Interview

»Viele Deutsche blasen Schofar«

Herr Rabbiner, am Samstag spielt Deutschland im WM-Viertelfinale gegen Argentinien – ein Dilemma für jeden Fußballbegeisterten, der den Schabbat hält. Gibt es eine Möglichkeit, das Spiel trotzdem zu verfolgen?
Man macht einen schönen Schabbesspaziergang und kommt zufällig am Public Viewing vorbei. Aber eigentlich muss man das Spiel gar nicht sehen, denn wenn ein deutsches Tor fällt, wird man Jubelschreie hören. Ich warne davor, den Fernseher über Nacht anzulassen. Denn es kann passieren, dass im spannendsten Moment die Lautstärke oder das Bild nicht stimmt und man nachregeln möchte. Dann kommt man in ein echtes Dilemma.

Schauen Sie selbst sich dieser Tage auch manche Spiele im Fernsehen an?
Soweit es zeitlich passt. Meist schaffe ich von jedem vierten Spiel ein Drittel einer Halbzeit.

Einige Rabbiner sagen, es sei Zeitvergeudung, die Spiele anzusehen.
Oh nein, man kann viele interessante Erkenntnisse gewinnen. Zum Beispiel lässt sich die etwas aberwitzige Rückbesinnung auf Nationalstolz beobachten, vor allem, wenn man wie die Bundesrepublik so viele Spieler mit gutem deutschen Stammbaum hat: Cacau, Podolski, Özil. Das gefällt mir. Was mich an dieser WM besonders freut, ist, dass so viele Deutsche angefangen haben, Schofar zu blasen. Als ich die ersten Vuvuzelas hörte, dachte ich: Wer übt da für die Feiertage?

Was haben Fußball und Judentum noch gemeinsam?
Es gibt Regeln, an die man sich zu halten hat, sonst bekommt man eine rote Karte.

Manche sagen, der Fußball habe auch eine spirituelle Seite. Was halten Sie davon?
Nichts. Ich halte es für meschugge. Fußball ist spannend, ich habe früher selbst gern gespielt. Man kann sich für wunderbare Ballkombinationen und tolle Tore begeistern und bestimmt auch eine Menge anderer Emotionen damit verbinden. Aber den Fußball spirituell zu nennen, ist nichts anderes als eine Rechtfertigung dafür, sich mit etwas sehr Profanem zu beschäftigen.

Ab wann ist Fußballfieber halachisch bedenklich?
Immer dann, wenn es mit den Feiertagen in Konflikt gerät. Und sicherlich wird es auch dann zum Problem, wenn man es übertreibt und die Prioritäten falsch setzt. Fußball ist ein netter Zeitvertreib, dabei sollte es bleiben.

Nicht jeder schwärmt fürs Kicken. Was empfehlen Sie Fußballmuffeln?
Sie sollten Urlaub machen – in einem Land, dessen Mannschaft schon ausgeschieden ist. Für diejenigen, die mit einem Fan verheiratet sind, könnte ein zweiter Fernseher hilfreich sein. Auf keinen Fall sollte man versuchen, Fußballmuffel für die WM zu begeistern. Das ist für beide Seiten belastend. Es hat keinen Sinn, zum siebzehnten Mal »Abseits« zu erklären. Wer es beim fünften Mal nicht verstanden hat, der will es nicht lernen.

Mit dem Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf sprach Tobias Kühn.

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 20.12.2025

Analyse

Ankaras Machtspiele

Manche befürchten schon einen »neuen Iran«. Warum Israel die Türkei zunehmend als Bedrohung wahrnimmt

von Ralf Balke  20.12.2025

Bundestag

Zentralrat verteidigt Weimers Gedenkstättenkonzept

Der Ausschuss für Kultur und Medien hörte Experten zu der Frage an, ob über den Holocaust hinaus auch andere Verbrechen Teil der deutschen Erinnerungskultur sein sollen

 19.12.2025

Frankreich

Drei Jahre Haft für antisemitisches Kindermädchen

Ein französisches Gericht hat eine Algerierin zur einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie einer jüdischen Familie Reinigungsmittel ins Essen, Trinken und die Kosmetika mischte

 19.12.2025

Berlin

Bericht über Missbrauch internationaler Hilfe durch Hamas im Bundestag vorgestellt

Olga Deutsch von der Organisation NGO Monitor sagt, während die Bundesregierung über Beiträge zum Wiederaufbau Gazas berate, sei es entscheidend, auf bestehende Risiken hinzuweisen

von Imanuel Marcus  19.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Tel Aviv/Berlin

Israel unterzeichnet weiteren Vertrag mit Deutschland über Raketenabwehr

Es handelt sich um das größte Rüstungsgeschäft in der Geschichte des jüdischen Staates

 19.12.2025

Sydney/Canberra

Nach Terroranschlag von Bondi Beach: Australien plant nationalen Trauertag

Die Regierung kündigt zudem umfassende Maßnahmen an. Dazu gehört eine landesweite Rückkaufaktion für Schusswaffen

 19.12.2025