Statistik

Thüringen zählt die meisten antisemitischen Vorfälle im Osten

Andreas Bühl, CDU-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag Foto: picture alliance/dpa

Antisemitische Vorfälle in Thüringen haben mit 392 Vorfällen im Jahr 2024 einen neuen Höchststand erreicht. Im Vergleich zum Vorjahr (297 Meldungen) stelle dies einen Anstieg um rund ein Drittel dar, wie aus dem am Dienstag in Erfurt vorgestellten Jahresbericht der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) hervorgeht. Thüringen habe damit die höchste Zahl an Vorfällen aller ostdeutschen Länder, ohne Berlin.

Von den 392 Vorfällen wurden 291 der Kategorie »verletzendes Verhalten« zugeordnet, worunter antisemitische Äußerungen in Wort, Schrift und Bild fallen. In sieben Fällen wurden Bedrohungen gemeldet. Im Jahr 2023 war es ein Fall. Zudem wurden zwei Gewaltdelikte erfasst, eines mehr als im Vorjahr. Projektleiterin Susanne Zielinski sagte bei der Präsentation, die Lage im Land habe sich »stetig und rapide verschlechtert.«

Beunruhigender Anstieg von Vorfällen an Bildungseinrichtungen

Erstmals seit Beginn der Dokumentation durch RIAS entfiel der Großteil der Vorfälle mit 197 Meldungen (2023: 103) auf den »israelbezogenen Antisemitismus«, bei dem etwa das Existenzrecht des Staates Israel abgesprochen wird. In allen weiteren Erscheinungsformen seien die Schwankungen gering gewesen. Bislang seien die meisten Vorfälle im Post-Schoah-Antisemitismus zu beobachten gewesen, der 40 Prozent und damit 158 Meldungen ausmacht (2023: 142). Laut Zielinski sei dieser ein »kontinuierliches Grundrauschen«, während der israelbezogene Antisemitismus je nach politischer Lage schwanke.

Beunruhigend ist Zielinski zufolge der Anstieg von Vorfällen an Bildungseinrichtungen: Dort stiegen die Zahlen binnen eines Jahres von 17 auf 48 an und machten zwölf Prozent der Gesamtfallzahl aus. »Dass Antisemitismus gerade dort, wo Wissenschaft, Lehre und Vielfalt zu Hause sein sollten, derart offen zutage tritt, ist beschämend und gefährlich«, erklärte dazu die Thüringer Linken-Politikerin Katharina König-Preuss.

Auch die Angriffe auf die Erinnerungskultur hätten an Quantität und Aggressivität zugenommen: In 69 Fällen (2023: 57) richteten sich Angriffe gegen Gedenkstätten oder deren Mitarbeitende. Die meisten Vorfälle (161) fanden jedoch auf der Straße statt, gefolgt vom Internet (70).

»Berechtigte Kritik an der israelischen Regierung darf niemals zu Hass gegen Juden und den Staat Israel an sich führen«

Thüringens CDU-Fraktionsvorsitzender Andreas Bühl

Im Bereich des Rechtsextremismus wurden demnach 56 dokumentierte Vorfälle verzeichnet (2023: 33). Seinen Anteil verdoppelt an der Gesamtzahl der Vorfälle mit einem politisch-weltanschaulichen Hintergrund habe der antiisraelische Aktivismus mit 16 Prozent (2023: acht Prozent). Der Thüringer CDU-Fraktionsvorsitzende Andreas Bühl betonte, »berechtigte Kritik an der israelischen Regierung darf niemals zu Hass gegen Juden und den Staat Israel an sich führen«.

Der Landesbeauftragte für jüdisches Leben, Michael Panse, forderte mehr Projekte gegen Antisemitismus sowohl an Schulen als auch in der Erwachsenenbildung. »Es geht darum, jüdisches Leben sichtbar und erlebbar zu machen«, sagte der CDU-Politiker. Die Meldestelle wies zudem darauf hin, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegen dürfte. Ein großer Teil der Vorfälle seien RIAS Thüringen direkt auf der Online-Meldeseite mitgeteilt worden. Zudem würden zivilgesellschaftliche und jüdische Organisationen regelmäßig befragt oder meldeten sich selbst.

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