Mit dieser Entscheidung hat die Freie Universität wohl nicht gerechnet. Am Dienstag plädierte sie vor dem Verwaltungsgericht Berlin dafür, die Klage Lahav Shapiras abzuweisen. Die Rechtsabteilung der Universität hatte sich ein Argument zurechtgelegt, warum das Ansinnen ihres Studenten, sein Recht auf ein diskriminierungsfreies Studieren geltend zu machen, nicht zulässig sei. Diese Strategie, die beispielhaft steht für das Wegducken der Universität vor ihrem Antisemitismus-Problem, ging nicht auf. Die FU Berlin muss im Oktober dem Gericht erklären, warum sie auf ihrem Campus eine Dynamik zulässt, in der sich viele jüdische Studierende nicht mehr sicher fühlen – und aus der heraus konkrete Gewalt entstanden ist.
Allein die Tatsache, dass der Richter sich genauer ansehen möchte, inwiefern die Universität ihrer gesetzlich verankerten Verpflichtung nachkommt, ihre Studierenden vor Diskriminierung zu schützen, ist richtungsweisend: In einem Land, in dem jede noch so kleine staatliche Institution einen Antisemitismusbeauftragten hat, der jedes Jahr am 9. November historische Verantwortung beschwört, steht plötzlich zur Debatte, wie ernst man es mit dem Schutz lebender Jüdinnen und Juden wirklich nimmt.
Floskeln oder Fakten?
Ist die »Hochschule für Vielfalt« im Berliner Hochschulgesetz nur eine leere Floskel? Reicht es, einfach weitere Stellen in der »Stabsstelle Diversity und Antidiskriminierung« zu schaffen, oder müssen diese auch kompetent sein, modernen Judenhass zu erkennen? Kann eine Antidiskriminierungssatzung nur auf dem Papier bestehen, oder dürfen Studierende bei Verstößen auch Konsequenzen fordern?
Judenhass lässt sich nicht weg-bürokratisieren. Er lässt sich nicht in Floskeln zerreden. Er wird nicht durch Konzepte kleiner. Antisemitismus ernsthaft zu bekämpfen, heißt im ersten Schritt, sich seines Ausmaßes bewusst zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Wenn der Leitung der FU Berlin das bis Oktober gelänge, wäre viel gewonnen.
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