Göttingen

Zentralrat der Juden protestiert gegen Ehrung

Demonstranten der »Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost« in Berlin (2015) Foto: dpa

Nach Kritik des Zentralrates der Juden in Deutschland an der Vergabe des Göttinger Friedenspreises 2019 an den Verein »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« hat Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD) empfohlen, die Preisverleihung zunächst auszusetzen. Er reagierte damit auf ein Schreiben des Zentralratspräsidenten Josef Schuster.

Danach ist der Verein »Jüdische Stimme« ein »aktiver Unterstützer von Veranstaltungen der gegen Israel gerichteten Boykottbewegung BDS (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen)«. Über einen entsprechenden Brief Schusters an Köhler hatte das »RedaktionsNetzwerk Deutschland« am Donnerstag berichtet.

REPUTATION Es sei aus seiner, Köhlers, Sicht erforderlich, den Antisemitismusvorwurf gegen den Preisträger »vor allem in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der BDS-Bewegung eindeutig auszuräumen oder anderenfalls von der Preisverleihung abzusehen«, heißt es in einem Brief Köhlers vom Donnerstag an die Stiftung Dr. Roland Röhl.

Die Stoßrichtung der BDS-Bewegung sei »unzweifelhaft antisemitisch«, betont Schuster.

Köhler ist als Repräsentant der Stadt Mitglied im Kuratorium der Stiftung, die den Göttinger Friedenspreis seit 1999 verleiht. Er sehe es als seine Pflicht an, »einen möglichen Reputationsverlust der Stiftung Dr. Roland Röhl und des Göttinger Friedenspreises zu vermeiden«, sagte Köhler.

Schuster warf der BDS-Kampagne vor, zum Boykott israelischer Künstler, Wissenschaftler oder Unternehmer aufzurufen. »Sie ist damit keine Bewegung, deren Kritik sich an der Politik der israelischen Regierung entzündet.« Die Boykotte richteten sich vielmehr gegen alle in Israel lebenden Menschen. Die Stoßrichtung der BDS-Bewegung sei »unzweifelhaft antisemitisch«.

ENTSCHLOSSENHEIT Er erwarte von einem »Oberbürgermeister einer mittelgroßen deutschen Stadt ein entschlossenes Vorgehen gegen jeden Antisemitismus«, schreibt Schuster. Köhler solle sich von der Preisverleihung an den Verein distanzieren »und dafür Sorge tragen, dass diese Entscheidung revidiert« werde: »Die Auszeichnung einer Initiative, die eine gegen Juden gerichtete Boykott-Initiative unterstützt, ist nicht nur des Göttinger Friedenspreises unwürdig, es ist darüber hinaus ein Schlag ins Gesicht der gesamten jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und Israel.«

Die Jury des Göttinger Friedenspreises hält ungeachtet von Antisemitismus-Vorwürfen gegen den diesjährigen Preisträger an der Auszeichnung fest. Die Preisverleihung erfolge wie geplant am 9. März in einer öffentlichen Feier, sagte der Jury-Vorsitzende Andreas Zumach am Donnerstag.

Ausweislich der Satzung der Stiftung Dr. Roland Röhl, die den Friedenspreis seit 1999 vergibt, sei die Jury allein verantwortlich für die Entscheidung über den jährlichen Preisträger, betonte Zumach. Die Entscheidung der Jury sei »unanfechtbar«. Die Mitglieder von Vorstand, Kuratorium, Beirat oder Organisationskomitee der Stiftung seien nicht für die Auswahl des Preisträgers verantwortlich: »Alle Versuche, sie oder andere Personen zu einer Revision der Jury-Entscheidung zu bewegen, sind daher zwecklos.«

Er selbst halte die weit verbreitete pauschale Aussage »BDS ist antisemitisch« für falsch. Für diese angebliche Behauptung liege bis heute kein belastbarer wissenschaftlicher Beweis vor.

ENGAGEMENT Die Göttinger Stiftung Dr. Roland Röhl hatte Anfang Februar bekanntgegeben, dass der diesjährige Friedenspreis an den Verein »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« vergeben wird. »Die Jüdische Stimme wird für ihr unermüdliches Engagement geehrt, eine gerechte Friedenslösung zwischen zwei souveränen Nachbarstaaten anstreben und erreichen zu können«, hieß es zur Begründung.

Die Auszeichnung ist für die jüdische Gemeinschaft ein Schlag ins Gesicht, hob der Zentralrat hervor.

Der Verein wurde 2003 als deutsche Sektion des Verbands »European Jews for a Just Peace (EJJP)« ins Leben gerufen. Die Stiftung kündigte für Donnerstagnachmittag eine Stellungnahme zu den Vorwürfen Schusters an. Der Göttinger Friedenspreis soll am 9. März übergeben werden.

Frühere Preisträger waren unter anderem die Organisation »Pro Asyl«, der SPD-Politiker Egon Bahr, das Theaterkollektiv »boat people projekt« sowie die die Journalistenorganisation »Reporter ohne Grenzen«. Im vergangenen Jahr wurden der Liedermacher Konstantin Wecker und die Redaktion der Zeitschrift Wissenschaft & Frieden ausgezeichnet.  epd/ja

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Gastbeitrag

Kein Ende in Sicht

Der Antisemitismus ist in den vergangenen zwei Jahren eskaliert. Wer jetzt glaubt, dass es eine Rückkehr zum Status vor dem 7. Oktober 2023 gibt, macht es sich zu leicht. Denn auch vor dem »Schwarzen Schabbat« trat der Antisemitismus zunehmend gewaltvoller und offener zutage

von Katrin Göring-Eckardt, Marlene Schönberger, Omid Nouripour  13.11.2025

Israel

Altkanzlerin Merkel besucht Orte der Massaker

Angela Merkel besuchte den Ort des Nova-Festivals und den Kibbuz Nahal Oz

 13.11.2025

Schleswig-Holstein

Polizei nimmt weiteren Hamas-Terroristen fest

Mahmoud Z. soll ein Sturmgewehr, acht Pistolen und mehr als 600 Schuss Munition für Anschläge gegen jüdische und israelische Einrichtungen organisiert haben

 13.11.2025

Berlin

Israelfeindliche Aktivisten klettern auf Brandenburger Tor

Oben angelangt entrollten sie ein Banner, auf dem sie Israel Völkermord vorwarfen

 13.11.2025

Diplomatie

Israel drängt Merz auf Ende des Teilwaffenembargos

Der Bundeskanzler hatte am 8. August angeordnet, keine Güter auszuführen, die im Krieg gegen die Hamas verwendet werden könnten

 13.11.2025

Entscheidung

Waffen an Israel: Berliner Gericht weist Klagen ab

Sechs überwiegend in Gaza wohnende Personen klagten in zwei Fällen gegen deutsche Waffenlieferungen an Israel. Das Berliner Verwaltungsgericht sieht die Klagen als unzulässig an

 13.11.2025

Interview

»Wir müssen viel mehr für die Rückführung von Antisemiten tun«

Der Bundestagsabgeordnete Johannes Volkmann (CDU) über den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland, die zögerliche Reaktion der Politik und Abschiebungen als Gefahrenabwehr

von Joshua Schultheis  13.11.2025

Berlin

Wegner setzt im Fördermittelstreit auf Aufklärung

»Es sind Vorwürfe im Raum, die muss man sich genau anschauen. Und dann werden wir gegebenenfalls, wenn es notwendig ist, die richtigen Konsequenzen ziehen«, betont der Regierende Bürgermeister

 12.11.2025