60 Jahre Zentralrat

Von öffentlicher Bedeutung

Ein Haus für alle Foto: JA

Der Zentralrat der Juden in Deutschland ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.). Ihm gehören alle in der Bundesrepublik bestehenden 23 Landesverbände der jüdischen Gemeinden an. Die Landesverbände – die ebenfalls als Körperschaften des öffentlichen Rechts konstituiert sind – vertreten die ihnen angehörenden jüdischen Gemeinden, die damit mittelbar in den Zentralrat eingebunden sind. Allerdings gehören mehrere Großgemeinden auch als solche dem Zentralrat an und entsenden Vertreter direkt in die Ratsversammlung und in das Direktorium.

Mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts wird anerkannt, dass der Zentralrat, obwohl er keine staatliche Einrichtung ist, Aufgaben wahrnimmt, die von erheblicher öffentlicher Bedeutung sind. Im Fall des Zentralrats handelt es sich bei diesen Aufgaben, laut seiner Satzung, um die Förderung und Pflege religiöser, kultureller und sozialer Aufgaben der jüdischen Gemeinschaft, die Vertretung der gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder sowie die Unterstützung der Arbeit der Landesverbände, der jüdischen Gemeinden und der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Letztere ist auf dem Gebiet der Sozial- und der Jugendarbeit tätig.

Den Status einer K.d.ö.R. besitzt auch eine Reihe anderer nichtstaatlicher Einrichtungen des öffentlichen Lebens. Das gilt beispielsweise für religiöse und weltanschauliche Einrichtungen, aber auch für Berufs- und Wirtschaftsvertretungen wie Industrie- und Handels- oder Ärztekammern. Auch Krankenkassen oder deren Vereinigungen sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Die Beispiele ließen sich mehren, doch ist der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts stets an die Erfüllung der dafür geltenden Vorgaben gebunden.

Freiwillig Die Mitgliedschaft in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts kann Pflicht – beispielsweise in einer Handwerkskammer – oder freiwilliger Natur sein. Letzteres ist beim Zentralrat der Fall. Dennoch haben sich alle Landesverbände, die ihrerseits fast alle Gemeinden vertreten, zur Mitgliedschaft im Zentralrat entschlossen. Es ist diese Tatsache, die dem Zentralrat sein großes öffentliches Gewicht verleiht und ihm die glaubhafte Ausübung seiner Aufgabe als eine alle Richtungen des Judentums repräsentierende Gesamtvertretung der in Deutschland lebenden Juden ermöglicht. Dabei hat der Zentralrat keinerlei Weisungsbefugnisse gegenüber seinen Mitgliedern und achtet streng deren Unabhängigkeit.

Claims Conference Seinerseits ist der Zentralrat Mitglied im Jüdischen Weltkongress, der sich um jüdische Belange auf der internationalen Bühne kümmert und jüdische Organisationen in mehr als 80 Ländern repräsentiert. Der Zentralrat gehört auch dem Europäischen Jüdischen Kongress an, dessen Berliner Büro sich am Sitz des Zentralrats befindet. Ferner ist der Zentralrat eine Mitgliedsorganisation der Conference on Jewish Material Claims against Germany, die die jüdische Welt seit 1951 gegenüber Deutschland in Fragen der Entschädigung für Holocaust-Überlebende und der Rückerstattung geraubten Vermögens vertritt.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat drei Organe: die Ratsversammlung, das Direktorium und das Präsidium. Die Ratsversammlung ist das oberste Organ des Zentralrats. Sie ist für alle Grundsatzfragen der jüdischen Gemeinschaft zuständig. Nach ihren Vorgaben handeln die beiden anderen Gremien des Zentralrats, das Direktorium und das Präsidium. Alle Mitglieder des Direktoriums und des Präsidiums führen ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus.

Die Ratsversammlung verabschiedet den Haushalt des Zentralrats. In ihren Zuständigkeitsbereich fallen auch Beschlüsse über etwaige Satzungsänderungen. Gleichzeitig gewährleistet sie eine lebendige Demokratie des jüdischen Lebens. Ihre Delegierten werden von den Landesverbänden beziehungsweise Großgemeinden entsandt und genießen deren Vertrauen. Damit ist eine Voraussetzung für breite Akzeptanz der von der Ratsversammlung gefassten Beschlüsse gegeben. Die Zahl der Delegierten, die jedes Mitglied entsendet, richtet sich nach der Anzahl der von ihm nachzuweisenden Gemeindemitglieder, sodass die Ratsversammlung auch die Größenverhältnisse einzelner Gemeinden und Landesverbände widerspiegelt.

In Jahren, in denen die Amtsperiode des Präsidiums zu Ende geht – so auch 2010 –werden die Präsidiumsmitglieder neu gewählt. Drei der neun Präsidiumsmitglieder werden von der Ratsversammlung während deren Tagung gewählt. Die sechs anderen werden von den Mitgliedern des Direktoriums des Zentralrats gewählt.

Direktorium Das Direktorium ist von der Ratsversammlung unabhängig, es wird nicht von deren Delegierten gewählt. Vielmehr werden seine Mitglieder von den Mitgliedern des Zentralrats entsandt, wobei auch hier die Größe des jeweiligen Landesverbandes beziehungsweise der Großgemeinde bestimmend ist. Laut der Sat- zung des Zentralrats entsendet jedes Mitglied in das Direktorium je einen Vertreter pro angefangene 5.000 Gemeindemitglieder, jedoch höchstens drei Direktoriumsmitglieder.

Die Direktoriumsmitglieder werden für jeweils vier Jahre ernannt, können aber von dem entsendenden Mitglied jederzeit abberufen oder durch andere ersetzt werden. Damit ist eine laufende Kontrolle ihrer Tätigkeit durch die Gemeinden gegeben. Seinerseits überwacht das Direktorium die Tätigkeit des Präsidiums. Das Präsidium führt die Geschäfte des Zentralrats, muss bei seiner Amtsführung jedoch die Richtlinien der Ratsversammlung und des Direktoriums beachten. Die Präsidiumsmitglieder wählen aus ihrer Mitte einen Präsidenten oder eine Präsidentin sowie zwei Vizepräsidenten/ Vizepräsidentinnen. Diese drei Amtsträger bilden den Vorstand, der den Zentralrat im rechtlichen Sinne vertritt. Bei Abstimmungen im Präsidium hat ihr Votum allerdings dasselbe Gewicht wie das anderer Präsidiumsmitglieder. Die Ratsversammlung wird vom Präsidium einberufen. Sie tagt mindestens einmal jährlich. Das Direktorium tagt in der Regel einmal im Vierteljahr, das Präsidium einmal im Monat. Bei Bedarf können zusätzliche Sitzungen anberaumt werden. Hierbei wird über alle Anliegen des Zentralrats und der jüdischen Gemeinschaft beraten.

Die laufende Arbeit des Zentralrats wird vom hauptamtlichen Generalsekretär oder Geschäftsführer betreut, der auch das Büro des Zentralrats in Berlin leitet. Der Generalsekretär oder Geschäftsführer wird vom Direktorium für eine Amtsperiode von bis zu fünf Jahren gewählt. Die aktuelle Amtszeit des Generalsekretärs endet im März 2015. Die Wiederwahl ist möglich.

Der Autor ist Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Vatikan

Robert Francis Prevost ist neuer Papst

Er ist der erste Amerikaner in diesem Amt und hat sich den Namen Leo XIV. gegeben

von Philipp Znidar, Sabina Crisan  09.05.2025 Aktualisiert

Gedenken

Steinmeier: »Flüchten wir nicht aus unserer Geschichte«

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach bei der Gedenkstunde im Bundestag zum Ende des Zweiten Weltkriegs über Gefahren für die Demokratie

 08.05.2025

Gericht

AfD rechtsextrem? Verfassungsschutz gibt Stillhaltezusage ab

Damit können die Verfassungsschützer die AfD nicht beobachten, bis das Verwaltungsgericht Köln ein Urteil gefällt hat

 08.05.2025

Kommentar

Die Menschen in Gaza brauchen schnell Hilfe

Eine Demokratie wie Israel sollte sich nicht auf schmutzige Kriegstaktiken wie die Blockade von Hilfsgütern einlassen, auch wenn es sich bei der Hamas um skrupellose, abgrundtief böse Terroristen handelt

von Nils Kottmann  08.05.2025

Kommentar

Ulrike Eifler, die Linkspartei und die Auslöschung Israels

Ein hochrangiges Mitglied der Partei delegitimiert auf X Israel. Die Linke muss sich klar davon distanzieren, wenn sie glaubwürdig für Menschenrechte eintreten will

von Andreas Büttner  08.05.2025

Kommentar

Der Ukraine-Krieg überlagert die Pluralität der Erinnerungen

Die Auffassung, dass jeder nach seiner Fasson dem Zweiten Weltkrieg gedenkt, wurde durch Russlands Einmarsch in die Ukraine zerstört. Lenin- und Roter Stern-Orden jüdischer Veteranen und Veteraninnen und ihre »hundert Gramm« in Erinnerung an die gefallenen Kameraden wirken deplatziert

von Dmitrij Belkin  08.05.2025

Umfrage

80 Jahre Kriegsende – Jeder fünfte Deutsche will mehr Gedenken

Am 8. Mai 1945 kapitulierte die Wehrmacht. Der Zweite Weltkrieg war vorüber. In Berlin und anderswo erinnern die Menschen an die Millionen Opfer. Jüdische Vertreter würdigen die Erinnerungskultur - und warnen zugleich

von Leticia Witte  08.05.2025

Debatte

Schuster: AfD-Regierung wäre für Juden das Signal zur Auswanderung

Die hohen Zustimmungswerte der AfD machen gerade Juden besorgt. Zentralratspräsident Josef Schuster erinnert an die 1930er Jahre: Auch in der NS-Zeit hätten viele Juden lange nicht für möglich gehalten, was dann folgte

von Christoph Schmidt  07.05.2025

Globaler Antisemitismus

J7 beklagen Staatsversagen beim Kampf gegen Judenhass

Ziele sind Einrichtungen wie Synagogen und Schulen - aber auch Menschen. Ein Bericht zeigt erschreckende Zahlen zu Antisemitismus in Deutschland, den USA, Argentinien, Großbritannien, Kanada, Frankreich und Australien

von Leticia Witte  07.05.2025