Leonard Kaminski

Wenn aus Tätern Opfer werden

Leonard Kaminski

Wenn aus Tätern Opfer werden

Wolfgang Benz kritisiert die neue Meldestelle gegen Antisemitismus – zu Unrecht und aus sehr zweifelhaften Gründen

 10.02.2019 07:30 Uhr

Manche Artikelüberschriften muss man mehrmals lesen, um sie zu verstehen. Nicht, weil sie kompliziert formuliert sind, sondern weil der Inhalt so abwegig ist, dass man ihn nicht glauben möchte. »Antisemitismus: Historiker Wolfgang Benz kritisiert die neue Meldestelle«, titelte der Deutschlandfunk diese Woche.

Was daran unglaublich ist? Wolfgang Benz war jahrzehntelang einer der renommiertesten Antisemitismus-Forscher Deutschlands und Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin.

BERATUNG Die von ihm kritisierte neue bundesweite Meldestelle bietet Opfern von Antisemitismus die Möglichkeit, Vorfälle anonym und unkompliziert online zu melden. Ganz explizit sollen laut der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS), der Initiatorin der Meldestelle, so auch Fälle aufgezeichnet werden, die unterhalb der Strafbarkeitsschwelle liegen.

Die Meldestelle habe etwas Denunziatorisches, meint Benz.

Erstens haben Opfer durch das Melden die Möglichkeit, ihre Erfahrung mit Experten zu teilen und bei Bedarf eine Beratung der RIAS in Anspruch zu nehmen. Dies hilft bei der Verarbeitung dieser Vorfälle, zum Beispiel wenn Betroffene aufgrund ihres Jüdischseins angepöbelt, bespuckt oder körperlich angegriffen werden.

Zweitens sind die von der RIAS geführten Statistiken über die Anzahl antisemitischer Vorfälle unersetzbar zum Verständnis des tatsächlichen Ausmaßes des Problems. Denn nur ein Bruchteil der Opfer geht zur Polizei. Die Beamten sind zudem oft nicht für das Erkennen von Antisemitismus ausgebildet, sodass auch gemeldete Fälle häufig nicht als antisemitisch aufgenommen werden. Die RIAS-Meldestellen können zwar auch nicht jede antisemitische Tat erfassen, aber ihre Zahlen zeigen seit Jahren signifikant mehr Vorfälle als jene der Polizei.

UMKEHR Für Wolfgang Benz scheinen sowohl die Opfer des Antisemitismus als auch die Wichtigkeit von möglichst genauen Zahlen zur besseren Bekämpfung des Judenhasses irrelevant zu sein. Seine Sorge liegt woanders. Die Meldestelle habe etwas Denunziatorisches, meint Benz. Und weiter: Antisemitismus sei schließlich der schlimmste Vorwurf, dem man in Deutschland ausgesetzt sein könne.

Ein so eklatanter Fall von Täter-Opfer-Umkehr ist schockierend.

Der renommierte Antisemitismusforscher wolle nicht, dass Frau Müller Herrn Maier als Antisemiten denunziere. In seiner Welt sind also nicht die Opfer von Antisemitismus und eine Gesellschaft alarmierend, in der Hass auf Minderheiten wächst. Beklagenswert sind für Benz die Täter, die vor dem Vorwurf des Antisemitismus geschützt werden müssen.

Ein so eklatanter Fall von Täter-Opfer-Umkehr ist immer schockierend. Beim ehemaligen Leiter des ZfA ist er ein Skandal. Benz wird den Opfern von Judenhass in Deutschland verzeihen müssen, dass sie Antisemiten als solche bezeichnen und Herrn Maiers Hass nicht unter den Teppich kehren, weil der vermeintliche Antisemitismusexperte ihn vor diesem Vorwurf schützen will.

Zum Glück gibt es auch echte Antisemitsmusexperten, die – angefangen beim Antisemitismusbeauftragten Felix Klein über Marina Chernivsky von der ZWST bis hin zu RIAS-Leiter Benjamin Steinitz oder Dervis Hizarci von KIgA – tagtäglich und engagiert an der Seite der Opfer stehen.

Der Autor ist Repräsentant der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und Gründungsmitglied des RIAS-Bundesverbands.

Berlin

Israelisches Restaurant verschiebt wegen israelfeindlicher Proteste Eröffnung

»Ein Restaurant zu eröffnen, sollte eine fröhliche Feier sein«, so die Betreiber. Unter den aktuellen Umständen sei es »kaum möglich, diese Freude zu spüren«

 18.07.2025

Washington D.C.

Trump will Veröffentlichung einiger Epstein-Unterlagen

Der amerikanische Präsident lässt sich selten unter Druck setzen. Doch im Fall Epstein reagiert er nun. Ob das seinen Anhängern reicht?

 18.07.2025

Flandern

Gericht verbietet Transit von Militärgut für Israel

Der Hafen in Antwerpen ist einer der größten Europas. Einer Gerichtsentscheidung zufolge dürfen Schiffe, die von dort aus in den einzigen jüdischen Staat fahren, kein Militärgut mehr mitnehmen

 18.07.2025

Kulturpolitik

Weimer sieht autoritäre Tendenzen im Kulturbetrieb

Attacken auf das weltberühmte Bauhaus und steigende Judenfeindlichkeit: Nach Einschätzung von Kulturstaatsminister Weimer steht der Kulturbetrieb zunehmend unter Druck

von Katrin Gänsler  18.07.2025

Berlin

Bundesamt entscheidet wieder über Asylanträge aus Gaza

Seit Anfang 2024 hatte das BAMF nicht mehr über Asylanträge aus Gaza entschieden. Nun wurde der Bearbeitungsstopp laut Innenministerium aufgehoben

 18.07.2025

Regierung

Warum Friedrich Merz Angela Merkel erst zum 100. Geburtstag öffentlich gratulieren will

Alte Rivalität rostet nicht? Als der Bundeskanzler in Großbritannien auf das Verhältnis zu seiner Vorvorgängerin angesprochen wird, reagiert er schlagfertig

 17.07.2025

Syrien

Hunderte Drusen fliehen nach Israel

Mitglieder der religiösen Minderheit wollen sich vor der Gewalt des Regimes und beduinischer Milizen retten. Gleichzeitig übertreten Drusen aus Israel die Grenze zu Syrien, um ihren Glaubensbrüdern zu helfen

 17.07.2025

Berlin

Ordner bedrängte Lahav Shapira bei Uni-Besetzung: Geldstrafe

Der 32-Jährige wurde der Nötigung schuldig gesprochen

 17.07.2025

Nahost

Nach massiven Übergriffen: Israels Drusenführer erhebt schwere Vorwürfe gegen Syriens neue Machthaber

Es sei ein Fehler gewesen, die Sanktionen gegen Interimspräsident Ahmed al-Sharaa aufzuheben, sagt Scheich Muwafaq Tarif. »Er hat sich nicht geändert«

 17.07.2025