Berlin

Was bringt die Zukunft?

Podiumsdiskussion »Den Opfern verpflichtet – Antisemitismus in Geschichte und Gegenwart« im Bundespresseamt Foto: Uwe Steinert

Die Diskursschwellen für Hass und Gewalt haben sich seit meiner Ernennung noch weiter verschoben», sagt der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zu Beginn der Veranstaltung «Den Opfern verpflichtet – Antisemitismus in Geschichte und Gegenwart» am Montagabend in Berlin. «Wir dürfen nicht zulassen, dass teilweise hart erkämpfte Errungenschaften einer auf Ausgrenzung basierenden Politik zum Opfer fallen.»

Anlässlich des bevorstehenden 80. Jahrestags der Novemberpogrome und der Häufung antisemitischer Vorfälle in den vergangenen Jahren hatte der Verein Deutsche Gesellschaft zu einer Podiumsdiskussion ins Bundespresseamt eingeladen, um über den historischen und gegenwärtigen Antisemitismus sowie über die Verantwortung der Gesellschaft zu sprechen.

Gewalttaten Klein stellte dabei drei Herausforderungen heraus, denen sich die aktuelle Erinnerungskultur stellen müsse: «Die letzten Zeitzeugen sterben bald, Deutschland ist zweifelsohne ein Einwanderungsland, und antisemitische Gewalttaten finden weltweit statt.» Deshalb sei diesbezüglich eine Kursänderung nötig und eine Diskussion wichtig, welche Impulse die Erinnerungskultur braucht, um auf diese Herausforderungen zu reagieren.

Den Zustand einer Gesellschaft könne man daran ablesen, wie es der jeweiligen jüdischen Gemeinde geht, so Klein. Er forderte, den Umgang mit Antisemitismus systematisch zum Teil der Lehrerausbildung zu machen und die Lehrpläne dahingehend zu überarbeiten, dass Juden im Schulunterricht nicht nur während der Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus behandelt werden.

Jacques Schuster, Chefkommentator der «Welt»-Gruppe, beobachtet «seit Jahrzehnten die Neigung, am 9. November den guten Willen auszudrücken und danach den Judenhass den Juden zu überlassen». Antisemitismus müsse daher als «gesamtdemokratisches Problem» begriffen werden, da sich sonst «zu wenige Leute aufgerüttelt fühlen» würden.

Momentan verändere sich einiges: Es gebe immer mehr die Neigung, autoritäre Führungen wieder gut zu finden, «von Putin, über Erdogan, bis Orbán», und auch eine Neigung, den Parlamentarismus nicht ernst zu nehmen. Diese Phänomene müssten zusammengedacht werden.

Beschneidungsdebatte Antisemitische Äußerungen seien in den vergangenen Jahren offener und massiver vorgetragen worden, so Schuster weiter. Als Beispiel nannte er die Beschneidungsdebatte im Jahr 2012, während der er für seine Kommentare «unglaublich hasserfüllte Reaktionen» bekommen habe. «Die wollten dem Judentum den Garaus machen.»

Zudem verwies Schuster auf die «Massivität antisemitischer Gefühle unter islamistischen, aber auch unter muslimischen Einwanderern.» Dabei dürfe man nicht über einen Kamm scheren. «Aber dieses Problem haben nichtjüdische Deutsche deutlich später bemerkt als Juden.»

Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, berichtete über beunruhigende Tendenzen in Teilen der jüdischen Gemeinden in Europa. «Der eine oder andere denkt nach: Ist meine Zukunft weiterhin in diesem Land oder in diesem Europa?» Auch Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, aus Süd- und Nordamerika oder aus Israel machten sich Sorgen: «Manche mehr, manche weniger. Aber die Unruhe betrifft alle.»

Sein Hauptthema sei seit zwei Jahren nicht mehr die Entwicklung jüdischen Lebens, sondern die Beschäftigung mit Antisemitismus, sagte er zum Abschluss. «Eigentlich bin ich mit einem anderen Ziel angetreten.»

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Gastbeitrag

Kein Ende in Sicht

Der Antisemitismus ist in den vergangenen zwei Jahren eskaliert. Wer jetzt glaubt, dass es eine Rückkehr zum Status vor dem 7. Oktober 2023 gibt, macht es sich zu leicht. Denn auch vor dem »Schwarzen Schabbat« trat der Antisemitismus zunehmend gewaltvoller und offener zutage

von Katrin Göring-Eckardt, Marlene Schönberger, Omid Nouripour  13.11.2025

Israel

Altkanzlerin Merkel besucht Orte der Massaker

Angela Merkel besuchte den Ort des Nova-Festivals und den Kibbuz Nahal Oz

 13.11.2025

Schleswig-Holstein

Polizei nimmt weiteren Hamas-Terroristen fest

Mahmoud Z. soll ein Sturmgewehr, acht Pistolen und mehr als 600 Schuss Munition für Anschläge gegen jüdische und israelische Einrichtungen organisiert haben

 13.11.2025

Berlin

Israelfeindliche Aktivisten klettern auf Brandenburger Tor

Oben angelangt entrollten sie ein Banner, auf dem sie Israel Völkermord vorwarfen

 13.11.2025

Diplomatie

Israel drängt Merz auf Ende des Teilwaffenembargos

Der Bundeskanzler hatte am 8. August angeordnet, keine Güter auszuführen, die im Krieg gegen die Hamas verwendet werden könnten

 13.11.2025

Entscheidung

Waffen an Israel: Berliner Gericht weist Klagen ab

Sechs überwiegend in Gaza wohnende Personen klagten in zwei Fällen gegen deutsche Waffenlieferungen an Israel. Das Berliner Verwaltungsgericht sieht die Klagen als unzulässig an

 13.11.2025

Interview

»Wir müssen viel mehr für die Rückführung von Antisemiten tun«

Der Bundestagsabgeordnete Johannes Volkmann (CDU) über den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland, die zögerliche Reaktion der Politik und Abschiebungen als Gefahrenabwehr

von Joshua Schultheis  13.11.2025

Berlin

Wegner setzt im Fördermittelstreit auf Aufklärung

»Es sind Vorwürfe im Raum, die muss man sich genau anschauen. Und dann werden wir gegebenenfalls, wenn es notwendig ist, die richtigen Konsequenzen ziehen«, betont der Regierende Bürgermeister

 12.11.2025