Lateinamerika

Terror im Regenwald

Global Player: Anhänger der libanesischen Hisbollah Foto: dpa

Die Dreiländerregion zwischen Argentinien, Brasilien und Paraguay ist nicht nur wegen der berühmten Iguaçu-Wasserfälle bei Touristen beliebt. Sie gilt auch als Mekka für Drogen- und Waffenschmuggel, Menschenhandel und Produktpiraterie. Schon seit Längerem gibt es Spekulationen, die vom Iran unterstützte Hisbollah sei in diesem Gebiet aktiv.

Mitte September wurde Assaad Ahmad Barakat in Brasiliens Grenzregion festgenommen. Die USA werfen ihm vor, der »Schatzmeister« der Hisbollah zu sein. Am 31. August hatte ein paraguayischer Richter einen internationalen Haftbefehl gegen Barakat erlassen – wegen der angeblichen irregulären Ausstellung eines paraguayischen Passes auf seinen Namen.

GELDWÄSCHE Barakat war Mitte der 80er-Jahre auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg im Libanon mit seinen Eltern und Geschwistern nach Paraguay gekommen. Er begann bald, verschiedene Geschäfte in Ciudad del Este, unweit der Grenze zu Brasilien, zu betreiben. Dazu gehörten eine Import-Export- und eine Baufirma. Über diese Unternehmen soll er Gelder gewaschen haben, um Mittel für die Hisbollah zu generieren.

In den 80er-Jahren schickte
die Hisbollah Aktivisten in die Region.

Die Hisbollah begann in den frühen 80er-Jahren, ihre Präsenz in Lateinamerika auszubauen. Sie schickte Aktivisten in das Dreiländereck zwischen Brasilien, Argentinien und Paraguay, wo es eine große libanesische Diaspora gab. Die fast völlige Abwesenheit staatlicher Präsenz machte die Region zu einem idealen Ort für die Rekrutierung für Operationen, Geldwäsche und als Finanzierungsbasis. Ciudad del Este gilt als das Zentrum für Produktpiraterie und ist bei vielen Brasilianern als Tagesausflugsziel zum Einkaufen sehr beliebt.

NORIEGA-REPORT Laut einer im Jahr 2011 veröffentlichten Studie von Roger Noriega, ein ehemaliger Staatssekretär im US-Außenministerium, erhielten islamische Extremisten im Nahen Osten zwischen 300 und 500 Millionen US-Dollar jährlich aus illegalen Aktivitäten in dem Grenzgebiet. Auch in Mexiko soll die Hisbollah Verbindungen zu kolumbianischen und mexikanischen Kartellen aufgebaut haben und diese zur Finanzierung und Geldwäsche nutzen. Im Jahr 2014 wiederum berichtete die brasilianische Tageszeitung »O Globo«, dass die Regierung in Brasilia zusammen mit US-Geheimdiensten mögliche Verbindungen zwischen brasilianischen Drogenbanden und der Hisbollah untersuche.

Assaad Barakat selbst ist kein unbeschriebenes Blatt. Im Jahr 2001 ordnete die auf Drogenhandel und Terrorismus spezialisierte Staatsanwaltschaft in Asunción seine Verhaftung wegen Steuerhinterziehung an. Im Juni 2002 wurde Barakat in Foz do Iguaçu in Brasilien verhaftet und einige Monate später nach Paraguay ausgeliefert. Ein Gericht verurteilte ihn zu sechs Jahren Gefängnis; 2009 kam er frei.

Bei den Ermittlungen stießen die Behörden auf einen auf den 25. Mai 2001 datierten, an Barakat gerichteten Brief von Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah persönlich, in dem dieser seine Dankbarkeit für die Zusammenarbeit mit dem »Schutzprogramm für die Brüder und Märtyrer« ausdrückt. Verschiedene Überweisungen, teils Millionenbeträge, von Barakat oder seinen Mitarbeitern an die Hisbollah sind ebenfalls dokumentiert.

Bei dem Angriff auf die israe­lische Botschaft in Buenos Aires wurden 29 Personen ermordet und 242 verletzt.

Argentinien wiederum beschuldigt Barakat, zehn Millionen US-Dollar für die Hisbollah in Kasinos in der Iguaçu-Region gewaschen zu haben. Die Ermittlungsbehörden glauben, dass Barakat maßgeblich an der Finanzierung des Attentats auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA (Asociación Mutual Israelita Argentina) in Buenos Aires 1994 beteiligt war.

Die Hisbollah gilt als Urheber beider Anschläge. Bei dem Angriff auf die israe­lische Botschaft in Buenos Aires am 17. März 1992 waren 29 Personen ermordet und 242 verletzt worden; das Attentat auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA am 18. Juli 1994 forderte 85 Menschenleben und mehr als 300 Verletzte. Die Entscheidung für die Anschläge seien an höchster Stelle der damaligen Regierung im Iran gefallen, so eine argentinische Untersuchungskommission.

BRÜDER Der Bericht des argentinischen Sonderstaatsanwaltes Alberto Nisman, der für die Untersuchung des AMIA-Attentats zuständig war und später unter mysteriösen Umständen ums Leben kam, nachdem er die damalige Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner angeklagt hatte, warnt vor der Präsenz islamistischer Zellen in mindestens zwölf Ländern der Region. Unter anderem nennt er die beiden Geschäftsmänner Farouk Abdul Hay Omairi und Assaad Ahmad Barakat, die in der Dreiländerregion aktiv seien. »Beweise in diesem Fall deuten darauf hin, dass die beiden direkte Verbindungen zur Hisbollah und deren Finanzierungsquellen haben«, heißt es da, und: »Assaad Ahmad Barakat ist eine der prominentesten Führungspersonen der Hisbollah in der Region.«

In der vergangenen Woche verhaftete die argentinische Polizei zwei Brüder, denen Kontakte zur Hisbollah nachgesagt werden und die auf die Namen Axel Ezequiel Abraham Salomon und Kevin Gamal Abraham Salomon hören. Bei der Festnahme der Brüder wurden Waffen sichergestellt. Der Tipp zur Festnahme soll von der DAIA, der Dachorganisation der jüdischen Gemeinden Argentiniens, kommen. DAIA soll die Information schon im Januar dieses Jahres erhalten haben, und die darauf einsetzenden Ermittlungen hatten vermutlich zur Verhaftung von Assaad Barakat geführt, dem »Schatzmeister« der Hisbollah.

Porträt

Hoffnungen einer Kurdin

Die Menschenrechtsaktivistin Soma Assad engagiert sich gegen Islamismus und plädiert für ein stärkeres Bündnis zwischen ihrem Volk und den Juden. Eine Begegnung

von Alicia Rust  16.04.2024

Teheran

Iranischer Journalist nach Kritik an Großangriff im Visier der Justiz

Abbas Abdi muss sich wegen absurd anmutender Vorwürfe vor Gericht verantworten

 16.04.2024

USA

Alarmierender Anstieg antisemitischer Vorfälle

Der höchste Stand seit dem Beginn der Erfassung entsprechender Daten wird verzeichnet

von Imanuel Marcus  16.04.2024

Berlin

Nach Iran-Angriff - Sorge um Sicherheit auch in Deutschland

Schon nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel und im Zuge des Gaza-Kriegs gab es in Deutschland mehr antisemitische Straftaten. Ähnliches befürchtet Ministerin Faeser nach der jüngsten Eskalation im Nahen Osten

von Leticia Witte  16.04.2024

Gerhard Conrad

»Irans Angriff war ebenso präzedenzlos wie erfolglos«

Der ehemalige BND-Agent, Nahostexperte und Vermittler über die Geiselverhandlungen und den Iran

von Michael Thaidigsmann  16.04.2024

Berlin

Neues europäisches Netzwerk liefert Daten zu Antisemitismus

Antisemitismus müsse für dessen Bekämpfung sichtbar werden, sagt die EU-Antisemitismusbeauftragte Katharina von Schnurbein

 16.04.2024

Israel/Iran

Nouripour: »Die Solidarität mit Israel darf kein Lippenbekenntnis sein«

Dem Regime in Teheran müsse mit Härte begegnet werden, betont der Grünen-Chef

 16.04.2024

Berlin/Hamburg

Zentralrat der Juden fordert Verbot von Islamischem Zentrum

Der Verein wird vom Verfassungsschutz als verlängerter Arm des iranischen Regimes eingestuft

 16.04.2024

«Palästina-Kongress»

Bericht: Behörden verhängen Einreiseverbot gegen Varoufakis

Um antisemitische und israelfeindliche Propaganda bei der Veranstaltung zu verhindern

 15.04.2024