CDU

»Sich nicht verstecken«

Karin Prien ist Ministerin in Kiel und aktiv im Jüdischen Forum

von Hans-Ulrich Dillmann  09.07.2018 18:46 Uhr

Karin Prien Foto: dpa

Karin Prien ist Ministerin in Kiel und aktiv im Jüdischen Forum

von Hans-Ulrich Dillmann  09.07.2018 18:46 Uhr

Frau Prien, warum braucht eine christliche Partei wie die CDU eigentlich ein Jüdisches Forum?
In der CDU und CSU haben sich, auch als Antwort auf die nationalsozialistische Diktatur, Christen und Nichtchristen, darunter auch Juden, auf der Grundlage eines christlich geprägten Menschenbildes zusammengeschlossen. Viel zu lange ist in der CDU zu wenig Wert darauf gelegt worden, dass sich Juden zur Union bekennen. Jetzt ist es an der Zeit: Juden und Menschen mit jüdischem Hintergrund müssen mehr wahrgenommen werden, zumal es zahlreiche, unter den Nägeln brennende Themen gibt.

An welche denken Sie?
Jüdisches Leben muss innerhalb der Union sichtbarer werden. Zum Zweiten müssen wir, an vorderster Stelle die Union, auf alle Formen des Antisemitismus, von links, rechts oder Zuwanderern, gesamtgesellschaftlich reagieren. Drittens geht es um unser Verhältnis zu Israel. Wir müssen herausarbeiten, was uns als Union im 21. Jahrhundert mit dem Staat Israel verbindet.

Haben Sie nicht Angst, dass künftig das Jüdische Forum in der CDU vor allem für Strategien gegen den Antisemitismus zuständig sein wird?

Nein, der Kampf gegen Antisemitismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und die Union muss da an vorderster Front eine Rolle spielen. Die Würde des Menschen ist ein zentraler Punkt unseres politischen Engagements, und dafür sind in der Union alle zuständig. Aber in einer Situation, in der Menschen schon wieder Angst bekommen, sich öffentlich als Juden zu zeigen, möchte ich dazu ermuntern, den Mut zu haben, sich klar zum Judentum zu bekennen. Jetzt machen wir uns erst recht als Juden in der Union sichtbar und bekennen uns zu diesem Land. Wir müssen und wollen uns nicht verstecken. Auch wenn ich eingestehe, dass ein Jüdisches Forum schon viel früher notwendig gewesen wäre. Es war und ist hohe Zeit.

Wie wird die Arbeit des Jüdischen Forums konkret aussehen?
Unser Forum bietet Juden und Menschen mit jüdischem Hintergrund innerhalb der Union eine Plattform für Diskussion und Meinungsaustausch. Wie sich die Arbeit in Zukunft konkretisiert, wird Gegenstand der derzeitigen Planung sein. Bis nach den Sommerferien wird es aber noch dauern, bis konkrete Ergebnisse zu erwarten sind. Mein Sprecherkollege Bernd Knobloch und ich werden dabei unsere Arbeit mit den Sprechern des Jüdischen Forums in der CSU eng abstimmen.

Wer sind Ihre Mitstreiter?
Wir werden jüdische Christdemokraten er­muntern, sich uns anzuschließen. Die Angabe zur Religionszughörigkeit ist in der Union freiwillig. Aber in ein paar Monaten werden wir wissen, wie viele Parteimitglieder überhaupt als Religion Judentum angegeben haben. Einige haben dies gemacht, andere, wie ich, nicht. Es ist wichtig, auch als Jüdin und Jude in der Union Politik zu machen. Und es gibt bereits einige, die sich bei mir gemeldet haben und mitmachen wollen.

Warum haben Sie selbst lange gezögert, Ihre Jüdischkeit öffentlich zu machen?

Die Verfolgungsgeschichte als Juden hat mein Elternhaus und meine Erziehung, meine Kindheit und Jugendzeit geprägt. Zu Hause hieß es: Darüber spricht man öffentlich nicht. Die Angst meiner Eltern war schon konkret und durch die unmittelbare Familiengeschichte als Juden bestimmt. Ich wollte dagegen nicht mit meinem Jüdischsein hausieren gehen, mich nicht darauf reduzieren oder darüber definieren lassen. Ich bin in einem nichtreligiösen Elternhaus aufgewachsen. Aber Judentum war in unserer Familie immer präsent. Das ist auch entscheidend für meinen beruflichen und politischen Werdegang gewesen. Während meine Mutter mir aber riet, nicht über meine Jüdischkeit zu sprechen, habe ich mich angesichts des aufkeimenden Antisemitismus in Frankreich genau zum Gegenteil entschlossen. Ich habe allerdings sehr lange mit mir gerungen, bevor ich mich vor knapp drei Jahren öffentlich als Jüdin bekannt habe. Ich war damals Mitglied der Hamburger Bürgerschaft. Bei einigen in meiner Partei in Hamburg wurde dies zumindest mit Beklommenheit zur Kenntnis genommen, bei der Mehrheit ist es allerdings sehr positiv wahrgenommen worden.

Wofür stehen Sie im Jüdischen Forum?
Ich werde mich dafür einsetzen, jüdischem Leben mehr Raum zu geben, es sichtbarer zu machen und für mehr staatliche Unterstützung zu sorgen. Dies tue ich bereits als schleswig-holsteinische Kulturministerin in der Frage der Gleichstellung mit christlichen Kirchen. Die jüdischen Gemeinden müssen bessergestellt werden, für ihre Ju­gend- und Gemeindearbeit und ihre gesellschaftliche Aufgabe im Rahmen der Zivilgesellschaft. Dafür werde ich auf allen Ebenen meinen politischen Beitrag leisten. Im Kampf gegen Antisemitismus brauchen wir eine konsequente Haltung und eine bundesweite Datenbank über antisemitische Vorfälle, auch in den Schulen. Nach wie vor gibt es auf Bundesebene keine zuverlässigen Zahlen. Und dann werde ich mich für die weitere Verbesserung des Verhältnisses zu Israel einsetzen, für die Intensivierung des Schüler- und Jugendaustausches. Die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel muss die Anforderungen der Zukunft erfüllen können.

Mit der Sprecherin des Jüdischen Forums der CDU und Bildungsministerin von Schleswig-Holstein sprach Hans-Ulrich Dillmann.

Berlin

Moses-Mendelssohn-Preis für »Kanaan«-Gastronomen

Senator Joe Chialo würdigte die Gastronomen als großartiges Beispiel und Vorbild für Verständigung, Zusammenhalt und Resilienz

 11.09.2024

Meinung

Ich sehe in Deutschland immer öfter, wovor ich aus dem Iran geflohen bin

Nach dem Anschlag von München fragt sich unsere Autorin, ob sie ihre Kinder noch schützen kann

von Shahrzad Eden Osterer  11.09.2024

Frankfurt am Main

Gericht lehnt Eilantrag gegen Rüstungsexporte nach Israel ab

Fünf Palästinenser wollten Waffenlieferungen verhindern

 11.09.2024

Meinung

Baerbocks Bilanz

Viel Täter-Opfer-Umkehr und wenig Verständnis für Israels berechtigte Sicherheitsinteressen: Auf solche selbst ernannten Freunde des jüdischen Staates wie Außenministerin Annalena Baerbock kann Israel getrost verzichten

von Philipp Peyman Engel  11.09.2024

US-Wahlkampf

»Sie hasst Israel« - »Er wäre gern selbst Diktator«

Bei der ersten Fernsehdebatte machten sich die beiden Kandidaten heftige Vorwürfe - auch beim Thema Nahost

von Michael Thaidigsmann  11.09.2024

Frankreich

Schatten über Straßburg: Israelisches Filmfestival erneut abgesagt

Der jüdische Dachverband CRIF sprach von »intellektuellem Terrorismus«, die Straßburger Bürgermeisterin von »inakzeptablen Drohungen«

 10.09.2024 Aktualisiert

Islamismus

Nach Schüssen in München: NS-Dokuzentrum sagt Feier zur neuen Ausstellung ab

In dem Gebäude erinnert künftig eine Installation an rassistische Anschläge. Die Schau sollte feierlich eröffnet werden - doch das fällt nach dem Terroranschlag nun aus

 10.09.2024

Berlin

»Bild«-Reporter Iman Sefati angegriffen

Der Journalist wurde zunächst auf dem Alexanderplatz und später in Kreuzberg bei Demos attackiert

 10.09.2024

Hamburg

»Ein Armutszeugnis«

Die Absage des Grindelfestes stößt bei der Jüdischen Gemeinde auf scharfe Kritik

von Ralf Balke  09.09.2024 Aktualisiert