Essen

»Wir sind schockiert«

Schalwa Chemsuraschwili

Essen

»Wir sind schockiert«

Schalwa Chemsuraschwili über den Anschlag auf das Rabbinerhaus und den Umgang der Justiz mit Antisemitismus

von Tobias Kühn  24.11.2022 12:35 Uhr

Herr Chemsuraschwili, in der vergangenen Woche sind auf das Rabbinerhaus an der Alten Synagoge Essen vier Schüsse abgegeben worden. Wie geht es Ihrer Gemeinde nach dem Anschlag?
Wir sind schockiert, dass so etwas passieren kann – dass jemand mitten im Stadtzentrum mit einer scharfen Waffe auf eine jüdische Einrichtung schießt! Die Alte Synagoge ist zwar heute ein Museum, und wir nutzen sie nur selten, aber wir sind schockiert.

Fühlen Sie sich eingeschüchtert?
Wir wissen, dass jüdische Einrichtungen gefährdet sind, deshalb müssen wir aufpassen. Aber eingeschüchtert bin ich persönlich nicht, und ich hoffe, dass sich auch unsere Gemeindemitglieder nicht einschüchtern lassen. Jedoch mache ich mir durchaus Sorgen, dass sie jetzt Angst haben, in die Gemeinde zu kommen, und lieber zu Hause bleiben.

Die Alte Synagoge liegt etwa einen Kilometer von der neuen Synagoge entfernt, wo Ihre Gemeinde heute betet. Auch dort wurden Beschädigungen festgestellt.
Ja, auf der Kuppel wurden zwei Löcher entdeckt. Die müssen etwas älter sein, mindestens acht Wochen. Ballistiker und Kriminalisten untersuchen das jetzt und werden uns bald sagen, ob es Einschuss­löcher sind oder etwas anderes.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Polizei?
Hervorragend! Am Freitag war der Staatsschutz bei uns in der Gemeinde und hat mit mir gesprochen. Auch der Polizeipräsident war bei uns, hat uns die Lage erklärt und sofort die Sicherheitsmaßnahmen für unsere Synagoge erhöht.

Fühlen Sie sich jetzt ausreichend geschützt?
Ja – doch 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht. Ich habe aber den Eindruck, dass alles, was aus polizeilicher Sicht möglich ist, auch getan wird.

Wie sind die Reaktionen aus der Stadt­gesellschaft?
Wir haben viele Solidaritätsbekundungen bekommen, vor allem von Kirchengemeinden und Privatpersonen, und es gab eine Mahnwache an der Alten Synagoge. Wir fühlen eine starke moralische Unterstützung.

In letzter Zeit häufen sich in Deutschland Anschläge auf jüdische Einrichtungen. Was erwarten Sie von Politik und Justiz?
Der Kampf gegen Antisemitismus muss verstärkt werden, und jüdische Einrichtungen brauchen einen noch besseren Schutz. Vor allem wünsche ich mir, dass die Justiz antisemitische Taten nicht verharmlost. Wenn eine Synagoge angegriffen wird, dann ist das Antisemitismus und keine anti-
israelische Tat oder Ähnliches. Das Kind muss beim Namen genannt werden! Und wenn die Täter gefasst werden, müssen sie zu entsprechend hohen Freiheitsstrafen verurteilt werden, damit es abschreckend wirkt.

Mit dem Vorstand der Jüdischen Kultus-Gemeinde Essen sprach Tobias Kühn.

Deutschland

Shahak Shapira »superverbittert« über Antisemitismus

Shahak Shapira spricht offen über seinen Frust angesichts von Antisemitismus in Deutschland – und wie er mit politischer Comedy darauf reagiert

 29.12.2025

Analyse

Warum die Anerkennung Somalilands so viel Aufsehen erregt

Das kleine Land am Horn von Afrika hat plötzlich eine große geopolitische Bedeutung. Dafür gibt es gute Gründe

von Ralf Balke  29.12.2025

Kommentar

Wer Glaubenssymbole angreift, will Gläubige angreifen

Egal ob abgerissene Mesusot, beschmierte Moscheen oder verwüstete Kirchen: Politik und Religion werden zurzeit wieder zu einem hochexplosiven Gemisch. Dabei sollte man beides streng trennen

 29.12.2025

Großbritannien

Freigelassener Demokratie-Aktivist rief zum Mord an »Zionisten« auf

Der Brite Alaa Abdel Fattah galt als Held der ägyptischen Demokratiebewegung. Doch nach seiner Freilassung und Ankunft in London kamen judenfeindliche Tweets ans Licht. Jetzt wird seine Abschiebung gefordert

von Christoph Meyer, Johannes Sadek  29.12.2025

Teheran

Iran schießt mit russischer Hilfe drei Satelliten ins All

Im Mullah-Staat machen Gerüchte über einen möglichen neuen Militärkonflikt mit Israel die Runde. Mit Raumfahrtprojekten will das Land Stärke demonstrieren

 28.12.2025

Berlin

Mehr Demonstrationen mit Nahost-Bezug

Auf den Straßen der Hauptstadt ist 2025 weniger demonstriert worden, die Kundgebungen mit Bezug zum Nahen Osten haben jedoch zugenommen

 28.12.2025

Berlin

»Jeder sollte sich überlegen, ob er mit dem Teufel ins Bett geht«

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hält Koalitionen mit der AfD auf Länderebene für gefährlich

 27.12.2025

Genua

Italien geht gegen mutmaßliches Hamas-Netzwerk vor

Die Ermittler decken ein Netzwerk zur Unterstützung der islamistischen Terrororganisation auf

 27.12.2025

Berlin

Wadephul: Keine deutsche Beteiligung an Gaza-Stabilisierungstruppe

Er sei dafür, »dass Deutschland eine vermittelnde Rolle einnimmt, um der Sicherheit Israels Rechnung zu tragen«, so der Außenminister

 26.12.2025