Erinnerung

Wichtige Rolle für Nachkommen von Überlebenden

Ernst Grube, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau (Archiv) Foto: imago

Bei der Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit können nach Ansicht der Politikwissenschaftlerin Elke Gryglewski auch die Nachkommen von KZ-Überlebenden eine wichtige Rolle spielen.

AUSWIRKUNGEN Besonders für junge Menschen sei es sehr eindrücklich, wie es für jemanden war, mit einem Vater oder einer Mutter aufzuwachsen, die den Horror von Verfolgung und Haft erlebt haben. »Das macht deutlich, die Geschichte hat heute noch Auswirkungen«, sagte die künftige Leiterin der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Gryglewski leitet die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin kommissarisch und tritt zum Januar 2021 an die Spitze der Stiftung in Celle, zu der auch die Gedenkstätte Bergen-Belsen gehört. Noch gebe es vergleichsweise viele Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die das Konzentrationslager Bergen-Belsen als Kind überlebt hätten, sagte sie. Wichtig sei es, Begegnungen mit ihnen zu ermöglichen: »Die Lücke, die sie hinterlassen werden, wird sich nicht schließen lassen.«

MECHANISMEN In der Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte sei es zudem zentral, sich mit den Strukturen und Mechanismen auseinanderzusetzen, die eine systematische Ausgrenzung von Menschen überhaupt erst möglich gemacht hätten, betonte Gryglewski. Es gelte zu verstehen, warum Bürger in ihren Nachbarn auf einmal die »Anderen« gesehen hätten.

Wenn in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie Veranstaltungen ausfallen müssen, mit denen Initiativen an die Reichspogromnacht vom 9. November 1938 erinnern, werde damit ein Teil der Gedenkkultur weniger sichtbar, sagte sie. In der Reichspogromnacht wurden Synagogen in Brand gesetzt, jüdische Geschäfte und Wohnungen verwüstet und jüdische Bürger misshandelt und getötet. Daran erinnern zum Beispiel Mahnwege entlang von Stolpersteinen, die vor den letzten Wohnorten von Opfern verlegt wurden.

DIGITALE FORMATE Vielerorts seien in diesem Jahr auch digitale Formate des Gedenkens entwickelt worden, die durchaus auf Interesse stießen, erläuterte die Politikwissenschaftlerin. Zu den Jahrestagen der Befreiung der Konzentrationslager hätten gerade viele junge Menschen die Beiträge abgerufen: »Zuhause am Computer klicke ich das vielleicht eher an, als dass ich mich auf den Weg zu einer Veranstaltung mache.«

Allerdings hätten die Gedenkveranstaltungen auch etwas Verbindendes, was nun verloren gehe. In einer Zeit, in der Vertreter der AfD eine 180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur forderten, gebe das gemeinsame Gedenken Rückhalt. »Dabei gibt es immer wieder auch neue Gesichter«, sagte Gryglewski. »Wir beobachten nicht, dass die Veranstaltungen kleiner werden.«

Gryglewski bezeichnete es als sinnvoll, wenn Jugendliche im Laufe ihrer Schulzeit eine Gedenkstätte besuchen. Die große Mehrheit habe daran auch ein Interesse. Allerdings sollten Lehrerinnen und Lehrer schon bei der Planung die Klasse mit einbeziehen. »Ich halte nichts davon, wenn die Jugendlichen gezwungen werden«, betonte sie.

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Ideologen mehr zu wissen scheinen als Expertinnen

Der Antisemitismusbekämpfer und bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel, ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Güner Balci gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert

Vor 80 Jahren

Zentralrat der Juden: Nürnberger Prozesse waren Wendepunkt

Es waren hochrangige NS-Kriegsverbrecher, die vor 80 Jahren in Nürnberg vor Gericht standen. Was diese Prozesse aus Sicht des Zentralrats der Juden bedeuten - auch heute

von Leticia Witte  21.11.2025

Paris

EJC warnt vor wachsender Radikalisierung junger Menschen im Netz

»Hass ist viral gegangen«, sagt Moshe Kantor, der Präsident der Organisation

 21.11.2025