Solingen

Terrorexperte: Müssen Gefahr von Anschlägen priorisieren

Peter Neumann Foto: Laurence Chaperon

Die Gefahr islamistischer Anschläge in Westeuropa ist nach Einschätzung von Terrorismusexperte Peter Neumann gewachsen. Mit dem Angriff in Solingen seien in den vergangenen elf Monaten sieben dschihadistische Anschläge gezählt worden, sagte der Forscher vom King’s College in London. Zudem seien mit dem geplanten Attentat auf ein Konzert von Musikerin Taylor Swift in Österreich insgesamt 22 Anschläge verhindert worden.

Das Volumen der dschihadistischen Aktivität habe sich dramatisch entwickelt und möglicherweise sei das der Beginn einer neuen Welle. »Zumindest werden die Einschläge häufiger und sie kommen näher«, sagte Neumann der Deutschen Presse-Agentur. Deswegen müsse man das Thema jetzt wieder priorisieren.

Man müsse anerkennen, dass der Dschihadismus wieder die größte terroristische Bedrohung sei, sagte Neumann. Das müsse sich etwa in den Budgets der Sicherheitsbehörden ausdrücken. Die Politik müsse auch darüber nachdenken, Präventionsprogramm zu stärken. Man müsse überlegen, was man tun könne, um zu verhindern, dass es zu ganz großen Anschlägen komme wie etwa in Paris auf das »Bataclan«, in Madrid oder London.

Neumann: Debatte über Waffenrecht greift zu kurz

In Solingen waren drei Menschen mit einem Messer getötet und acht verletzt worden. Mutmaßlicher Täter ist ein 26-jähriger Syrer. Seitdem wird auch über eine Verschärfung des Waffenrechts diskutiert. Aus Neumanns Sicht wäre das nur ein kleiner Baustein.

Man müsse Prozesse der Radikalisierung stärker in den Blick nehmen. Die Debatte verberge, was das wirkliche Problem sei, sagte Neumann, nämlich dass sich meist junge Männer in westlichen Gesellschaften radikalisierten und dann Menschen in der eigenen Gesellschaft töten wollten.

Untersuchungen zufolge seien viele Attentäter - anders als in Solingen - mittlerweile sehr jung. Von den seit Oktober 2023 festgenommenen Terrorverdächtigen seien zwei Drittel Teenager gewesen, sagte Neumann. Das sei ein anderes Phänomen als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Man müsse darüber nachdenken, wie gut die Maßnahmen dazu passten, und ob man etwa über die Einbindung von Kinderpsychologen nachdenken müsse.

Radikalisierung junger Menschen im Internet

Auch die Rolle des Internets und der sozialen Medien müsse man noch stärker sehen. »In vielen der Fälle, die verhindert wurden, hat sich die Radikalisierung fast ausschließlich online abgespielt«, sagte Neumann und plädierte für Ermittler, die sich in virtuelle Räume einschleusten.

Schlecht integrierte junge Geflüchtete könnten in Radikalisierung oder Kriminalität abdriften oder psychische Krankheiten entwickeln. Die gesellschaftliche Debatte müsse sein: »Bedeutet das, wir müssen unsere Integrationsanstrengungen noch weiter erhöhen? Sind wir als Gesellschaft dazu in der Lage? Das wäre eigentlich notwendig. Oder ist die Konsequenz daraus, dass wir einfach weniger Leute ins Land lassen, weil wir mit dem, was wir jetzt zu tun haben, bereits überfordert sind?«

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatte den Anschlag in Solingen für sich reklamiert. Der IS werde weiter versuchen, Einzeltäter zu inspirieren, sagte Neumann. Gleichzeitig gebe es Ableger wie ISPK, die zu größeren Anschlägen in der Lage seien. Beides stelle eine Gefahr dar. dpa

Gedenken

Bundespräsident Steinmeier fordert Widerstand gegen Rechtsextreme

Die Demokratie sieht der Bundespräsident so bedroht wie nie seit der Wiedervereinigung. Das Staatsoberhaupt erklärt, was nun aus seiner Sicht passieren muss

von Martina Herzog  10.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Wien

Österreichs Regierung mit neuer Strategie gegen Antisemitismus

KI-gestützte Systeme zum Aufspüren von Hate Speech, eine Erklärung für Integrationskurse, vielleicht auch Errichtung eines Holocaust-Museums: Mit 49 Maßnahmen bis zum Jahr 2030 will Wien gegen Antisemitismus vorgehen

 10.11.2025

Marbach am Neckar

Schillerrede: Soziologin Illouz vergleicht Trump mit »König Lear«

Statt Selbstbeweihräucherung empfiehlt die Soziologin Eva Illouz in der Schillerrede 2025 den Zweifel und das Zuhören - nur das helfe aus der eigenen Echokammer heraus

 10.11.2025

Berlin

»Besetzung gegen Antisemitismus« an TU Berlin

Nach pro-palästinensischen Universitätsbesetzungen in der Vergangenheit haben nun Studierende ein Gebäude an der TU Berlin besetzt, um gegen Antisemitismus zu protestieren. Sie machen dem Allgemeinen Studierendenausschuss Vorwürfe

 10.11.2025

Antisemitismus

Rabbinatsstudent am Berliner Hauptbahnhof beschimpft

Der angehende Rabbiner aus Deutschland war am 9. November auf dem Weg zu einer Gedenkveranstaltung für die Novemberpogrome. Sein Urgroßvater hat die Schoa überlebt

 10.11.2025

Hannover

Ministerium erinnert an 1938 zerstörte Synagoge

Die 1938 zerstörte Neue Synagoge war einst mit 1.100 Plätzen das Zentrum des jüdischen Lebens in Hannover. Heute befindet sich an dem Ort das niedersächsische Wissenschaftsministerium, das nun mit Stelen an die Geschichte des Ortes erinnert

 10.11.2025

Aufruf

Knobloch: Das Schweigen gegen Rechts muss ein Ende haben

Zum Jahrestag der Novemberpogrome von 1938 warnt Charlotte Knobloch eindringlich vor Rechtsextremismus. Auch ein Historiker mahnt zur Wachsamkeit

von Hannah Krewer  10.11.2025

9. November

Karin Prien gedenkt in Amsterdam der Novemberpogrome

Die Bildungsministerin, die selbst in der holländischen Hauptstadt geboren wurde, sprach in der Portugiesischen Synagoge auch über ihre jüdischen Wurzeln

 10.11.2025