Interview

»Wir rufen nicht zur Rache auf«

Hadassa Halpern Foto: Gregor Zielke

Interview

»Wir rufen nicht zur Rache auf«

Hadassa Halpern über ein Todesopfer in ihrer Familie beim Anschlag auf die Synagoge in Jerusalem

von Ayala Goldmann  17.11.2014 21:01 Uhr

Frau Halpern, Sie haben einen Angehörigen bei dem Anschlag auf die Synagoge in Har Nof in Jerusalem verloren. Wer ist das Opfer, das Ihre Familie zu beklagen hat?
Es ist Rabbiner Mosche Twersky aus Boston, der Onkel meines Schwagers in Jerusalem. Er war 59, Leiter der Jeshiwas Toras Moshe, und hatte eine große Familie, wie die drei anderen Ermordeten auch. An diesem Dienstag sind 26 Kinder in Jerusalem zu Halbwaisen geworden.

Wie hat Ihre Familie in Jerusalem diesen Tag erlebt?
Nicht nur für meine Schwester und meinen Schwager, sondern auch für meinen jüngeren Bruder war es sehr schwer. Er ist erst 19 Jahre alt und lernt in einer Jeschiwa, zwei Häuser von der Synagoge entfernt, in der die Beter beim Morgengottesdienst überfallen wurden. Er hat die Schüsse gehört und ist mit den anderen Studenten nach draußen gerannt. Er hat gesehen, wie die Terroristen geschossen haben. Er ist völlig erschüttert. Meine Tante ist Notärztin, sie war eine der Ersten am Tatort und hat die Rettungsaktionen koordiniert. Mein Bruder erzählte mir, dass sie blutüberströmt umherlief und ihren Mann suchte. Sie wusste ja, dass er seit zehn Jahren in dem Minjan betet. Sie hat Rabbiner Twersky verzweifelt gesucht, bis klar wurde, dass er tot ist. Das alles trifft uns bis ins Mark.

Wie werden Ihre Angehörigen damit fertig?
Die Menschen in Israel sind sehr stark in solchen Situationen. Am Morgen nach dem Anschlag war alles still. Am Nachmittag waren die Beerdigungen, und die Straßen waren wieder voll. Das Leben muss weitergehen. Als Juden müssen wir versuchen, in allem einen Sinn zu sehen und die Welt besser zu machen.

Haben Sie von Rufen nach Rache gehört?
Nein. Wir sind gläubige Menschen. Wir glauben, dass Gott für alles einen Plan hat, auch wenn wir ihn nicht verstehen. Wir müssen das akzeptieren, auch wenn es noch so schmerzhaft ist. Die Menschen in der Synagoge wurden brutal ermordet, mitten im Gebet, eingehüllt in Tallit und Tefillin. Wir wollen nicht zur Rache oder zum Mord an Arabern aufrufen. Wir wollen nur in Frieden leben, in Ruhe beten und unsere Kinder zur Schule schicken, ohne verletzt oder getötet zu werden.

Wann waren Sie das letzte Mal in Jerusalem?
Vor eineinhalb Jahren. Aber wir haben dort fünf Jahre gelebt. Die Situation in der Stadt wird immer schlimmer, es ist sehr beängstigend. Die Geheimdienste können keine Angreifer stoppen, die mit Messern unterwegs sind oder Passanten überfahren. Es scheint alles immer näher zu kommen. Wenn man im Ausland lebt, fürchtet man sogar mehr um die Menschen in Israel, als sie selbst Angst haben.

Was sollten israelische und palästinensische Politiker in dieser Situation tun?
Dazu möchte ich nichts sagen. Nur so viel: Was mir am meisten wehtut, sind Menschen, die über solche Anschläge jubeln. Wir können nicht mit Leuten verhandeln, die den Tod feiern. Wir feiern das Leben.

Mit der Direktorin des Eshet-Chayil-Programms des Rabbinerseminars zu Berlin sprach Ayala Goldmann.

Luftfahrtmesse

Frankreich schließt israelische Stände

Die Betreiber sollen entgegen der Auflagen Angriffswaffen ausgestellt haben

 17.06.2025

Israel

Zweiter Evakuierungsflug nach Deutschland am Donnerstag

Am Mittwoch fliegt die Bundesregierung per Chartermaschine erstmals seit Kriegsbeginn Ausreisewillige aus Israel von Jordanien aus in die Heimat. Es soll nicht der einzige Flug bleiben

 17.06.2025

Nahost

Karin Prien: Iran einer der schlimmsten Schurkenstaaten

Die Bundesbildungsministerin mit jüdischem Familienhintergrund betont mit Blick auf den Krieg in Nahost Israels Recht auf Selbstverteidigung. Sie nennt den Iran ein »verbrecherisches System«

 17.06.2025

Kommentar

Der »Spiegel«, Israel und das Völkerrecht

Deutschland dürfe »nicht erneut« zu Israels Angriffen schweigen, fordert Thore Schröder in einem Artikel. Wenn es um den jüdischen Staat geht, hat Realitätsverweigerung bei dem Hamburger Magazin System

von Ralf Balke  17.06.2025

Angriffe gegen Mullah-Regime

Merz: Israel macht im Iran »die Drecksarbeit für uns alle«

Der Bundeskanzler wurde bei einem Auftritt im ZDF ungewöhnlich deutlich

 17.06.2025

Washington D.C.

Trump will »echtes Ende« für iranisches Atomprogramm

Der Iran hätte den bisherigen Verhandlungsvorschlag annehmen sollen, schreibt der US-Präsident

 17.06.2025

Judenhass in Brandenburg

Hausverbot für Juden und Israelis

Die Polizei ermittelt Geschäften »Yörük I« und »Yörük II« in Brandenburg

 17.06.2025

Calgary/Washington D.C.

Trump offen für Putin als Vermittler in Israel-Iran-Krieg

Wladimir Putin führt seit 2022 einen Eroberungskrieg gegen die Ukraine. Nun bietet sich der Aggressor selbst als Friedensstifter im Konflikt zwischen Israel und dem Terrorsponsor Iran an. Einer hält die Idee für gut

 17.06.2025

Berlin

Deutsch-Israelische Literaturtage abgesagt

Der Krieg zwischen Israel und Iran erreicht das Berliner Kulturprogramm

 17.06.2025