simchat Tora feiern wir, dass wir die Tora in vollem Umfang gelernt haben, also den Lesezyklus eines gesamten Jahres abgeschlossen haben. Es ist ein Brauch, die Torarollen aus der heiligen Lade zu nehmen und sie in einer »Hakafot«-Prozession siebenmal um die Bima, das Tora-Vorlesepult, zu tragen. Dabei wird ausgelassen gesungen und getanzt. Alle Kinder erhalten viele Süßigkeiten, werden zusammen mit dem letzten Erwachsenen aufgerufen und erhalten einen besonderen Segen unter einem großen Tallit (Gebetsmantel). Wir haben jetzt eine andere Quelle der Freude: die Tora.

Außerhalb Israels gibt es, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit, die beiden Ereignisse zeitlich voneinander zu trennen. Doch warum feiern wir Simchat Tora in Israel am achten Tag und außerhalb Israels am neunten Tag?

Ernsthaftigkeit Hierfür gibt es mehrere Gründe. In Israel dauert Schemini Azeret nur einen Tag. Deshalb haben wir keine andere Wahl: Wir müssen die Ernsthaftigkeit des achten Tages von Sukkot – das Jiskor und das Gebet um Regen – mit Simchat Tora verbinden.

Zudem wird in Israel alles beschleunigt. Anders als außerhalb Israels brauchen wir hier nur einen Tag für den Jom Tow, den Feiertag, um genügend Inspiration für das ganze Jahr zu bekommen. Die Heiligkeit Israels garantiert einen gleitenden Übergang von Ernsthaftigkeit zu Freude (Simcha).

Schließlich bedeutet Azeret »Abschlussfest«. Nach der körperlichen Befreiung aus Ägypten haben wir als Abschluss an Schawuot die Tora empfangen, aber aus einem Gefühl der Ehrfurcht vor Gʼtt. Nach der beschützten Wüstenreise und Sukkot empfangen wir nun die Tora erneut, aber jetzt aus Liebe und Freude. Wir brauchen beide Emotionen für eine wirkliche jüdische Erfahrung. Deshalb passen sie alle in einen Tag. »Sich in Ehrfurcht zu freuen«, das fällt in Israel viel leichter.

Der Autor war Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf und lebt heute in Israel.

Talmudisches

Gift

Was unsere Weisen über die verborgenen Gefahren und Heilkräfte in unseren Speisen lehren

von Rabbinerin Yael Deusel  20.11.2025

Jan Feldmann

Eine Revolution namens Schabbat

Wir alle brauchen einen Schabbat. Selbst dann, wenn wir nicht religiös sind

von Jan Feldmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

USA

6500 Rabbiner auf einem Foto

»Kinus Hashluchim«: Das jährliche Treffen der weltweiten Gesandten von Chabad Lubawitsch endete am Sonntag in New York

 17.11.2025

Talmudisches

Torastudium oder weltliche Arbeit?

Was unsere Weisen über das rechte Maß zwischen Geist und Alltag lehren

von Detlef David Kauschke  14.11.2025

Chaje Sara

Bewusster leben

Sara hat gezeigt, dass jeder Moment zählt. Sogar ihr Schlaf diente einem höheren Ziel

von Samuel Kantorovych  13.11.2025

Spurensuche

Von Moses zu Moses zu Reuven

Vor 75 Jahren starb Rabbiner Reuven Agushewitz. Er verfasste religionsphilosophische Abhandlungen mit einer Intensität, die an Maimonides und Moses Mendelssohn erinnert. Wer war dieser Mann?

von Richard Blättel  13.11.2025

Wajera

Awrahams Vermächtnis

Was wir vom biblischen Patriarchen über die Heiligkeit des Lebens lernen können

von Rabbiner Avraham Radbil  07.11.2025