Meinung

Vergesst Ungarn!

Rabbiner Joel Berger Foto: dpa

Meinung

Vergesst Ungarn!

Tausende Demonstranten gegen Antisemitismus in Budapest sind ein schönes Zeichen. Mehr leider nicht

von Rabbiner Joel Berger  03.12.2012 18:28 Uhr

Es war ein hoffnungsfrohes Zeichen. Etwa 10.000 Ungarn, nicht nur aus Budapest, sondern auch aus der Provinz, waren am Sonntag zusammengekommen, um am Kossuth-Platz vor dem Parlament gegen Antisemitismus zu demonstrieren. Aber es war nicht mehr als ein Zeichen. Die Demonstranten repräsentierten leider nicht die ungarische Gesellschaft, sie standen nicht für eine breite politische Bewegung, sondern sie bilden eine kleine sympathische Minderheit.

Wie es um die Mehrheit bestellt ist, konnte man in der vergangenen Woche sehen: Im Parlament hatte der Abgeordnete Marton Gyöngyösi von der faschistischen Jobbik-Partei in einer Debatte über Israels Militäreinsatz im Gazastreifen gefordert, nun müssten alle in Ungarn lebenden Juden registriert werden. Geprüft werden müsse zudem, »welche Juden, insbesondere im Parlament und in der Regierung, ein gewisses Sicherheitsrisiko für Ungarn darstellen«.

Schweigen Der von Gyöngyösi, der seine dreiste Provokation gut vorbereitet vom Blatt ablas, direkt angesprochene Staatssekretär im Außenministerium widersprach nicht offen. Vielmehr lavierte er feige herum, Ungarn unterstütze doch sowohl Israel als auch die Palästinenser, und mit der Zahl der im Parlament vertretenen Juden habe das doch nichts zu tun. Von den anderen Abgeordneten im etwa zur Hälfte gefüllten Parlament kam derweil gar keine Reaktion. Sie schwiegen wie tote Fische.

Der Opportunismus des Staatssekretärs und das Schweigen der versammelten Volksvertreter repräsentieren – leider – wesentlich deutlicher das gegenwärtige Ungarn als die Demonstranten auf dem Kossuth-Platz. Das Land ist nicht reif für die parlamentarische Demokratie, und es ist nicht reif für die Europäische Union. Es ist vielmehr so, dass sich gerade im Namen der Freiheit, für die die EU steht, Rassismus und Antisemitismus in Ungarn breitmachen.

Angefeuert von der Zweidrittelmehrheit der rechtskonservativen FIDESZ-Partei und den 20 Prozent Wählern der Jobbik-Partei haben Tausende Ungarn ihr Land schon Richtung Österreich verlassen. Deutschland und die anderen EU-Länder müssen sich Gedanken machen, ob und wie sie auf weitere Flüchtlinge aus diesem EU-Land reagieren. Auf ein besseres Klima in Ungarn kann man nicht hoffen. Dafür ist die Opposition zu schwach.

Der Autor war Landesrabbiner in Württemberg.

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

 19.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

München

LMU sagt Veranstaltung zu palästinensischer Wissenschaft ab

Die Universität verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass es erhebliche Zweifel gegeben habe, »ob es sich um eine wissenschaftliche Veranstaltung auf dem erforderlichen Niveau gehandelt hätte«

 19.11.2025

Internet

Expertin: Islamisten ködern Jugendliche über Lifestyle

Durch weibliche Stimmen werden auch Mädchen von Islamistinnen verstärkt angesprochen. Worauf Eltern achten sollten

 19.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025

Riad/Istanbul

Scheinbar doch kein Treffen zwischen Witkoff und Hamas-Führer

Es geht um die Umsetzung der nächsten Schritte des Trump-Plans. Den zentralen Punkt der Entwaffnung der Hamas lehnt die Terrororganisation ab

 19.11.2025 Aktualisiert