Medien

Zeitung druckt Bibelzitat mit Befehl zur Judenvernichtung

Ein bunter Stapel gefalteter Zeitungen Foto: picture alliance / Zoonar

Der »Bayerwald-Bote«, eine der Lokalausgaben der »Passauer Neuen Presse«, hat seine Rubrik »Aus dem Buch der Bücher« abgeschafft – in Reaktion auf Kritik an einem Bibelzitat, das im Lokalteil für die Stadt Regen in der Ausgabe vom 6. Oktober unkommentiert abgedruckt wurde. Online erschien die Ausgabe bereits am 5. Oktober und damit an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag.

In der zitierten Passage aus dem Buch Esther (3,7–15), in dem es um die erfolgreiche Abwendung eines Genozids an den Juden im antiken persischen Reich geht, heißt es: »Durch Eilboten sandte man das Schreiben an alle königlichen Provinzen mit dem Befehl: Man solle alle Juden, vom Knaben bis zum Greis, kleine Kinder und Frauen, an einem einzigen Tag ausrotten ... und ... ihren Besitz plündern.«

Kritik Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Marlene Schönberger, die in ihrer Fraktion für das Thema Antisemitismusbekämpfung zuständig ist, kritisierte in den sozialen Medien daraufhin die Auswahl des Zitats. Gegenüber der Jüdischen Allgemeinen sagte sie: »Ohne den richtigen Kontext drückt der Text einfach eine antisemitische Vernichtungsfantasie aus.« Sie könne sich nicht vorstellen, wie das in der Redaktion des Bayerwald-Boten habe übersehen werden können. Für besonders problematisch halte sie zudem, dass das Zitat ausgerechnet an Jom Kippur veröffentlicht wurde.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

In einer Mail an den verantwortlichen Redakteur des Regionalteils Regen schrieb Schönberger, das Bibelzitat habe »bei vielen Menschen zu Recht für großes Entsetzen gesorgt«. Sie forderte eine öffentliche Klarstellung, »wie es zu dem Vorfall kam«, sowie eine Entschuldigung, »insbesondere bei Ihren jüdischen Leser*innen«.

Mindestens ein Leser des Bayerwald-Boten meldete sich empört bei der Redaktion in Regen. Dort würden offenbar »antisemitische Vernichtungsphantasien gegenüber Jüdinnen und Juden ohne Kontextualisierung oder Einordnung abgedruckt«. Es mache fassungslos, »dass redaktionsintern die Reproduktion antisemitischer Vernichtungsabsichten keinen Widerspruch findet«, schrieb der Leser. Der Bayerwald-Bote druckte die Zuschrift ab.

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Bayern wurde ebenfalls auf den Fall aufmerksam.

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Bayern wurde ebenfalls auf den Fall aufmerksam. »Einen Auszug aus dem Buch Esther ohne Kontext, und damit den Vernichtungsaufruf, als ›Tageszitat‹ zu drucken«, mache fassungslos, schrieb RIAS-Bayern-Leiterin Annette Seidel-Arpaci auf Facebook. Auf Anfrage dieser Zeitung erläuterte ein Mitarbeiter von RIAS, dass der Abdruck des Zitats zweifelsohne »eine antisemitische Wirkung« habe, »aus operativen Gründen« aber Presseerzeugnisse ohne direkte Adressierung nicht offiziell als antisemitischer Vorfall registriert würden.

Entschuldigung Die Redaktion des Bayerwald-Boten hat mittlerweile auf die Kritik reagiert und eine Stellungnahme im eigenen Medium veröffentlicht. »Die Besorgnis wegen des (nicht eingeordneten) Zitats ist berechtigt«, heißt es darin. Seit 35 Jahren drucke man täglich ein Bibelzitat aus dem Kalender der Stiftung »Haus der action 365«. Diese seien normalerweise mit einem Kommentar versehen. »Ausgerechnet beim Spruch für den 6. Oktober fehlt im Kalender der action 365 die entsprechende Einordnung«, heißt es in dem Statement. Es sei »eine absolute Nachlässigkeit der Redaktion, dies nicht bemerkt zu haben«. Man bitte »um Entschuldigung«.

Gegenüber der Jüdischen Allgemeinen sagte ein Redakteur des Bayerwald-Boten zudem, man habe »auf Anraten der Chefredaktion der Passauer Neuen Presse den Vorfall zum Anlass genommen, die tägliche Rubrik ›Aus dem Buch der Bücher‹ einzustellen«.

»Ich hoffe, dass dieser Vorfall für das Thema Antisemitismus sensibilisiert hat.«

Marlene schönberger, Bundestagsabgeordnete (grüne)

Eine Anfrage beim Verlag der Stiftung »Haus der action 365« ergab, dass dort vor dem Vorfall nicht bekannt war, dass die Bibelzitate des Kalenders durch den Bayerwald-Boten auf diese Weise genutzt werden. In dem Kalender wird das Zitat über den Befehl zur Judenvernichtung zwar nicht kommentiert, steht aber im Kontext der gesamten Esther-Geschichte. Der Eindruck, der Bezug auf das Zitat könne affirmativ gemeint sein, entsteht auf diese Weise nicht.

Die Grünen-Abgeordnete Schönberger wünscht sich, dass die laute Kritik an dem Umgang mit dem Bibelzitat zu einem Lerneffekt führt: »Ich hoffe, dass dieser Vorfall für das Thema Antisemitismus sensibilisiert hat.«

Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees

Marian Turski ist gestorben

Noch Ende Januar mahnte Turski: »Unsere Tage, die der Überlebenden, sind gezählt: Aber wir werden nicht verstummen, wenn Sie, Sie alle nicht schweigen.«

 18.02.2025

Ukraine

»Sie haben uns von allem befreit«

Wie haben sich drei Jahre Krieg auf die Juden in der Ukraine ausgewirkt?

von Michael Gold  18.02.2025

Interview

Haben Sie genug für Israel und für Juden in Deutschland getan, Herr Bundeskanzler?

Olaf Scholz (SPD) über die deutsche Staatsräson, seine Grünen-Koalitionspartner und die Bilanz der Ampel-Regierung bei jüdischen Themen

von Mascha Malburg, Philipp Peyman Engel  18.02.2025

KZ-Gedenkstätte Buchenwald

Mehr Gegenstände aus Menschenhaut

Verstörende Erkenntnisse des Kriminalbiologen Mark Benecke im früheren Konzentrationslager

 18.02.2025

Nahost

Tausende erinnern an Schicksal der Hamas-Geiseln

Die Menschen demonstrieren für die seit 500 Tagen im Gazastreifen leidenden Verschleppten. Einer, der erst kürzlich die Freiheit wiedergewann, sagt: Viel Zeit haben die anderen nicht mehr

 18.02.2025

Interview

»Wir müssen die Probleme lösen, die die AfD groß gemacht haben«

Christian Lindner über Abstimmungen mit der AfD, deutsche Finanzhilfen an die Palästinenser und Renten für Schoa-Überlebende

 17.02.2025

Bundestagswahl

Schuster: Jüdisches Leben wäre durch AfD-Regierung bedroht

Auch das europäische Ausland blickt gespannt auf die Wahl in Deutschland. Was eine Machtbeteiligung der AfD für jüdisches Leben bedeuten könnte, hat jetzt Zentralratspräsident Schuster in Italien gesagt

von Ludwig Ring-Eifel  17.02.2025

Bundestagswahl

»Die Bürger haben ihr Urteil über die Ampel längst gefällt«

Der Wahlforscher Stefan Merz von Infratest dimap über die Stimmungslage eine Woche vor der Bundestagswahl

von Michael Thaidigsmann  17.02.2025

Bundestagswahl

Zentralrat der Juden mahnt zur Kompromissfähigkeit

Josef Schuster schreibt der kommenden Legislaturperiode des Bundestags »eine Schlüsselrolle für unsere Demokratie« zu

 17.02.2025