Meinung

Warum die Wehrpflicht wieder eingeführt werden sollte

Arye Sharuz Shalicar Foto: imago

Meinung

Warum die Wehrpflicht wieder eingeführt werden sollte

Unser Autor hat 1997 in Deutschland seinen Wehrdiensdienst geleistet. Bis heute ist es eine wichtige Erfahrung für ihn

 12.07.2020 11:17 Uhr

Hallo, ich heiße Sharuz, bin aus Berlin und ich bin Jude.

Mit diesen Worten stellte ich mich vor, als ich im Herbst 1997 den Wehrdienst in der Bundeswehr antrat. Ungefähr 50 Kameraden und ein Vorgesetzter schauten mich mit großen und interessierten Augen an.

Ich nehme an, dass mich alle für einen muslimischen Araber oder Türken hielten. Niemand von ihnen hätte sich vorstellen können, dass der schwarzhaarige, dunkeläugige, dunkelhäutige junge Mann ein Jude ist.  Die Reaktion war keine Reaktion. Weder an jenem Abend noch während meines Dienstes in deutscher Uniform.

Nicht ein einziges Mal wurde ich in der Bundeswehr wegen meiner Religion oder meines dunklen Aussehens angepöbelt und diskriminiert.

Dafür war ich dankbar. Es war tatsächlich überraschend, dass ich unter Biodeutschen in der Bundeswehr nie angepöbelt wurde, während ich mich im Laufe meiner Jugendjahre in Berlin-Wedding unter Muslimen teilweise in Lebensgefahr befand.

Zum ersten Mal in meinem Leben befand ich mich ausschließlich unter Biodeutschen. Aus Neumünster, Hannover, Bayern, Ost-Berlin, Frankfurt/Oder. So trafen Ossis auf Wessis und Biodeutsche auf »Deutsche mit Migrationshintergrund« beziehungsweise auf »Ausländer«. Der Dienst in der Bundeswehr schweißte zusammen. Wir waren nicht nur Kameraden in Uniform. Wir waren Freunde. Richtige Freunde. 

Mich hat es ziemlich getroffen, als der Wehrdienst ausgesetzt wurde.

Mir hat die Zeit in der Bundeswehr geholfen, mich nicht mehr nur als Weddinger oder Berliner, sondern zum ersten Mal als Deutscher zu definieren. Ich lernte Disziplin, Ausdauer, Verantwortung, Kameradschaft, an mich zu glauben, und für etwas Größeres, Gemeinsames zu stehen.

Mich hat es ziemlich getroffen, als der Wehrdienst ausgesetzt wurde. Aufgrund meiner positiven Erfahrungen war und bin ich nach wie vor der Meinung, dass der Wehrdienst heranwachsende Männer und Frauen zu einer gesellschaftlichen Einheit zusammenschweißt, zum anderen aber auch auf das ernste Leben vorbereitet. Zudem ist es wichtig, dass die Bundeswehr sich aus ganz normalen jungen Deutschen zusammensetzt, ein Abbild der Gesellschaft eben. Ein positiver, immens wichtiger Nebeneffekt: Auch dadurch wird die Bildung von vereinzelten Clustern rechtsextremistischer Soldaten vorgebeugt und im Fall der Fälle aufgebrochen.

Wir waren nicht nur Kameraden in Uniform. Wir waren Freunde. Richtige Freunde.

Zugegeben: Deutschland steht sicherlich keinen Sicherheitsherausforderungen gegenüber wie zum Beispiel Israel oder Süd-Korea; deshalb gibt es keine hinreichende Begründung, den Wehrdienst aus dieser Notwendigkeit heraus wieder einzuführen, nur um die Gesellschaft zu stärken.

Mit Blick auf die Zukunft jedoch und einer sich wandelnden geopolitischen Welt, wäre es aber ratsam, die Wehrpflicht wieder einzuführen, um einerseits auch in Krisenregionen im Rahmen der NATO aktiver zu werden, andererseits aber auch in der Lage zu sein, das Land und die Menschen zu schützen – ob im Falle von Naturkatastrophen, Pandemien oder Krieg.

Der Autor ist ein deutsch-iranisch-israelischer Politologe und Publizist.

Berlin

Gericht vertagt Verhandlung über Lahav Shapiras Klage gegen Freie Universität

Warum die Anwältin des jüdischen Studenten die Entscheidung der Richter trotzdem als großen Erfolg wertet. Die Hintergründe

 15.07.2025 Aktualisiert

Berlin

Vor 90 Jahren: Antisemitische Ausschreitungen am Kudamm

Am 15. Juli 1935 griff bei diesem Pogrom ein Nazi-Mob jüdische Passanten an. Zahlreiche Menschen wurden verletzt

 15.07.2025

Andenken

Berliner SPD: Straße oder Platz nach Margot Friedländer benennen

Margot Friedländer gehörte zu den bekanntesten Zeitzeugen der Verbrechen der Nationalsozialisten. Für ihr unermüdliches Wirken will die Berliner SPD die im Mai gestorbene Holocaust-Überlebende nun sichtbar ehren

 15.07.2025

Menlo Park

Zuckerberg kündigt riesige KI-Rechenzentren an

Der Facebook-Gründer will bei Künstlicher Intelligenz vorn liegen. Dafür nimmt er hunderte Milliarden Dollar in die Hand

 15.07.2025

München

Angriff auf Juden: Marokkaner muss ins Gefängnis

Das Verbrechen ereignete sich vor einem Jahr in der Münchner Innenstadt

 15.07.2025

Berlin

Organisationen unterstützen Lahav Shapiras Klage gegen die Freie Universität

Die Klage sei von »grundsätzlicher Bedeutung für alle Studierenden«, sagt etwa der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt

 15.07.2025

Untersuchung

BBC verletzte Sorgfaltspflicht mit Gaza-Doku

Wie sich herausstellt, ist der jugendliche Erzähler in einer BBC-Doku der Sohn eines Hamas-Vertreters. Das sorgt für heftige Kritik. Es ist nicht der einzige Fall, bei dem Sender schlecht aussieht

 15.07.2025

Judenhass

AJC Berlin: »Pro-palästinensische« Demos erinnern an Querdenker

Israelfeindliche Demonstranten und Querdenker? Aus Sicht des Direktors des American Jewish Committee gibt es da durchaus Gemeinsamkeiten. Was er jetzt von der deutschen Zivilgesellschaft erwartet

von Johannes Peter Senk  14.07.2025

Medien

Die Deutsche Welle und Israel: Mitarbeiter werfen ihrem Sender journalistisches Versagen vor

Die Hintergründe

von Edgar S. Hasse  14.07.2025